Der rosa Wolkenbruch. Dorothea Böhmer

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Der rosa Wolkenbruch - Dorothea Böhmer

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am nächsten Abend zurück war, deckte er sorgfältig den Tisch für das Abendessen, rückte die Kerzenleuchter zurecht, faltete die Servietten und stellte Rotweingläser neben die Teller. Er mochte es, stilvoll zu essen und Julie zu verwöhnen. Julie ließ sich gerne verwöhnen. Es war für sie eine neue Erfahrung, denn zu Hause war sie in keinster Weise verwöhnt worden.

      Christian ließ seinen Blick prüfend über den Tisch gleiten.

      „Weißt du, wo ich heute Morgen war?“ Er zupfte das Tischtuch zurecht.

      Julie angelte konzentriert im Topf nach den Tagliatelle, um zu prüfen, ob sie fertig waren. Ständig rutschen ihr die Teigbänder vom Kochlöffel.

      „Hm? Nein.“

      „Ich war auf dem Einwohnermeldeamt.“

      Sie hatte es immer noch nicht geschafft, Nudeln über den Kochlöffel zu hängen. Sie legte ihn weg und nahm den großen Schöpflöffel aus der Tischschublade.

      „Wie schön du gedeckt hast.“

      Ja, so war es kein Problem mit den Nudeln.

      „Ich habe alle Unterlagen besorgt, die wir für unsere Hochzeit brauchen.“

      Der Schöpflöffel platschte in den Topf. Christian stand jetzt neben Julie und fischte den Löffel samt Nudeln heraus.

      „Die Papiere sind nur ein halbes Jahr gültig.“

      Es dauerte ein paar Sekunden, bis Julie die Sprache wieder fand.

      „Das ist ein Heiratsantrag, stimmt´s?“ Sie sah ihn verdutzt an. „Dann könnten wir nach dem Essen eine Liste machen von den Leuten, die wir einladen wollen.“ Übermütig hüpfte sie durch das Zimmer. „Du darfst jetzt die Braut küssen.“

      „Wie denn, wenn sie nicht ruhig hält!“

      Beide waren ausgelassen und gleichzeitig bewegt. Christian ließ Julie nicht mehr los und tanzte mit ihr durch die kleine Wohnung. Dann öffnete er den Kühlschrank und holte eine Flasche Sekt heraus, die er ganz hinten versteckt hatte.

      Julie hielt Christian zwei Sektschalen entgegen, als er den Korken knallen ließ. „Auf uns.“ Die Gläser klirrten.

      Bei Tisch wurde Christian kleinlaut. „Aber meinen Eltern müssen wir es gemeinsam sagen, alleine traue ich mich nicht.“

      Julie drehte ihre Nudeln auf die Gabel. „Erinnerst du dich an den Satz Was mich nicht umbringt, macht mich stärker? Ich weiß jetzt, auf was sich der bezogen hat, auf unsere Eltern!“

      ***

      Dass ihre unverheiratete Tochter mit einem Mann zusammenlebte, wollten Julies Eltern nicht wahrhaben und taten vor sich und anderen alles, um es zu verbergen. Aber die hartnäckigen Fragen von Tante Lisbeth nach der Wohnform von Julie und Christian waren immer schwerer zu beantworten und wurden langsam lästig. Deshalb waren Julies Eltern über die Aussicht auf eine Hochzeit heilfroh.

      Christians Eltern waren hingegen entsetzt. Wie versteinert saßen beide beim Abendbrot, als Christian die Neuigkeit verkündete. Er hatte es den ganzen Tag vor sich hergeschoben, obwohl ihm Julie oft mit rollenden Augen ermutigend zugenickt oder einen kleinen Stoß in die Rippen verpasst hatte.

      „Wir wollen keine Beschwerden hören, wenn es schiefgeht“, war der einzige Satz seiner Mutter.

       10

      Julie lag immer noch mit verquollenen Augen auf dem Gästesofa in ihrem Wohnzimmer. Sie hatte das Bettzeug zurückgeschlagen und starrte an die Decke. Fast fünf Jahre waren Christian und sie verheiratet. Julie arbeitete als freiberufliche Bildredakteurin für verschiedene Zeitschriften, Christian war für Mitarbeitertrainings bei einer Bank verantwortlich.

