Alles Geld der Welt. Gerhard Loibelsberger
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»Wünsche einen wunderschönen guten Tag, Euer Gnaden. Bitte kurz Platz zu nehmen. Stehe in Kürze zu Diensten.«
Huber nahm auf einem der Fauteuils im Salon Platz, während der Meister einem wohlbeleibten Mann mit klappernder Schere dessen schütteres Haar fassonierte. Huber entspannte sich, schnupperte mit Wohlbehagen die von diversen Rasier- und Haarwässern geschwängerte Atmosphäre, faltete die Hände über dem Bauch zusammen und atmete tief durch. Endlich einmal an nichts Geschäftliches denken. Doch dieser Augenblick der Entspannung war schnell zerstört, als der Wohlbeleibte zu dozieren begann:
»Dank meines untrüglichen G’spürs für die Börse hab ich Ende des letzten Jahres dreißigtausenddreihundertfünfundvierzig Gulden lukriert. Lauter erstklassige Papiere, in die ich mein Geld angelegt hab’. Und wissen Sie was, ich verputz’ das Geld nicht. Nein, ein Alzerl20 nehm’ ich mir fürs Vergnügen, und den Rest investier’ ich neuerlich. Weil man das Heu ernten muss, solange es geht. Ich sag’ Ihnen, mein lieber Pöltl, wir erleben zurzeit eine Jahrhunderthausse. Und die wird anhalten, weil ja auch noch die Weltausstellung kommt. Da werden die Aktienkurse erst recht den Plafond durchbrechen. Eine Million! Eine Million Besucher wurden für die Weltausstellung prognostiziert. Wissen Sie, was das heißt? Dass gebaut wird ad infinitum. Deshalb investiert ein jeder, der g’scheit ist, in Baugesellschaften. In fünfzehn solcher Gesellschaften habe ich mittlerweile mein Vermögen gesteckt. Und wissen Sie was? Es trägt ungeahnte Früchte. Natürlich nicht eine jede Gesellschaft. Aber alle tragen ihr Scherflein zum Wachstum meines Wohlstands bei. Die einen mehr, die anderen weniger.«
Pöltl legte die Schere zur Seite und griff zu einer Glaskaraffe, aus der er einige Spritzer Lotion auf das sehr lichte Haar seines Kunden verteilte. Dann begann er gefühlvoll, den Schädel des beleibten Mannes zu massieren. Der schloss genussvoll die Augen, und Pöltl seufzte:
»Wissen S’, ich bin halt a bisserl misstrauisch, was die Börse betrifft. Ein guter Kunde von mir, der Baron von Strauch, hat mir erst unlängst wieder geraten, mein mühsam Erspartes nirgendwo sonst hin als in meinen Sparstrumpf zu stecken.«
Ernst Xaver Huber wurde aus seinen Gedanken gerissen. Da schau her! Heinrich von Strauch lässt sich hier rasieren. Na, dann bin ich als sein neuer Kompagnon ja bestens aufgehoben. Einem Impuls folgend, räusperte sich Huber, stand auf und machte eine angedeutete Verbeugung vor den beiden Herren:
»Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle: Dr. Ernst Xaver Huber mein Name. Direktor und Miteigentümer der Strauch & Compagnon Bank-Actiengesellschaft.«
Dem Friseurmeister fiel fast der Spiegel aus der Hand, den er dem Wohlbeleibten gerade vor die Nase hielt, damit dieser den Sitz seiner Frisur überprüfen konnte. Der Dicke erhob sich schnaufend und schüttelte Huber die Hand:
»Müller. Hofrat Bonifazius Müller. Sehr angenehm, Herr Direktor.«
»Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite. Erlauben Sie, dass ich Ihnen meine Visitenkarte überreiche? Ich habe beiläufig mitgehört, dass Sie ein ganz engagierter Anleger sind, Herr Hofrat. Schaun S’ doch einmal bei mir in der Bank vorbei. Ich glaub’, ich hätte da einige ganz ausgezeichnete Börsentipps für Sie.«
»Das klingt ja sehr interessant. Wie wär’s denn mit Freitagnachmittag? Da geh ich immer etwas früher aus dem Ministerium weg.«
»Ausgezeichnet. Nach dem Mittagessen? So um halb drei?«
»Wunderbar. Ich freu’ mich.«
Hofrat Müller zahlte, verabschiedete sich und verließ wohlgelaunt den Salon. Huber nahm auf dem Barbierstuhl Platz, atmete tief durch und schloss vor Genuss die Augen, als der Barbier feuchte, warme Tücher auf seine Wangen und seine Mundpartie legte.
