Rhöner Nebel. Friederike Schmöe
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Außerhalb des Städtchens musste Anja sich mit aller Kraft gegen den Wind stemmen. Bald taten ihr die Oberschenkel weh. Sie wünschte, sie hätte ihren Walkman mitgenommen. Erst gestern hatte sie mit Kirsten Songs aus dem Radio aufgenommen, kichernd hatten sie versucht, den Moment abzupassen, in dem die Musik startete, und sich jedes Mal geärgert, wenn die Stimme des Moderators über die ersten Takte quatschte. Mit Kirsten war alles unbeschwert. Sie hatte keine Angst, Fehler zu machen. Anders, wenn sie sich mit Martin traf. Sie fürchtete oft, sie könnte ihn abstoßen mit ganz unerwarteten Dingen, er könnte Eigenheiten an ihr entdecken, die er nicht mochte. Irgendwie hatte sie sich das Verliebtsein einfacher vorgestellt.
Die Straße wurde steiler. Die Schaltung des alten Rads ließ sich nur noch in den zweiten und dritten Gang bewegen. Anja stellte sich auf die Pedale und trat kräftig. Vielleicht wäre sie schneller, wenn sie zu Fuß ginge und das Rad schob? Wenigstens schneite es nicht. Am Straßenrand türmten sich schmutzige Schneereste, vermischt mit Split, und auf den Wiesen lag der verharschte Schnee wie ein Panzer. Der Schweiß lief ihr in den Nacken, sie hätte am liebsten die Kapuze heruntergerissen, wollte jedoch einer Erkältung keinen Vorschub leisten. Hoffentlich hatte Kirsten sie nicht angesteckt! Schade, wenn ihr soziales Jahr vorbei wäre, würde sie Kirsten wahrscheinlich aus den Augen verlieren. Selten hatte Anja sich auf Anhieb so gut mit jemandem verstanden. Ob die Freundschaft Bestand hätte, wenn sie an verschiedenen Orten studierten? Kirsten hatte neulich davon gesprochen, nach Berlin zu gehen. Und Martin? Er wollte Zivildienst leisten, hatte bereits eine Stelle in Bad Königshofen in Aussicht, wo seine Mutter lebte. Leider gab es dort keine Uni …
Ein Wagen schoss an ihr vorbei. Anja schreckte aus ihren Gedanken. Sie musste husten. Bitte keine Erkältung, jetzt kamen doch die Ferien!
Endlich wurde die Straße wieder flacher. Sie konnte im Sattel sitzend trampeln. Als die Internatsgebäude in Sicht kamen, atmete sie erleichtert auf. Schweißnass stellte sie das Rad im Geräteschuppen neben der Turnhalle ab und huschte in den zweiten Stock hinauf. Im Sekretariat in der ersten Etage brannte Licht. Sie hörte die Stimme der Sekretärin, die hektisch versuchte, jemanden am Telefon abzuwimmeln. Ansonsten war es still im Haus, wie jeden Vormittag. Unvorstellbar der Radau, der in spätestens zwei Stunden das alte Gebäude erfüllen würde. Auf der Treppe fielen ihr Wassertropfen auf. Wahrscheinlich hatte eine der Schwestern die Blumenstöcke auf den Fenstersimsen gegossen.
In ihrem Zimmer warf sie den Anorak auf das Bett und sah auf die Uhr. Sie hatte länger als eine Stunde von Mellrichstadt nach Hause gebraucht. Kein Wunder, bei dem Gegenwind. Entschlossen griff sie nach Handtuch und Shampoo. Sie würde ein Bad nehmen, sicher wäre das die beste Chance, die heranziehende Erkältung abzuwehren.
Das Badezimmer lag am Ende des Flurs. Ein hässliches altes Ding, grau gekachelt bis zur Decke, mit einer Reihe Waschbecken an der Wand und dahinter einer altmodischen Badewanne. Anja freute sich auf die Dusche zu Hause. Einer der wenigen Vorteile eines Heimatbesuchs in den Ferien.
Als sie den Korridor entlangging, stieg ihr der Geruch von Fichtennadeln in die Nase. Sie sollte nach Kirsten schauen! Wahrscheinlich war sie auch auf die Idee mit dem Bad gekommen und hatte sich nun ins Bett verkrochen. Sie kehrte um, ging die paar Schritte zu Kirstens Zimmertür. Hob die Hand, um zu klopfen. Nein. Besser, sie weckte ihre Freundin nicht. Kirsten hatte heute Morgen wirklich elend ausgesehen, wenn sie schlief, würde sie sich wenigstens erholen.
Anja ging zum Bad und öffnete die Tür. In grauem Dämmerlicht lag die Waschbeckenstraße da. Der Geruch nach Fichtennadeln wallte ihr entgegen. Fenster und Spiegel waren beschlagen. Am Rand eines Waschbeckens lagen Anziehsachen. Anja erkannte Kirstens Pulli und die geflickten Jogginghosen. Langsam machte sie ein paar Schritte. Die abgestandene, warme Luft war ihr plötzlich unangenehm. Als bekäme sie kaum Atem.
Sie glaubte, draußen auf dem Gang ein Geräusch zu hören. Drehte sich kurz zum. Die Tür war nur angelehnt. Da war niemand.
Anja spürte, wie heftig ihr Herz pochte, und schob es auf die anstrengende Fahrradtour. Ihr war, als befinde sich jemand im Raum. »Hallo?«, rief sie halblaut. Sie guckte hinter die Trennwand.
Kirsten lag in der Wanne. Unter Wasser. Ihr braunes Haar trieb darin wie die Tentakeln eines großen Tieres.
*
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