Die letzte Kurve. Wildis Streng
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Читать онлайн книгу Die letzte Kurve - Wildis Streng страница 6
Allgemeines Nicken.
Er fuhr fort: »Sie sind mit dem Mann in der Kolonne hier runtergefahren?«
Wieder allgemeines Nicken.
»Wer war denn direkt hinter ihm?«, schaltete sich Lisa ein.
Ein junger Kerl etwa Mitte 20 hob die Hand. Er trug das aschblonde Haar lang und hatte es mit einem Gummi im Nacken zu einem dünnen Pferdeschwanz gebunden. Seine stämmige, etwas untersetzte Figur steckte in einer Lederhose mit Nieten und einer ledernen Kutte mit diversen Aufnähern. Heiko konnte eine Spinne erkennen. Er straffte sich, als Heiko das Wort an ihn richtete. »Wie heißen Sie denn?«
»Bullinger, Jan.«
»Also, Herr Bullinger, ist Ihnen irgendwas aufgefallen?«
Der Mann zuckte die Achseln und meinte mit einer Stimme, die eigentlich zu hoch für ihn schien: »Komisch geschwankt hat er schon die ganze Zeit. Aber ich dachte, der macht das mit Absicht.«
»Wieso das denn?«, wunderte sich Lisa.
»Na ja, ab und zu so ein kleiner Schwenk ist doch was Schönes«, meldete sich ein zweiter Biker zu Wort, ebenfalls ein Jüngerer, der allerdings einen supergepflegten Hipster-Vollbart und zu einer schwungvollen Welle gegeltes Haupthaar zum nietenbesetzten Lederdress trug und einen chromglänzenden Helm unter den Arm geklemmt hatte.
»Und Ihr Name ist?«, wollte Lisa wissen und lächelte dem jungen Mann freundlich zu, etwas zu freundlich für Heikos Geschmack.
»Timo Laukenmann«, informierte der gutaussehende Biker.
»Sie haben das auch gesehen?«, vergewisserte sich Heiko.
Laukenmann nickte. »Ich war hinter dem Jan. Und ich hab mir auch nichts dabei gedacht.«
»Wo waren Sie denn vor dem Unglück?«, fragte Heiko weiter.
Nun war es der Älteste in der Runde, der antwortete. Ein weißer Schnurrbart und längeres, ebenso helles Haupthaar umrahmten sein Gesicht. Seine stechend blauen Augen verliehen ihm eine Aura von Terence Hill. Allerdings passte die stattliche Figur nicht dazu. Er hatte seinen recht voluminösen Leib in einen orange-anthrazitfarbenen Kevlaranzug gezwängt. Vom Modernsten, Feinsten und Teuersten, wusste Heiko. »Ich bin der Vorsitzende von den MFHC, der Manfred Hofmeister. Und das ist meine Frau Ulrike, und hier mein Sohn Simon.« Er wies auf die Frau neben sich, die in seinem Alter war und das mittelbraune Haar zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengefasst hatte. Sie trug den gleichen Anzug wie er, natürlich die Damenversion. Auch sie war etwas üppiger. Und auf den dunkelhaarigen, eher unscheinbaren, hageren und großen jungen Mann, dessen Anzug noch teurer aussah als der seines Vaters und der darüber noch eine Weste trug. Das Ganze sah ein bisschen so aus wie eine moderne Ritterrüstung, fand Lisa. »Das hier war unsere Feiertagsausfahrt, und wir waren auf dem Ostermarkt in Langenburg. Genauer gesagt, als Letztes waren wir im Café Bauer.«
»Ach. Und dort haben Sie auch was gegessen?«, erkundigte sich Lisa.
»Ja. Alle das Gleiche. Eine hervorragende Wibele-Torte.«
»Wibe-was?«, hakte Lisa nach.
Heiko grinste. Das war Hohenloher Spezialwissen. Und er war sicher, dass er Lisa schon mal von den Wibele erzählt hatte, offenbar hatte sie es vergessen. »Se Wibele are se trädischonel Biskwit of Hohenlohe Country«, wisperte er und fügte hinzu: »Erklär ich dir später.«
Lisa nickte, jetzt war wohl kaum der richtige Zeitpunkt für derlei Ausführungen. »Jedenfalls haben Sie alle das Gleiche gegessen?«
»Ja, warum?«, fragte Manfred Hofmeister zurück.