»Wie wünschen denn der Herr Direktor die Rasur?«
»Na, ganz normal. Der Backenbart gehört gestutzt.«
»Wünschen der Herr Direktor den Backenbart nach neuester Mode geschnitten?«
»Wie wär das denn?«
»Nun, da müssten wir a bisserl mehr schneiden. Der Elegant21 trägt heutzutage kleinere Bartkoteletten, als es der Herr Direktor derzeit tut. Außerdem würde ich Euer Gnaden empfehlen, sich eine Moustache wachsen zu lassen. Kleine Bartkoteletten und dazu ein fescher Moustache sind der dernier cri.«
»Na, dann mach ma das halt.«
Pöltl entfernte die warmen Tücher, griff zu Seife und Pinsel und begann die zu rasierenden Stellen einzuseifen. Dabei sparte er mit Bedacht die Oberlippe seines Kunden aus, dort, wo in Zukunft ein Moustache sprießen sollte. Danach hörte Huber, wie der Barbier das Rasiermesser schleifte. Zurückgelehnt, den nackten eingeseiften Hals einem fremden Mann entgegenreckend, fühlte sich Ernst Xaver Huber plötzlich unwohl. Als aber die scharfe Klinge von sicherer Hand geführt über seine Gesichtshaut glitt, entspannte er sich. Zwischendurch kam an seinem Backenbart auch die Schere des Meisters zum Einsatz, und als das Verschönerungswerk vollbracht war, staunte Huber. Mit den massiv zurechtgestutzten Bartkoteletten, dem frisch und fröhlich sprießenden Moustache auf seiner Oberlippe und den glatt rasierten, vom Einsatz eines wunderbar duftenden Rasierwassers prickelnden Stellen der Gesichtshaut fühlte Ernst Xaver Huber sich wie neu geboren. Das war nicht mehr das alte, von einem Rauschebart umgebene Gesicht eines hart arbeitenden Bankbeamten, sondern das elegante Gfrieß22 eines Entrepreneurs. Während er sich von seinem Spiegelbild kaum losreißen konnte, räusperte sich Meister Pöltl im Hintergrund und sagte in schmeichelndem Tonfall:
»Fesch. Sehr fesch schaut er aus, der Herr Direktor.«
Huber nickte zufrieden, stand auf, vereinbarte für den übernächsten Morgen einen Termin, zückte sein Portemonnaie, und im Zuge des Bezahlvorganges sagte Pöltl plötzlich:
»Ich täte Euer Gnaden gerne etwas fragen.«
»Worum geht’s denn?«
»Ums Geld. Ums liebe Geld.«
»Na, da sind S’ bei mir an der richtigen Adresse. Wollen S’ am Ende gar ein bisserl was in Aktien anlegen?«
»Meine Frau drängt mich so. Viel hab’ ich ja nicht …«
»Aber ich bitt’ Sie. Niemand muss heute viel Geld haben, um an der Börse zu investieren.«
»Ah so?«
»Es ist ganz einfach: Sie haben ein bisserl eigenes Geld, und dazu nehmen Sie einen Kredit zu, sagen wir … fünf Prozent … auf. Alles zusammen geben Sie mir, und wir machen ein sogenanntes Kostgeschäft.«
»Ein Kostgeschäft?«
»Jawohl. Sie kaufen mit dem eigenen und dem geborgten Geld Aktien. Diese Papiere geben Sie der Strauch & Compagnon Bank-Actiengesellschaft in Kost. Das heißt, Sie zahlen ein halbes Prozent per Woche dafür, dass wir die Papiere auszahlen und so lange aufheben, bis sie ihren Wert vervielfacht haben. Dann verkaufen Sie die Papiere, zahlen