Die letzte Kurve. Wildis Streng

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Die letzte Kurve - Wildis Streng

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räusperte sich und meinte unbestimmt: »Nun, mein Mann hat durchaus polarisiert.«

      »Können Sie das konkretisieren?«, bat Lisa und lächelte der Frau aufmunternd zu.

      Es war Max, der weitersprach. »Der Manfred ist meinem Vatter neulich mal an den Karren gefahren, weil er sich von ihm verarscht gefühlt hat.«

      »Inwiefern?«, hakte Heiko nach.

      »Ich weiß es gar nicht genau, es ging wohl um den Papagei.«

      »Um was?«

      »Den Papagei. Das war ein Motorrad, das der Manfred selbst lackiert hatte. Ihr erinnert euch vielleicht an diesen Flickenteppich-Polo aus den 90ern? Wo jedes Blechstück in einer anderen Knallfarbe lackiert war?«

      »Dunkel«, gab Heiko zu, und die hintersten Windungen seines Hirns ließen tatsächlich ein Bild dieser Geschmacksverirrung vor seinem inneren Auge entstehen.

      »So ein Motorrad hatte der Manfred, und da war irgendwas, was ihm nicht gepasst hat. Ich kann aber nicht sagen, was genau. Weißt du da mehr?« Die Frage war an seine Mutter gewandt, die aber den Kopf schüttelte.

      Heiko bemerkte, dass sie inzwischen von vier Piranhas beobachtet wurden. Er fragte sich, wie man die Viecher wohl unterscheiden konnte.

      »Da müsstet ihr den Manfred fragen«, riet Max Wengert und fuhr sich durch das blonde Haar, das er von seiner Mutter geerbt hatte.

      Auch der letzte Piranha stierte sie nun durch das Glas an. Es war, als fänden die Fische das Gespräch spannend.

      »Und dann war da noch dieses latente Gefrotzel«, ergänzte Max nach einem sanften, nachgerade zärtlichen Lächeln in Richtung der Haustiere seines Vaters.

      »Von wem?«, erkundigte sich Heiko.

      »Nein, er hat gefrotzelt. Das konnte er gut.«

      »Und wen denn?«

      Max leckte sich die Lippen und zuckte die Achseln. »Och. Mal den einen, mal den anderen. Den Simon, den Sohn vom Manfred, weil er so ein pedantischer Sicherheitsheini ist. Den Jan, weil er ein Möchtegern-Rocker ist. Den Timo, weil er ein Schönling ist. Und so weiter und so fort.«

      »Nun gut«, meinte Heiko und dachte bei sich, dass das nicht unbedingt Mordmotive waren. »Hatte er sich auf irgendjemanden besonders eingeschossen?«

      Max tauschte erneut einen Blick mit seiner Mutter, die erneut die Achseln zuckte. »Nicht wirklich«, befand er. »Aber wer weiß, den einen oder anderen hat das vielleicht mehr geärgert, als er zugegeben hat.«

      »Möglich«, glaubte Lisa und fuhr mit einer etwas heikleren Frage fort. »Entschuldigen Sie, Frau Wengert, dass ich das frage, aber«, die Actionstar-Piranhas waren jetzt vollzählig und so nah an der Scheibe, als wollten sie sich durchbeißen, »war Ihre Ehe in Ordnung?«

      Christine errötete und senkte den Kopf, nickte dann aber. »Schon okay, das müsst ihr ja fragen. Ich denke, wir hatten eine ganz normale Ehe. Nicht besonders gut, aber auch nicht schlecht. Normal eben.«

      Heiko beobachtete Max. Die Miene des jungen Mannes blieb absolut neutral – irgendwie seltsam. »Und was hat Ihr Mann denn gearbeitet?«, fragte Heiko weiter.

      »Sein Onkel hat eine Kfz-Werkstatt. Da war er Meister. Mit dem Onkel hat er sich aber immer gut verstanden«, informierte die Frau. Die Fische wandten sich nacheinander scheinbar enttäuscht ab, und nur einer, womöglich Sylvester, harrte noch aus.

      Obwohl es schon neun gewesen war, hatten die Kommissare nach dem Besuch bei Familie Wengert noch beim MFHC-Vorsitzenden in Altenmünster geklingelt. Allerdings war niemand zu Hause gewesen, und da keine Gefahr im Verzug war, hatten die beiden ihre Befragung auf morgen verschoben. Mit etwas Glück wüssten sie dann schon mehr, wenn die Ulmer Gerichtsmedizin, wo die Hohenloher Leichen immer hinkamen, die Obduktionsergebnisse lieferte.

