Störtebekers Erben. Susanne Ziegert

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Störtebekers Erben - Susanne Ziegert

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Zeit Land vor sich auftauchen, grün ragte es aus dem Meer hervor, außer einem rötlichen Gebäude, wahrscheinlich dem Leuchtturm, konnte sie keine Häuser erkennen. Das musste Neuwerk sein, ihre neue Heimat für die nächsten sechs Monate.

      »Böses Omen«, hatte der Cowboy finster gebrummt, als sie nach einer Stunde triefend und durchgefroren am Leuchtturm angekommen waren. Margo hatte schon genug über die Insulaner gehört, ein streitbares Völkchen, das gegen Festlandbewohner fest zusammenhielt.

      »Ich bin die neue Leuchtturmwärterin – jedenfalls für den Winter«, hatte sie sich ihm vorgestellt.

      »Die Letzte ist nach drei Tagen abgehauen: Inselkoller«. Verächtlich spuckte der Typ irgendein braunes Zeug haarscharf an ihr vorbei, wahrscheinlich Kautabak. »Wir sind hier nicht so verkommen wie ihr auf dem Festland. Hier hilft jeder jedem. Doch das geht in eure Köpfe nicht rein.« Er schlug sich mit der Hand an seinen wassertriefenden Lederhut.

      Der Typ hatte offensichtlich etwas gegen Zugezogene im Allgemeinen, und sie konnte er wohl im Besonderen nicht ausstehen. Wortlos ließ er ihren Koffer vor den Eingang plumpsen und ging ohne Gruß zurück zu seinem Gespann. Er winkte nur ab, als sie ihn fragte, was sie für die Überfahrt schuldete.

      »Das hat Hillu geregelt. Die weiß, was sich gehört.«

      Das war nicht gerade ein ermutigender Anfang, aber sie war nicht zum Vergnügen hier. Und sie fragte sich, wie sie die Stille der Natur aushalten würde. Sie liebte ihre Wahlheimat Berlin, die Stadt hatte genau die richtige Größe, war nicht ganz so hektisch, wie Paris, wo sie davor studiert hatte. In Berlin lebte es sich entspannter, die Stadt war aber dennoch lebendig und inspirierend für sie.

      Selbst ihre Bilder, die sie als Malerin schuf, zeigten keine grünen Idyllen oder gar Meer mit fluffigen Wolken, sondern Großstadtlandschaften mit Brücken, Schienen oder Hochhausgebirgen. Die Natur inspirierte sie nicht zum Malen, ihre Kunst brauchte das schrille Kreischen der Hochbahn in den Kurven, das Heulen der Martinshörner, und sie vermisste sogar das monotone Spiel des bulgarischen Akkordeonisten unter ihrem Kreuzberger Fenster. Aber sie brauchte Zeit für sich, sechs Monate, nachdem ihre Mutter gestorben war. Der Notar hatte ihr zwei Briefe ausgehändigt, einen, den sie nach dem Tod ihrer Mutter verschicken sollte und einen, der an sie selbst gerichtet war. Diese letzten Worte hatten sie tief erschüttert, doch der Brief hatte ihre Fragen, die sie ihrer Mutter gerne gestellt hätte, nicht beantworten können, er hatte sie mit noch mehr Fragen allein zurückgelassen und Margo hatte beschlossen, diesen Dingen auf den Grund zu gehen.

      Mutterseelenallein fühlte sie sich, und das war sie ja nun auch, ihr Lebensgefährte Friedrich hatte kein Verständnis für ihre Trauer und ihre Grübeleien gezeigt. Sie wollte deshalb auch gleich eine Auszeit von dem Mann an ihrer Seite nehmen, um über ihre Beziehung nachzudenken. Sie hatte es satt, immer nur das Anhängsel des bekannten Ökounternehmers zu sein und nur eine winzig kleine Nebenrolle in dessen Leben voller bedeutsamer Termine zu spielen.

      Von einem Tag auf den anderen hatte sie die Stelle als Vertretung im Leuchtturmhotel angenommen. Die Hotelbetreiberin wollte den Winter mit ihren Kindern auf dem Festland verbringen. Bald war Saisonende, dann hatte Margo keine Gäste mehr zu betreuen, sondern einen Bereitschaftsdienst mit Präsenzpflicht, denn die Senatswohnung musste dauerhaft besetzt sein. Außerdem hatte Hillu ihr eine Liste mit Erledigungen hinterlassen, die sie im Lauf des Winters abarbeiten sollte. Stress würde sie auf jeden Fall nicht haben, wenn sie nicht einmal mehr Frühstück servieren musste.

