Die Salbenmacherin. Silvia Stolzenburg
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Читать онлайн книгу Die Salbenmacherin - Silvia Stolzenburg страница 7
»Ich komme«, rief er. Aber erst, als sein Latz fest angenestelt war, öffnete er der Magd. Diese, ein junges Ding mit rosigen Wangen, huschte zu dem Waschgestell in der Ecke des Raumes und füllte die Schüssel mit frischem Wasser aus dem Brunnen im Hof.
»Der Herr wartet in der Stube auf Euch«, informierte sie Laurenz. »Er hat mir aufgetragen, Euch daran zu erinnern, dass Ihr ihn zu dem Glaser begleiten wolltet.« Sie mied seinen Blick.
»Ach, ja, der Glaser«, brummte Laurenz. Die Wonnen des Traumes hatten alle Gedanken an den bevorstehenden Besuch vertrieben. Nachdem die Magd die Kammer wieder verlassen hatte, wusch er sich Gesicht und Hände, brachte sein Haar in Ordnung und kleidete sich fertig an. Dann trat er in den Hof hinaus, der trotz der frühen Stunde bereits in der Sonne buk. Nicht mehr lange, dann würde der Sand unter seinen Sohlen wieder so heiß sein, dass er ihn durch das dünne Leder spüren konnte. Er sah sich um – in der Hoffnung, einen Blick auf Olivera zu erhaschen. Allerdings war von dieser weit und breit keine Spur zu entdecken. Wie sie wohl den Tag verbringen würde?
Das gleißende Weiß der Gebäude blendete ihn, sodass er schließlich blinzelnd den Blick senkte und den Schatten des Arkadenganges suchte. Im Wipfel eines Olivenbaumes trällerte ein bunt gefiederter Vogel – als ob ihm die Hitze nicht das Geringste ausmachen würde. Vermutlich tat sie das auch nicht, dachte Laurenz. Bereits wieder schwitzend erklomm er die Treppe ins Obergeschoss und betrat wenig später die Stube.
»Ihr seht erschöpft aus«, begrüßte Oliveras Vater Philippos ihn. »Habt Ihr nicht gut geschlafen?«
»Zu Hause wird es nie so warm«, erwiderte Laurenz. Er ließ sich auf einem der Stühle nieder und wartete, bis eine Bedienstete ihm eine Schüssel mit Hirsebrei gefüllt hatte. Dazu gab es gezuckerte Feigen, Datteln, Nüsse und Honig.
Philippos lachte. Die schwarze Kappe auf seinem Kopf erschien Laurenz viel zu warm – genau wie die prunkvollen Gewänder, deren Gold- und Silberstickereien im Licht funkelten. In dem grauen Bart des Griechen glitzerten einige Tropfen, doch diese waren das einzige Anzeichen, dass auch ihm die Hitze zusetzte.
»Seid froh, dass die Winde vom Meer her wehen«, versetzte Philippos. »In den vergangenen Jahren war es weitaus unangenehmer zu dieser Jahreszeit.«
Laurenz lutschte an einer Dattel. »Dann kann ich wohl von Glück sagen«, erwiderte er trocken. Dann widmete er sich seinem Hirsebrei und versank in Gedanken, während Philippos ihm von dem reinsten Glas vorschwärmte, das er je gesehen hatte.
Sobald die beiden Männer ihr Mahl beendet hatten, befahl der Grieche einem Knecht, die Pferde zu satteln. Diese warteten bereits ungeduldig neben dem Stallgebäude, als Laurenz und sein Gastgeber sich schließlich in den Hof hinab begaben. Laurenz’ Rappe warf den Kopf und stieß ein freudiges Wiehern aus.
»Ein wirklich schönes Tier«, lobte Philippos. Er erklomm mithilfe eines seiner Männer den Rücken einer lohfarbenen Stute.
Laurenz nickte. Der Hengst war das Erste gewesen, das er sich geleistet hatte, als er begriffen hatte, wie einträglich das Geschäft mit Reliquien war. Schon als Knabe hatte er sich ein feuriges Ross mit glänzendem Fell gewünscht – genau wie das Tier, in dessen Sattel er sich soeben schwang. Stolz tätschelte er dem Pferd den Hals, ritt an und genoss das Gefühl der unter ihm spielenden Muskeln.
