Mordsklamm. Mia C. Brunner
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»Dabei ist dir der Tote im Sudhaus nicht aufgefallen?« Der Hauptkommissar sah den Braumeister ungläubig an.
»Leider nicht. Sonst hätte ich doch ein anderes Bier ausschenken lassen und nicht dieses verdammte Leichenbier. Oh Gott, was soll jetzt aus dem Baschtl-Bräu werden?«
*
»Du bist spät«, begrüßte ihn Jessica vom Sofa aus, als er kurz vor Mitternacht endlich nach Hause kam. Florian ließ sich auf den Sessel gegenüber der Couch fallen und legte die Füße auf den Glastisch, der zwischen ihm und seiner Freundin stand. »Bist du in dem Fall denn weitergekommen? Habt ihr die Identität der Leiche schon herausgefunden?«
»Ewe sagt, männlich und mittleren Alters. Aber du kennst ihn ja. Er legt sich nicht sofort fest, obwohl ich glaube, er weiß anfangs mehr, als er zugibt. Schön, dass du auf mich gewartet hast und noch nicht schlafen gegangen bist.«
»Oh, das war keine Absicht. Bin auch gerade erst gekommen. Ich musste Paula beruhigen. Sie war sehr aufgebracht, weil sie beinahe das verseuchte Bier getrunken hätte. Und du weißt, Paula beruhigt sich nicht so schnell«, sagte Jessica, beugte sich vor und schob etwas grob die Beine ihres Freundes vom Tisch. »Meinst du, dass ich mit meinen verzweifelten Versuchen, dich zu erziehen, irgendwann Erfolg haben werde?«
Florian schüttelte lachend den Kopf. »Das glaube ich nicht«, erwiderte er, vermied es aber, die Füße erneut auf den Tisch zu legen. Stattdessen lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Meinst du, du könntest das Dirndl noch einmal für mich anziehen?«
»Das glaube ich nicht.« Jetzt war es Jessica, die den Kopf schüttelte. Sie hatte bereits ein altes T-Shirt und eine kurze Pyjama-Shorts zum Schlafen an.
»Schade«, sagte Florian enttäuscht, wechselte dann aber das Thema. »Ich habe mir deine norddeutschen Trachten vorhin im Internet angesehen. Berthold hat mich nach Hause gefahren, da konnte ich die Zeit im Auto nutzen.«
»Und? Nicht sexy, oder?«, fragte Jessica und zwinkerte ihrem Freund zu.
Florians Blick verriet, dass er anderer Meinung war. Er biss sich auf die Unterlippe und ließ Jessica nicht aus den Augen. »Schade, dass du keine solche typische Hamburger Tracht besitzt. Die sieht so schön streng aus. Du würdest darin wirken wie eine strenge Lehrerin. Eine sexy strenge Lehrerin.«
»Und das würde dir gefallen?« Jessica klang amüsiert und entsetzt zugleich, lachte aber, als Florian eifrig nickte.
»Zieh doch das Dirndl noch einmal für mich an. Nur ganz kurz. Nur, bis wir im Schlafzimmer sind. Bitte«, flehte er und schaute treuherzig zu ihr hinüber.
»Du bist unmöglich«, schimpfte Jessica gespielt empört. »Ich verrate dir etwas: Ich habe tatsächlich eine norddeutsche Tracht. Die ziehe ich jetzt an und dann schauen wir mal, wie es so um deine Algebra und deine Grammatik bestellt ist.« Sie verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal zu ihm umzusehen.
Als sie kurz darauf das Wohnzimmer wieder betrat, erwartete sie, dass Florian vor Lachen vom Sessel kippen und sich nicht mehr einkriegen würde.
Doch ihr Freund saß noch genauso ruhig auf dem Sessel, wie sie ihn verlassen hatte, und musterte sie von oben bis unten. Er sah aus, als wäre er nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen, denn er rührte sich keinen Millimeter und atmete flach. Sein Blick hatte etwas Lauerndes.
»Und? Gefällt dir meine norddeutsche Tracht? Hochgeschlossen – wie ich gesagt habe«, plapperte Jessica drauflos und zwinkerte ihm erneut zu. »Aber streng finde ich das eigentlich nicht.«
Es vergingen einige Sekunden, bevor er auf ihre Frage reagierte.