      Sie schaute hinter sich auf den Kalender, die Pension war nur noch zwei Tage geöffnet. Sie fragte sich, wie sie mit der Ruhe und der Einsamkeit zurechtkommen würde, wenn bald der letzte Gast abgereist war. Insgeheim hoffte sie, dass ihr Lebensgefährte nun um sie kämpfen würde und vielleicht ganz überraschend ein Motorboot chartern würde und zu Besuch käme. Offiziell fuhren die Wattwagenkutscher außerhalb der Saison nicht mehr täglich zwischen Insel und Festland, doch gegen das entsprechende Kleingeld würden sie sicher ihre Pferde anspannen. Aber sie wusste auch, dass sie sich wahrscheinlich etwas vormachte. Er hatte beim Abschied am Bahnsteig niedergeschlagen gewirkt und gesagt, dass er sie vermissen werde. Sicher war sein Bedauern über ihre lange Abwesenheit nicht gespielt gewesen, aber in seinem stressigen Alltag hatte er dies bestimmt schon bald wieder vergessen. Ihr Blick fiel wieder auf den Computer, gerade einmal zwei Zeilen hatte sie in ihrem Bericht geschafft. Vielleicht war es besser, sie würde sich am Morgen mit neuer Energie an den Text setzen. Dann fiel ihr noch ein, dass ihr Hillu eingeschärft hatte, den Konzertabend im »Seemannsgarn« nicht zu verpassen, der an diesem Abend stattfand. Sie schloss die Tür zur Rezeption ab und ging über den Flur in ihr Zimmer, das sich auf der gleichen Etage befand.

      Heute Abend wollte sie endlich wieder unter Menschen gehen; sie hoffte, weitere Inselbewohner kennenzulernen, die Antworten auf all ihre Fragen hatten.

      Margo schlüpfte in ein kurzes schwarzes Kleid, zog elegante Schuhe an und den dicken Wollmantel darüber, um sich gegen den Wind zu schützen. Der Platz vor dem Leuchtturm wirkte wie ausgestorben, die Fensterläden am Schullandheim waren geschlossen, das Haus winterdicht eingemottet, und auch beim Kaufmann, ihrem direkten Nachbarn, war kein Licht zu sehen. Heins Wohnung befand sich über seinem Laden, davor hatte er zwei Zelte mit Sitzbänken aufgestellt, damit die Tagestouristen seine Fischbrötchen auch bei Schlechtwetter im Trockenen verspeisen konnten. Sie hatte sich anfangs gewundert, warum er täglich andere Öffnungszeiten hatte, und dann verstanden, dass sich der komplette Rhythmus der Insel nach den Gezeiten richtete. Ob Hein auch zu dem Konzert gegangen war? Sie war froh, als sie auf dem beleuchteten Mittelweg angekommen war, der nach Norden führte, rechts und links in der Dunkelheit befanden sich Weiden, auf denen Kutschpferde und Kühe grasten. Sie musste dem Weg bis zum anderen Ende der Insel folgen, das zum Glück keine zwei Kilometer entfernt war. Schon von Weitem sah sie die hell erleuchteten Fenster vor sich, das musste das »Seemannsgarn« sein, Kneipe, Café, Restaurant und Konzertbühne in einem, der einzige Ort mitten im Wattenmeer, wohin man ausgehen konnte, hatte ihr Hillu vorgeschwärmt. Das schloss insbesondere den Wirt ein, den Musiker Jo Prell, der als Wattrocker bekannt geworden war.

      Angefangen hatte er mit einer schnell zusammengezimmerten Holzbude hinter dem Deich. Damals reichte der Wattrocker seine Grogs und geräucherten Heringe über den Tresen ins Freie und sang im Sommer mit der Gitarre am Lagerfeuer. Aus der Bude war ein solides Gasthaus mit gutbürgerlicher Küche geworden und der Wattrocker eine Berühmtheit. Mit seinen Konzerten füllte er selbst größere Veranstaltungsorte und wurde bundesweit in Talkshows eingeladen.

      Vor dem flachen Holzbau, der an ein traditionelles Friesenhaus mit Reetdach angebaut war, wehte knatternd eine schwarze Piratenflagge, das Markenzeichen, das wohl noch aus den Anfangsjahren stammte.

      Margo stand in der offenen Tür und ließ ihren Blick über den mit Fischernetzen, Rudern, Muscheln und präparierten Fischen dekorierten Gastraum schweifen. Links befand sich ein Tresen, vor dem sich die Gäste drängten, rechts und links davon waren die Tische im Restaurant voll besetzt, zwei Kellner mit Piratentüchern um den Kopf eilten mit Tellerstapeln an ihr vorbei, eine weitere Bedienung im Seeräuberkostüm verteilte kleine Gläser mit Hochprozentigem, wohl zur Verdauung der norddeutschen Spezialitäten. Zum Essen war Margo zu spät dran, dabei sollte es hier die beste Nordseescholle Neuwerks geben. Von einem runden Tisch, der auf einer kleinen Plattform in der Mitte der beiden rechtwinklig aufeinander zulaufenden Gasträume um einen alten Schiffskompass herum gebaut war, sah sie jemanden hektisch in ihre Richtung winken.

      David, der Leiter des Nationalparkhauses, ruderte mit seinen Armen, um Margo an den Tisch zu lotsen, an dem er mit zwei Wattführern vom Festland beim Bier saß. Margo hatte die beiden mehrmals beim Inselkaufmann gesehen, als sie mit einer Gruppe Wanderer eingetroffen waren. Sie setzte sich neben David und scherzte: »Lange nicht gesehen«, denn er hatte noch am Nachmittag eine Gruppe Ornithologen auf den Leuchtturm begleitet.

      »Manche Menschen kann man gar nicht oft genug sehen«, antwortete David,

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