»Es ist nicht weit bis zu dem Phiolarius – dem Glaser«, erklärte Philippos, als sie den Hof verließen und sich auf der Straße nach Süden wandten. »Er hat seine Werkstatt unten am Hafen.«
Auch wenn Laurenz am liebsten davongeprescht wäre, um den kühlenden Wind auf seiner Haut zu spüren, gewann seine Neugier allmählich die Oberhand. Während sie an ummauerten Gärten, Basaren, Läden und Faktoreien vorbeiritten, fragte er sich, ob Philippos nur aufgeschnitten hatte. Sollte es stimmen, was der Grieche behauptete, und das Glas des Venezianers tatsächlich so rein sein wie ein Kristall … Er brach den Gedanken ab, da sie eines der Tore erreichten, welche die Bezirke der Venezianer, Florentiner, Katalanen, Ragusaner und Juden voneinander trennten. Zwei Bewaffnete vertraten ihnen den Weg, hoben drohend die Lanzen und fordernd die Hände. Ein kurzer Wortwechsel auf Griechisch sorgte dafür, dass sie die Waffen senkten. Mit einer leichten Verbeugung öffneten sie die Flügel des Tores, damit Philippos und Laurenz ungehindert passieren konnten. Hinter der Mauer fielen die Hügel sanft zum Meer ab. Je dichter die Häuser beim Ufer standen, desto mehr Abstand befand sich zwischen ihnen, desto saftiger und farbenprächtiger lockten die Gärten. Eine sanfte Brise fächelte die Gesichter der erhitzten Reiter. Und mit jedem Schritt, den sie sich dem Wasser näherten, vermeinte Laurenz, leichter atmen zu können. Zahllose Schiffe tanzten in der Ferne auf den Wellen – viele davon bauchige Koggen oder schlanke Galeeren aus der Serenissima, der venezianischen Republik. Immer weiter ritten sie gen Süden, bis sie schließlich ein Gebäude erreichten, neben dem sich übermannshohe Holzstapel türmten. Aus mehreren Kaminen quoll dicker, schwarzer Rauch, und ein beißender Gestank brachte Laurenz zum Husten.
»Wir sind da«, sagte Philippos. »Tränk die Pferde«, trug er dem schmutzigen Burschen auf, der auf sie zugeeilt kam. »Wo ist Matteo?«, fragte er den Jungen.
»In der Hütte«, erwiderte der Knabe. Er wies mit dem Daumen auf das Gebäude, aus dem laute Stimmen ins Freie drangen.
»Ihr werdet staunen«, prophezeite Philippos. Ohne auf eine Antwort zu warten, steuerte er auf die Hütte zu und öffnete die Tür.
Laurenz folgte ihm und musste augenblicklich erneut husten. Der stechende Geruch war im Inneren des Gebäudes wesentlich stärker als draußen, wo der Wind ihn gemildert hatte. Schwer und metallisch hing der Gestank in der Luft – so überwältigend, dass Laurenz einen Augenblick lang den Eindruck hatte, danach greifen zu können. Zudem erfüllten dichte Dampfschwaden die Hütte, sodass er die Männer an den gemauerten Öfen erst sah, als Flammen aus den großen, runden Öffnungen schlugen. Mit ledernen Schürzen geschützt, hantierte ein halbes Dutzend Glaser mit rot glühenden Klumpen an langen Stöcken, die sie immer wieder an den Mund führten. Während die Männer ihre Werkzeuge hin und her drehten, schaufelten rußverschmierte Knaben Holz in die Befeuerungsluken der Öfen und sammelten die Asche in Körbe. Diese warfen sie in einen Kessel mit Schmelze, in dem ein Hüne mit einem Metallstab herumrührte. Neben ihm standen je ein Karren voller durchsichtiger Steine, zerriebenem Marmor und Salz.
»Ihr kommt zu früh«, knurrte der Glaser anstatt einer Begrüßung. »Das Crystallo ist noch nicht fertig. Wir hatten Probleme mit der Schmelze.«
Philippos winkte wegwerfend ab. »Wir sind nicht hier, um die Ware abzuholen.« Er deutete auf Laurenz. »Ich wollte ihm nur zeigen, wie rein dein Glas ist.«
Der Phiolarius griff in das Salz und warf eine Handvoll davon in die Schmelze, die zischend Blasen warf. »Es ist noch nicht viel, aber die fertige Ware lagert nebenan«, ließ er seine Besucher wissen. »Ich habe auch Lattimo – Milchglas – gemacht. Falls Ihr davon auch eine Ladung benötigt.«
Ohne Antwort