»Was trägst du drunter?«, wollte er wissen, beugte sich vor, rieb seine Hände an dem Jeansstoff seiner Oberschenkel und ballte sie zu Fäusten. Jetzt hielt er die Luft an. Er sah aus wie ein wildes Tier, das sich zum Angriff bereit machte.
»Nichts«, sagte Jessica leise. »Siehst du – absolut nichts!« Mit einem Ruck riss sie alle silbernen Druckknöpfe an ihrem quietschgelben Friesennerz auf einmal auf und präsentierte Florian dieses Nichts mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
7
Das Erste, was Florian dachte, als er am späten Sonntagmorgen das Präsidium betrat und in seinem Büro den Besitzer des Baschtl-Bräu begrüßte, war, ob alle Brauerei-Inhaber so gut aussahen. Der Mann vor ihm trug eine beige Sommerhose, ein luftiges dunkelblaues Hemd mit kurzen Ärmeln, teure Schuhe und eine goldene Armbanduhr. Außerdem hatte er dieses smarte Aussehen eines Hollywoodschauspielers der 60er-Jahre.
Seine Kollegen hatten den Mann direkt am Flughafen abgepasst und hergebracht. Er wirkte beunruhigt, machte aber trotzdem einen souveränen und selbstbewussten Eindruck.
»Wer ist denn nur der arme Mann, den Sie in meiner Brauerei gefunden haben, Herr Hauptkommissar? Ihre Kollegen waren leider nicht sehr auskunftswillig.« Sebastian Lenz, der Brauerei-Inhaber, der seinem Aussehen nach unter 40 Jahre alt war, setzte sich ungefragt auf den Besucherstuhl an Florians Schreibtisch und blickte erwartungsvoll zu ihm auf.
Florian ging um den Schreibtisch herum und setzte sich ebenfalls. »Leider kann ich Ihnen auch nicht mehr sagen, Herr …«, er schaute auf die Notizen vor sich auf dem Tisch, »Herr Lenz. Haben Sie eventuell eine Idee, wer die Person sein könnte?«
Der Brauereibesitzer schüttelte bedauernd den Kopf. »Da fällt mir absolut niemand ein. Tut mir leid. Ach, es ist furchtbar. Wer macht denn so etwas Grausames?«
»Vermutlich jemand, der Sie nicht mochte. Immerhin hat der Täter Ihnen einen großen finanziellen Schaden zugefügt. Gibt es jemanden, der Ihnen Ihren Erfolg neidet? Oder der Sie aus persönlichen Gründen nicht mag? Es muss nicht direkt mit Ihrem Geschäft zu tun haben.«
»Ja, dieser Vorfall ist bitter für die Brauerei. Ich hoffe, wir schaffen es, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Wir sind erst seit ein paar Monaten in der Region und haben einige neue Kunden. Es wird wohl schwierig werden, diese Kunden zu halten. Und vertuschen lässt sich die Sache kaum mehr bei all den Zeugen auf dem Sommerfest. Herrgott, das ist wirklich tragisch und wird mir finanziell das Genick brechen – vermutlich«, sinnierte Lenz, ohne dabei jammernd oder bemitleidenswert zu klingen. Er analysierte seine Situation realistisch und neutral.
»Aber wer will Ihnen schaden?«, erinnerte Hauptkommissar Forster den Brauereibesitzer an seine letzte unbeantwortete Frage.
»Niemand«, kam es spontan von Herrn Lenz, bevor er seine Stirn in Falten legte und auf einen Punkt an der Wand hinter dem Hauptkommissar starrte. »Natürlich habe ich Konkurrenten. Meine recht junge Brauerei hat den alteingesessenen zwar den einen oder anderen Kunden abspenstig gemacht, doch ich kenne die Besitzer der umliegenden Brauereien, und keiner von denen würde einen Menschen töten. Wirklich nicht!«
»Geben Sie mir bitte trotzdem die Adressen der Brauereien und die Namen der Inhaber«, sagte Florian, bevor er sich einige Notizen auf einem losen Zettel machte. »Wir wissen noch nichts Genaues über den Todeszeitpunkt. Fest steht jedoch, dass die Leiche ins Bier geworfen und mitgekocht wurde. Sie lag bei der späteren Reinigung bereits im Sudkessel. Deshalb vermuten wir als Todeszeitpunkt den 21. Juni, Sommeranfang. Wo waren Sie denn, als dieser spezielle Sommersonnenwend-Sud eingebraut wurde?«
»Das