»Nur so«, antwortete Heiko frech, das brauchte Hofmeister nicht zu wissen, das würde noch früh genug herauskommen. Gleichzeitig verwarf er seine Idee von der Lebensmittelvergiftung, denn niemand aus der Truppe hatte spucken müssen. »Schlecht ist auch niemandem von Ihnen?«, setzte er nach, um allerletzte Zweifel auszuräumen.
Kollektives Kopfschütteln.
»Ach, und vorher waren wir noch auf der ›Jagsttalranch‹ in Großforst«, fügte Hofmeister hinzu. Heiko nickte und machte sich gedanklich Notizen.
»Jetzt kennen wir alle außer Ihnen!«, richtete Lisa das Wort endlich an die geradezu ätherische Schönheit mit den langen schwarzen Haaren im knallroten Lederanzug, die sich soeben mit einem silbernen Feuerzeug eine dünne Zigarette anzündete.
»Susanne Schneider heiß ich«, stellte sich die Frau vor und zog an der Kippe, blies mit einer ruckenden Bewegung des Kopfes Rauch aus und sah Lisa aus grünen Augen herausfordernd an.
Heiko räusperte sich und beendete damit den direkten Blickkontakt zwischen den beiden Damen. »Sie dachten also, dass der ein bisschen hin- und herschwenkt mit der Maschine, um Spaß zu haben.«
Wieder nickten alle.
»Zumindest die, die hinter ihm gefahren sind. Wir waren ja vor ihm und haben gar nichts mitgekriegt, genau wie die Susi und seine Familie«, präzisierte Manfred.
Heiko brummte, das machte Sinn. »Aber den Unfall haben Sie alle mitbekommen«, vermutete er.
»Der war nicht zu überhören, ja.«
»Richard ist plötzlich geradeaus weitergefahren und über den Hang geschanzt, dann vom Moped gefallen und in hohem Bogen gegen den Baum geknallt«, erklärte Jan.
»Den Luxemburger Bratbirnenbaum«, präzisierte Timo. »Mit so was kenn ich mich aus.«
»Aha«, machte Heiko und sah zu dem betreffenden Obstbaum, den er mit seinem Halbwissen gerade noch als Birnbaum und eben nicht als Apfelbaum identifiziert hätte.
Sie wussten noch nicht definitiv, ob es sich um Mord handelte. Deswegen war es jetzt auch müßig, die Leute allzu genau auszuquetschen, vielleicht sogar kontraproduktiv, falls der Mörder sich unter ihnen befinden sollte. Falls!, denn Heiko zweifelte ja immer noch, ob der Kerl nicht einfach erbrochen hatte, vielleicht doch besoffen, und dann einfach weggetreten war. Vielleicht hatte er Drogen intus gehabt, von denen die anderen nichts wussten. Eine Medikamentenunverträglichkeit wäre ebenso möglich. »Die Kollegen haben Ihre Daten aufgenommen?«, vermutete Heiko. Und Manfred, der Anführer, der Leader of the Gang, nickte. »Mir sinn sowieso alle bei den MFHC.«
Nachdem sich Lisa und Heiko eine weitere Abfuhr bei den Sanitätern abgeholt hatten – die Ehefrau und der Sohn hätten beide einen schweren Schock –, beschlossen sie, nach Langenburg hochzufahren. So wie die Sache aussah, konnte man hier sowieso nicht von einem Tatort sprechen, selbst dann nicht, wenn es sich tatsächlich um Mord handeln sollte. Wenn es sich um einen Mord handeln würde, wäre die ganze Sache unglaublich kompliziert.
»Schauen wir am besten mal ins Café Bauer, wenn die da als Letztes waren. Vielleicht ist ja jemandem was aufgefallen. Und außerdem will ich mal den blöden Gaffern Bescheid geben«, verkündete Heiko.
»Die sind doch längst weg, bis wir da sind!«, glaubte Lisa.
Heiko schnaubte. »Die Hartnäckigen bleiben, bis alles rum ist. Und da oben haben die ja einen Logenplatz.«
Sie waren schon gemeinsam in Langenburg gewesen, natürlich, denn