      Jan Bullinger ärgerte sich, er ärgerte sich sogar sehr. Er sollte nicht hier sein, nicht hier in seiner kleinen Wohnung in einem Block in den Riedwiesen in Altenmünster. Er gehörte hier nicht hin, nicht heute Abend. Saumäßig gerne wäre er woanders. Obwohl das vielleicht pietätlos wäre, an einem solchen Tag. Er musste zugeben, dass ihn das schon ein bisschen mitgenommen hatte, dieser Unfall, auch, wenn der Richard ein blödes Arschloch gewesen war, ein Angeber vor dem Herrn. Trotzdem, ein solches Ende wünschte man niemandem. Wie er so verdreht dagelegen hatte, wie eine Marionette, deren Schnüre irgendeiner abgeschnitten hatte. Aber gut, es war nun einmal so. Und tot war tot. Er hingegen, Jan Bullinger, lebte noch, und er wäre heute gerne wirklich woanders gewesen, zehn Kilometer weiter südöstlich, am Degenbachsee, um genau zu sein, beim Treffen der »Tarantel«.

      Jan stand im Schlafzimmer vor dem Spiegel. Er war kein Narzisst, ganz bestimmt nicht, und ihm war durchaus bewusst, dass er nicht der Schönste war. Nicht so schön wie der Timo zumindest. Aber das wollte er auch gar nicht sein. Vielmehr wollte er respektiert werden. Ein bisschen cool wirken. Vielleicht könnten die Leute ein klein wenig Angst vor ihm haben, manche zumindest, das würde überhaupt nicht schaden. Und dann wäre er vielleicht auch mal für die »Taranteln« interessant, die ihn bisher immer hatten abblitzen lassen.

      Grübelnd betrachtete er das Patch auf seiner Kutte, dessen Bedeutung sich nur Eingeweihten erschloss. Er hoffte, irgendwann einmal als Prospect, als Probemitglied, akzeptiert zu werden. Bisher sah er sich als Supporter, als einen Unterstützer, der sich danach sehnte, der »Tarantel« beizutreten. Natürlich war er nicht auf offiziellen Wegen an das Patch gekommen, also hatte er seine Oma gebeten, es mit ihrer Hightech-Nähmaschine für ihn zu sticken. Seine Oma hatte ihm alles eingescannt, es von der Maschine sticken lassen und dann die einzelnen Teile auf die Kutte genäht. Oben stand als Top Rocker »Taranteln Hohenlohe«, darunter prangte neben dem »MC« für »Motorcycle Club« eine stilisierte und äußerst gefährlich aussehende Spinne. Das Clublogo, das sogenannte Colour, wie Jan wusste, denn er kannte sich aus. Unterhalb davon prangten die Buchstaben »T.F.F.T.« – »Tarantel forever, forever Tarantel«. Unten, am Bottom Rocker, stand »Sacrum Hohenlohe«. Und zwischen den beiden Worten war eine kleine Raute mit »1 %« angebracht, deren Bedeutung sich wiederum nur Insidern erschloss. Zunächst konnte man ein Prozent für den Inbegriff der Unzulänglichkeit halten. Aber in Wahrheit war es ein Ritterschlag. Der Begriff hatte eine Geschichte: Als nämlich im amerikanischen Hollister im Jahr 1947 ein Bikertreffen ziemlich aus dem Ruder gelaufen war und die Biker sich auf ganzer Linie danebenbenommen hatten, bezeichnete der Amerikanische Motoradfahrerverband 99 Prozent aller Motoradfahrer als friedliebende und gesetzestreue Bürger. Das übrige eine Prozent galt demnach als das Gegenteil. Gewissenlose Schläger und Verbrecher. Die »Bad Guys« sozusagen, und er, Jan, war ein böser Junge.

      Er drehte sich wieder um, zog seine Kutte mit einer energischen Bewegung enger um seinen massigen Körper und fuhr sich durchs Haar. Das hatte cool ausgesehen! Er ließ seine Hand nachgerade unauffällig zu seiner hinteren Hosentasche gleiten. Eine echte »Tarantel« hatte ein Taschenmesser. Gut, jeder echte Kerl hatte ein Taschenmesser, in Hohenlohe sowieso. Aber nicht so eines. Er zückte mit einiger Schnelligkeit ein chromglänzendes Butterflymesser und genoss das Geräusch, das entstand, wenn man es aufklappte. Er war gut darin, nicht mal eine halbe Sekunde brauchte er dafür. Viermal machte es »klack«, klack klack klack klack, dann war die kleine Waffe einsatzbereit. Er hielt sich das Messer dicht vors Gesicht, drehte die Klinge nach vorn, so wie es neulich der Seagals Steven in einem seiner Filme gemacht hatte. Saucool hatte das ausgesehen. Und Jan Bullinger fand, dass er dem Seagals Steven im Moment gar nicht so unähnlich war, zumindest so von der Attitüde her.

      Susanne Schneider

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