      Obwohl es inzwischen heller Vormittag war, fühlte sich Julie wie gelähmt, unfähig aufzustehen. Was sollte der Tag ohne Christian, ohne gemeinsam mit ihm Pläne zu machen. Eigentlich musste sie mit verschiedenen Agenturen telefonieren, sie brauchte Fotos, um einen Artikel über Gärten und Parkanlagen zu bebildern. Aber wen interessierte der Artikel? Ihr war er jedenfalls gleichgültig, ihr war alles gleichgültig. Sie drückte sich das Kissen aufs Gesicht und war entschlossen zu warten, dass der Tag vorüber gehen würde.

      Irgendwann, sie hatte jedes Zeitgefühl verloren, zwang sie sich, klar zu denken. Sie musste mit jemanden reden, um nicht verrückt zu werden. Schon vor längerer Zeit, vielleicht vor zwei Jahren, hatte sie mit Sophie darüber gesprochen, dass Christian sich nur für sie, Julie, nicht aber für andere Frauen interessierte, ihm aber Männer auffielen, und zwar dieselben, die auch Julie auffielen. Ja, sie würde Sophie anrufen. Wenn sie nur aufstehen könnte.

      Schließlich schaffte sie es, sich ins Bad zu schleppen. Christian war in der Nacht nicht heimgekommen. Alles sah genauso aus wie gestern, als sie ins Bett gegangen war. Weder hing seine Jacke an der Garderobe, noch standen seine Schuhe im breiten Flur. Auch in der großen Wohnküche wies nichts darauf hin, dass er da gewesen war.

      ***

      Sophie war in Eile. Sie hatte der Schülerin, die regelmäßig auf ihre beiden Kinder aufpasste, letzte Anweisungen gegeben. Gerade wollte sie das Haus verlassen, um in die Apotheke zu gehen, in der sie Teilzeit arbeitete, als das Telefon läutete.

      „Hallo Julie, was ist los, dass du mittags anrufst?“

      Mit Tränen erstickter Stimme sagte Julie: „Christian und ich werden uns trennen.“

      Sophie musste lachen, obwohl sie merkte, wie ernst es Julie war, aber vielleicht auch deshalb. „So ein Unsinn. Ihr habt maximal eine Ehekrise, ihr werdet euch nicht trennen. Was ist passiert, worüber habt ihr gestritten?“

      „Wir haben nicht gestritten. Christian hat mir gestern eröffnet, dass er es nicht mehr aushält und seine homosexuellen Neigungen ausleben muss. Hast du heute Abend Zeit, können wir uns treffen? Kann ich zu dir kommen?“

      „19.00 Uhr? Oder ist dir das zu früh?“

      „Nein, je früher, desto besser.“

      „Kopf hoch, es ist alles halb so schlimm.“

      Julie spürte, dass Sophie auf dem Sprung war. „Bis heute Abend.“

      „Bis heute Abend.“

      Julie stand mit dem Telefon am Fenster und starrte hinaus. Die belebte Straße. Alles kam ihr unwirklich vor. Sie konnte nicht begreifen, dass Sophie ihrer Arbeit nachging, dass eine Menschentraube an der Ampel stand und auf Grün wartete, als wäre nichts passiert. Sonst war sie selbst einer dieser durch die Stadt wuselnden Pünktchen, genauso hektisch wie die anderen. Jetzt stand die Zeit still. Es gab nichts mehr zu tun. Sie hatte Christian verloren. Es war in all den Jahren, in denen sie zusammen waren, die erste Nacht von der sie nicht wusste, wo er sie verbracht hatte. Sicher war er mit einem Mann zusammen gewesen.

      Essen konnte Julie nicht, sie wollte sich nur Kaffee aufbrühen. Gewohnheitsmäßig griff sie nach ihrer Lieblingstasse, zuckte aber zurück, als hätte sie sich die Finger verbrannt. Christian hatte sie ihr bei einem Besuch in Wien geschenkt und es hingen viele Erinnerungen daran. Sie wählte einen weißen Becher.

      Gleich gestern hatte sie Christian eröffnet, dass sie die Zimmer trennen würde. „Wir leben als wären wir bereits

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