Rhöner Nebel. Friederike Schmöe
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Читать онлайн книгу Rhöner Nebel - Friederike Schmöe страница 13
»Lassen Sie mich ehrlich sein, Eduard. Sie zögern nun schon recht lang.«
»Der Künstler braucht mehr Zeit.«
»Für eine simple Kohlezeichnung, die er streng genommen bloß abpausen musste?«
Mähling schwitzte noch mehr. Spaßend hob er den Zeigefinger: »Lassen Sie das um Gottes willen nicht den Künstler hören.«
Horweg beugte sich vor. Er wusste um die Macht des Schweigens. Nachdenklich drehte er den Tumbler in seinen feingliedrigen Fingern, während er angelegentlich den Perserteppich musterte. »Bei euch im Westen nagen die Künstler am Hungertuch. Der arme Poet. Der arme Maler.«
Mähling erwiderte nichts. Er ließ sich auf das Kräftemessen ein. Ihm blieb nichts anderes übrig. Dass Künstler Mimosen seien, diese Ausrede hatte er längst überstrapaziert. Er wollte aussteigen aus diesem Geschäft, aber er war zu ängstlich. Wenn das Ministerium für Materialbeschaffung in Ostberlin sein Fotopapier nicht mehr wollte, stünde er da. Zumal ihm in der Folge auch das Geld aus dem Business mit Horweg abginge. Ein Sechsjähriger könnte ausrechnen, dass er bis zum Sommer pleite wäre.
»Ich will damit sagen«, fuhr Horweg fort, als Mähling keine Anstalten machte, etwas zu erwidern, »ich kann mir nicht vorstellen, dass der Mann den guten Verdienst einfach so in den Wind schreibt.«
»Vermutlich arbeitet er darüber hinaus noch für andere. Ich kann ihn nicht drängen, das ist die Basis meiner Zusammenarbeit mit ihm. Ansonsten macht er dicht. Dann war es das.«
Horweg ließ die braune Flüssigkeit im Glas schwappen. »Eduard. Ich darf Sie doch Eduard nennen, nach allem, was wir in der Vergangenheit miteinander ausgehandelt haben? Männer wie wir können die Welt verändern, mein Freund.«
Verändere erst mal dein absurdes Land da drüben, dachte Mähling. Er hätte sich nie auf Horweg einlassen dürfen. Der Mann war mit allen Wassern gewaschen und würde nicht davor zurückscheuen, Opfer zu bringen. Man wusste genug über die Machenschaften der Stasi, über die »Zersetzung« unliebsamer Bürger, die man kaputtmachte, indem man ihre sozialen Beziehungen zerstörte, ihnen die wirtschaftliche Lebensgrundlage nahm, sie wegsperrte. Leute wie Horweg hatten diesen menschenverachtenden Irrsinn perfektioniert.
»Sie haben doch einen Sohn. Nicht?«
»Ich habe eine Tochter.« In Mählings Innerem wurde alles ganz leer und kalt.
»Eine Tochter, aber auch einen Sohn. Ihre Frau weiß nichts davon, wie?«
Die folgende Stille knallte gegen Mähling wie eine Druckwelle. Du dreckiges Arschloch, dachte Mähling. Er stand auf. Lauernd sah Horweg ihn von unten an. Die Wanduhr tickte, und Mähling fand den Gedanken, dass seine Zeit ablief, absurd und erschreckend real zugleich.
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»In spätestens vier Wochen.« Horweg erhob sich ebenfalls. »Immer wieder eine Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen, mein Freund.«
*
13.
Die Hausführung endete nach einem Marsch durch sämtliche Stockwerke in der Kapelle, einem hellen Raum mit blauem Deckengewölbe, der im Stil des naiven Bauernkatholizismus gehalten war. Katinka meinte sich zu erinnern, dass dieser Begriff von Schwester Romana mit einem spöttischen Lächeln ausgesprochen worden war. Das Geburtstagskind blühte sichtlich auf. Mit ihren 80 Jahren entfaltete die Schwester eine Energie, die Katinka im Augenblick völlig abging. Sie sehnte sich nach einer Pause von den vielen Eindrücken und nach einer Stunde Ruhe, in der sie über Anja und ihre wahren Beweggründe, eine Detektivin zu engagieren, nachdenken konnte. Die Gruppe löste sich auf, einige wollten einen Spaziergang unternehmen, andere ihre Zimmer beziehen.
