Blutheide. Kathrin Hanke

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Blutheide - Kathrin Hanke

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paar Münzen oder Ähnliches war. Für Katharina war so ein Gürtel der Inbegriff von Spießigkeit, aber für solche Gedanken war jetzt nicht der richtige Moment. Es dauerte etwas, bis der Verschluss sich aufziehen ließ. Sie konnte ein kleines Stück Papier sehen, wollte es aber lieber nicht herausziehen, aus Angst, es vielleicht zu beschädigen.

      »Hier ist was. Können Sie das heil rausbekommen? Vielleicht finden wir da ja einen Hinweis auf seine Identität.«

      Der Kollege war augenscheinlich nicht begeistert, dass ihm das Gürtelfach bisher nicht aufgefallen war, schnappte sich aber kommentarlos eine Pinzette und zog einen mehrfach zusammengefalteten Zettel hervor.

      »Und?«, fragte Katharina neugierig.

      »Hm, auf jeden Fall ist es kein zusammen geknuddelter Kassenbon«, erwiderte Bodo, der die Pinzette mitsamt dem Zettel vor seinen Augen hin und her wendete und dann Katharina vor die Nase hielt.

      »Das Papier sieht eher wie Notizpapier aus und es scheint etwas darauf geschrieben zu sein. Sehen Sie, an den Ecken hat er eine blassblaue Färbung, wie von verlaufener Tinte. Wollen Sie ihn gleich mitnehmen?«, fragte er Katharina. »Ich denke, Sie sollten ihn aber etwas trocknen lassen, bevor Sie ihn auseinanderfalten.«

      Katharina nahm eines der Plastiktütchen, die sie stets mit sich trug, aus ihrer Jackentasche, und der Kollege ließ das durchnässte Stück Papier vorsichtig hineingleiten. »Danke, ja. Vielleicht hilft es uns ja tatsächlich weiter.«

      Nachdem sie die Tüte vorsichtig in der Innentasche ihrer Lederjacke verstaut hatte, sah Katharina sich erneut am Tatort um. Dabei entdeckte sie einen Mann um die 40, der mit einer Kamera durch die Gegend lief und Fotos machte. Der Polizeifotograf war es nicht, den hatte sie schon gesehen, als sie angekommen waren. Sie ging auf den Mann zu, doch Rehder kam ihr zuvor.

      »So, so, die Presse ist also auch schon wieder vor Ort. Hallo, Toffi.« Kommissar Rehder gab dem Typen mit der Kamera die Hand. »Hör zu, du kennst das Spiel. Direkt am Tatort hast du nichts zu suchen, die Absperrung gilt auch für dich, okay?«

      »Schon gut, Benjamin, ich bin ja gleich weg. Ich mach hier auch nur meinen Job, genauso wie du.«

      Mürrisch bückte sich der Mann mit der Kamera unter dem Absperrband hindurch und trat zwischen die Zuschauer, die immer noch nicht die Lust am Gaffen verloren hatten.

      Katharina trat neben ihren Chef. »Toffi? Was ist denn das für ’n Vogel?«

      Benjamin Rehder musste grinsen. »An den müssen Sie sich gewöhnen. Toffi, also eigentlich Christofer Saalbach, schreibt für den ›Lüneblick‹, das ist hier die örtliche Tageszeitung. Den kenn ich schon seit meiner Schulzeit, war damals auch schon etwas schräg drauf. Er kennt jeden in Lüneburg und ist immer als erster Reporter vor Ort. So unscheinbar er wirkt, von seinem Job scheint er was zu verstehen, auch wenn das aus unserer Sicht nicht gerade immer angenehm ist. Er nervt ziemlich, zieht aber schnell Leine, wenn man einen etwas schärferen Ton anschlägt. Die leidige Presse halt. Haben Sie noch irgendwas Wichtiges entdecken können, oder sind wir hier erstmal durch?«

      »Wie man’s nimmt. Im Gürtel des Opfers hab ich einen Zettel gefunden, den hab ich schon an mich genommen. Wenn wir zurück auf der Dienststelle sind, werde ich ihn trocknen und versuchen, ihn heil auseinander zu falten. Vielleicht wissen wir dann, wer der Tote ist. Jana Helm, das junge Mädchen, das die Leiche gefunden hat, steht noch ziemlich unter Schock. Zur Not werden wir sie noch mal aufs Präsidium bestellen müssen, eben war nicht viel aus ihr herauszubekommen. Aber ich denke, mehr können wir hier im Moment nicht machen.«

      »Gut, dann tun wir dem Direktor einen Gefallen und verschwinden.«

      Zurück auf der Dienststelle nahm Katharina die Tüte mit dem sichergestellten Papierstück aus der Jacke, holte den Zettel mit einer Pinzette vorsichtig heraus und legte ihn auf die Fensterbank in die Sonne. Sie überlegte kurz, ob sie irgendwo einen Fön organisieren könnte, entschied dann aber, dass die Sonnenstrahlen genauso gut funktionieren müssten. Dann schnappte sie sich die bereits angelegte Akte des anderen Falles, von dem Rehder ihr am Morgen berichtet hatte. Bezüglich der Wasserleiche musste sie jetzt sowieso erst mal auf die ersten Untersuchungsergebnisse aus KTU und Pathologie warten.

