Blutheide. Kathrin Hanke
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»Hier im Lebrello gibt es wenigstens noch einen anständig großen Raucherbereich, ich dachte mir, das wäre Ihnen ganz recht.« Benjamin Rehder riss Katharina aus ihren Gedanken, als er den Aschenbecher auf den Tisch stellte und sich ihr gegenüber setzte.
Katharina war sich nicht sicher, wie er das meinte. Bisher konnte sie ihn einfach nicht einschätzen, und sie hoffte inständig, dass sich das bald ändern würde. »Ja sicher, danke, aber wenn es Sie stört, dann können wir auch …«
»Nein, nein, ich rauche selbst ab und zu, wenn mir danach ist, und heute ist mir definitiv danach.« Rehder holte eine Schachtel Zigarillos aus seiner Hosentasche und bot Katharina einen an.
»Danke, aber ich bleib bei meinen eigenen«, lehnte Katharina freundlich ab, zündete sich selbst eine ihrer Zigaretten an und sah ihrem Chef erwartungsvoll ins Gesicht.
»Hören Sie, Frau von Hagemann …« Rehder stockte. »Eines vielleicht vorweg: Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber die meisten von uns auf der Dienststelle duzen sich. Wenn Sie damit kein Problem haben, würde das einiges vereinfachen.«
Katharina musste schmunzeln. »Ich weiß, das mit dem ›von‹ ist nervig. Meinetwegen können wir uns gern duzen.«
»Gut, dann wäre das ja schon mal geklärt, meinen Vornamen kennen Sie – kennst du ja bereits. Wobei, die meisten nennen mich einfach Ben.«
Benjamin wusste nicht so recht, wie er beginnen sollte. »Also, Katharina, du kennst ja nun meinen Zwillingsbruder, und ich möchte dazu gern etwas sagen, bevor du es von anderer Seite erfährst.«
20.51 Uhr
Katharina schlenderte langsam durch die Straßen. Für den ersten Tag im neuen Leben war da eine ganze Menge los gewesen, und sie war ganz froh, sich jetzt auf dem Weg vom Lebrello zu ihrer Wohnung noch ein bisschen den Abendwind um die Nase wehen lassen zu können. Bis eben hatte sie mit Benjamin im Bistro gesessen. Sie hatten nicht über ihre Münchner Zeit gesprochen, Ben hatte ihre Vergangenheit mit keinem einzigen Wort angesprochen. Dafür hatte Katharina einiges erfahren, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Sie versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Wie Benjamin ihr berichtete, hatten Benedict und er sich seit acht Jahren nicht mehr gesehen. Seit Benedict Lüneburg verlassen hatte. Und bis heute Morgen hatte ihr Chef offenbar keine Ahnung davon gehabt, dass sein Zwilling zurückgekehrt war. Als Katharina nachgefragt hatte, warum Benedict weggegangen war, und vor allem warum die beiden keinen Kontakt gehalten hatten, merkte sie Benjamin sofort an, dass ihm dieses Thema ziemlich unangenehm war. Dann hatte sie erfahren, dass Benedict damals offenbar das eine oder andere krumme Ding gedreht hatte. Wohl nichts Großes, aber immerhin ausreichend, als dass es für seinen Bruder bei der Polizei äußerst unangenehm war. Genauer hatte Benjamin sich da nicht geäußert, und sie hatte nicht neugierig erscheinen wollen. Sie empfand es ohnehin als ziemlichen Vertrauensvorschuss, dass er ihr so offen davon erzählte. Benjamin hatte ihr auch noch einmal erklärt, dass er ihr lieber selbst die Umstände erklären wollte, bevor sie in den kommenden Tagen von Kollegen auf der Dienststelle oder anderen, die beide Brüder kannten, irgendwelche Halbwahrheiten hören würde. Schließlich war es vor acht Jahren wohl so weit gekommen, dass Benedict sich ziemlich reingeritten hatte, und nur durch die Hilfe seines Bruders hatte er einer Anklage entgehen können. Benjamin selbst hatte seine Karriere bei der Polizei damit riskiert, und das hatte den Bogen endgültig überspannt. Benedict verließ Lüneburg, und bis auf seltene Lebenszeichen bei seiner Mutter oder noch seltenere Telefonate mit Benjamin war die Verbindung abgerissen.