»Nicht vergessen, um 16 Uhr ist die Andacht, danach Abendessen!«, rief Schwester Romana in die Runde.
Katinka stöhnte leise. Von einem Programmpunkt zum nächsten getrieben zu werden, war ihre Sache nicht. Während der Hausführung war sie weiter bei Tobias Gebsen geblieben, obwohl dieser auf ihre Frage nach der geheimnisvollen Kirsten hin nachgerade verstummt war. Jedes Wort musste sie ihm aus der Nase ziehen. Nun hastete er davon, ängstlich darauf bedacht, nicht wieder in ein Gespräch verwickelt zu werden. Anja wechselte ein paar Worte mit Gitta Krone und verließ ebenfalls die Kapelle.
Katinka ging ihr nach. Im zweiten Stock angekommen, zögerte Anja kurz, bevor sie den Schlüssel in die Zimmertür schob. Sie gab sich einen Ruck und sperrte auf. Als sie die Tür schließen wollte, drückte Katinka dagegen und trat mit Anja in das Zimmer.
»Frau Riedeisen, ich reise ab. Ich stelle Ihnen einen halben Tag und die Fahrtkosten in Rechnung. Das war es dann.«
»Wie bitte?« Anjas Gesichtsausdruck, eben noch schroff, geriet zu einer erschrockenen Grimasse.
Katinka schloss die Tür hinter sich und sank auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Schweigend sah sie zu, wie ihre Klientin nach Worten rang.
»Was ist denn los?«, brach es schließlich aus Anja heraus.
»Das wüsste ich auch gern. Warum haben Sie mich als Begleitperson verpflichtet? Worum geht es Ihnen wirklich? Ich kann so nicht arbeiten.«
»Ich wollte nur eine Begleitung.«
»Da hätten Sie wer weiß wen mitnehmen können. Einen Ihrer Söhne oder eine echte Freundin. Warum mich?«
»Ist das so wichtig? Sie passen bis morgen auf mich auf. Das ist alles, was ich will, und ich bezahle dafür.«
»Sind Sie in Gefahr? In dem Fall brauche ich Fakten. Ansonsten kann ich Sie nicht beschützen und setze meinen guten Namen aufs Spiel.« Katinkas Handy gab Laut. Sie zog es aus der Tasche. Eine Antwort von Hardo zu dem Foto, das sie vor Stunden geschickt hatte. »Sapperlot«, schrieb er. Sonst nichts. Katinka steckte das Smartphone weg.
»Ich verstehe nicht«, murmelte Anja.
»Wer kann Ihnen gefährlich werden, Frau Riedeisen? Und in welcher Weise?«
Anja rang die Hände. »Niemand, glaube ich. Aber … ich fühle mich unwohl hier.«
»Vorhin hatten Sie ein angeregtes Gespräch mit Gitta Krone. Da wirkte nichts feindselig. Auch nicht im Kontakt mit den Schwestern Romana und Gertrudis. Geschweige denn Ihr kleiner Flirt mit Süderbeck. Also, was ist der Punkt?«
Anja ging zum Fenster. Sie schlüpfte aus ihrem Blazer, warf ihn aufs Bett. »Sie haben sich doch einverstanden erklärt mit meinem Auftrag. Warum setzen Sie mich jetzt unter Druck?«
Katinka hatte einen Grundsatz. Sie ließ sich nicht auf Psychodiskussionen ein.
»Wer war Kirsten, Frau Riedeisen?«
Anja fuhr herum. Ihr Gesicht war käseweiß.
»Was …«
»Sie, Tobias Gebsen und Kirsten waren Freunde. Sie hatten alle ein Jahr oder etwas mehr im Internat zu verbringen, alles war neu für Sie drei. Zu Beginn