      Bei dem vorhergegangenen Mordfall war das Opfer eine junge Studentin, 23 Jahre alt und Single. Sie war von einem Auto überfahren worden, und zuerst hatte alles nach Fahrerflucht ausgesehen. Dann war jedoch bei der Obduktion festgestellt worden, dass sie bereits tot gewesen war, bevor das Auto sie überrollte. Darum ging der Kommissar davon aus, dass der Täter versucht hatte, durch das Überfahren mit dem Auto den eigentlichen Mord zu vertuschen. Bisher gab es keinen einzigen Verdächtigen, nicht einmal einen wirklichen Ansatz. Auch die bereits in der Nacht informierte Familie – die Studentin war gebürtige Lüneburgerin – hatte keine hilfreichen Aussagen machen können. Katharina begann, die Akte noch einmal von vorn zu lesen. Vielleicht konnte sie ja doch einen entscheidenden Hinweis entdecken, um damit ihren Chef davon zu überzeugen, dass sie ihren Job gut machte und nicht nur hier in Lüneburg war, um amouröse Abenteuer zu erleben.

      17.42 Uhr

      Benjamin Rehder saß an seinem Schreibtisch. Sein Büro war nur durch eine Glaswand vom Nebenraum getrennt, sodass er die neue Kollegin an ihrem Arbeitsplatz sehen konnte. Normalerweise setzte er sich zusammen mit den anderen ins Großraumbüro, weil es einfach hilfreich war, um sich über den jeweils gerade aktuellen Fall untereinander auszutauschen. Manches Mal wusste er jedoch den Luxus zu schätzen, als ranghöchster Kommissar der Dienststelle auch ein eigenes Büro zu haben, in das er sich in besonderen Situationen zurückziehen konnte. Jetzt war so eine besondere Situation: Mit allem hatte er am Tatort gerechnet, mit nervenden Schaulustigen, mit der kaum vermeidbaren Presse in Gestalt des Lokalreporters Saalbach … aber ganz sicher nicht damit, dass sein Zwillingsbruder ihm plötzlich gegenüberstehen würde. Er war sich sicher, nach außen einen gelassenen Eindruck gemacht zu haben, was ihm wichtig war, doch in ihm drin hatte es definitiv anders ausgesehen. Acht Jahre war es her, dass sie sich zuletzt gesehen hatten. Dazwischen hatte es nur einige wenige Telefonate und ein paar Informationen durch seine Eltern gegeben.

      Er entließ ein »Pffffff« aus seinen gespitzten Lippen. Erst gestern hatte er an Benedict gedacht und ihn anrufen wollen. Benjamin Rehder fragte sich, seit wann sein Bruder wieder in der Stadt war und vor allem warum. Er schwankte zwischen Freude und Verunsicherung. Ohne Frage hatte ihm sein Bruder gefehlt. Doch es war einfach zu viel passiert in der Vergangenheit, als dass er sich jetzt unvoreingenommen freuen konnte. Er fühlte in sich hinein, ob er enttäuscht darüber war, dass Bene sich nicht gleich bei ihm gemeldet hatte, um ihm zu sagen, dass er wieder in Lüneburg war. Überrascht stellte er fest, dass es nicht so war. Er konnte seinen Zwilling sogar ein wenig verstehen, hatte er ihm doch damals mehr als deutlich gemacht, wie sehr er sein Verhalten und seine lockere Einstellung zum Leben verachtete. Ob Bene hier wohl wieder Fuß fassen wollte? Oder stattete er der alten Heimat nach all den Jahren nur einen kurzen Besuch ab und hatte es deswegen sowieso für unnötig befunden, sich bei ihm zu melden? Egal, wie es war, fest stand: Sie würden reden müssen. So bald als möglich. Am besten jetzt gleich. Zu lang schon hatte er, Ben, geschwiegen. Rehder wollte schon zum Telefon greifen, um seinen Bruder um ein Treffen zu bitten, als sein Blick erneut durch die Glasscheibe seines Büros auf Katharina von Hagemann fiel. Etwas musste er zuerst erledigen, bevor er mit Benedict sprechen würde. Er stand auf, ging in den Nebenraum und sprach Katharina an, die in eine Akte vertieft war. »Frau von Hagemann, wie sieht es aus – gehen wir zusammen ein Glas Wein trinken? Sozusagen, um auf Ihren Einstand anzustoßen?«

      Die neue Kollegin sah ihn etwas ungläubig an, und Benjamin Rehder war klar, dass er nicht sonderlich glaubhaft geklungen hatte. »Okay, ich sage es lieber gerade heraus: Ich muss mit Ihnen sprechen und ich würde das lieber in einer etwas unbürokratischeren Umgebung tun.«

      18.13

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