Katharina wusste nicht recht, ob sie beeindruckt oder eher schockiert davon sein sollte, wie glatt ihr Chef die Situation am Morgen überspielt hatte. Wenn sie selbst sich in die Situation hineinversetzte, hätte sie es niemals geschafft, so abgeklärt zu reagieren, wenn der lang verschwundene Bruder so unverhofft vor ihr gestanden hätte, noch dazu unter diesen Umständen. Konnte ihr neuer Chef seine Gefühle so gut verbergen, oder hatte er vielleicht kaum welche? Zu Katharinas Erleichterung war Benjamin nach seinem Bericht mit keinem Wort darauf eingegangen, dass sie und Benedict sich zu kennen schienen. Und sie selbst hatte zum jetzigen Zeitpunkt nach wie vor keinerlei Anlass gesehen, ihm davon zu erzählen. Auch Benjamin Rehders Offenheit ihr gegenüber hatte ihre Einstellung dazu nicht geändert. Was für ein Bild sie in den Augen ihres Chefs sonst abgeben würde, konnte sie sich lebhaft vorstellen. Und auch wenn er sich seinen Teil sicher dachte, musste sie das ja nicht unbedingt bestätigen.
Benjamin hatte Katharina abschließend nur gebeten, die Geschehnisse aus seiner Vergangenheit für sich zu behalten, trotzdem er meinte, dass alle im Kommissariat Bescheid wussten. Aber er wollte das Gerede darüber nicht neu entfacht sehen – für Katharina eine Selbstverständlichkeit, sie war noch nie ein Tratschmaul gewesen, und damit war das Thema vom Tisch. Dann hatten sie noch kurz über die beiden aktuellen Fälle gesprochen, bevor sie sich verabschiedeten.
Als Katharina nun in ihre Wohnung kam, fühlte sie sich unangenehm verloren. Der ganze Tag war so vollgepackt gewesen, dass sie keine Zeit gehabt hatte, sich richtig unwohl zu fühlen, doch jetzt kam alles auf einmal in ihr hoch. Die neue Stadt, der neue Job … Ganz abgesehen von der vertrackten Situation mit Bendedict, der ihr – unabhängig von dem unverhofften Wiedersehen – öfter durch den Kopf geisterte, als ihr lieb war. Und diese vermaledeite Namensähnlichkeit mit ihrem Chef tat ihr Übriges dazu. Was hatten sich die Eltern wohl dabei gedacht? Brüdern – und dann auch noch eineiigen Zwillingen – fast gleiche Namen zu geben, das war doch grausam. Das konnte ja nur zu Verwirrung bei anderen führen! Katharina beschloss, sofort ins Bett zu gehen, um den trüben Gedanken erst gar keine Chance zu geben, sich weiter auszubreiten. Sie rauchte am offenen Fenster noch eine Zigarette, bevor sie sich auf den Futon legte und einschlief, ehe sie wieder ins Grübeln verfallen konnte.
Gedicht
Und all die seidenen Kissen
Gehörten deinem Mann.
Doch uns schlug kein Gewissen.
Gott weiß, wie redlich untreu
Man sein kann.
Weißt du noch, wie wir’s trieben,
Was nie geschildert werden darf?
Heiß, frei, besoffen, fromm und scharf.
Weißt du, dass wir uns liebten?
Und noch lieben?
Man liebt nicht oft in solcher Weise.
Wie fühlvoll hat dein spitzer Hund bewacht.
Ja unser Glück war ganz und rasch und leise.
Nun bist du fern.