Der rosa Wolkenbruch. Dorothea Böhmer

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Der rosa Wolkenbruch - Dorothea Böhmer

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Wohnzimmer herrichten. Beide Zimmer waren gleich groß, wenn auch unterschiedlich geschnitten. Natürlich hoffte sie, dass er zu ihr zurückkommen würde. Doch das war utopisch. Zuviel hatte sie in den letzten Jahren über homosexuelle Männer gelesen, als dass sie sich belügen konnte. Ihr war klar, was sein Coming Out bedeutete … für ihn und für sie.

      Nicht irre werden. Sie musste sich beschäftigen, ablenken. Ein Anflug ihrer Tatkraft kehrte zurück. Ja, gleich jetzt würde sie damit beginnen, die Möbel aufzuteilen. Sie brauchte ihren Schreibtisch, den Computer und ihre Bücher um sich. Außerdem würde sie ein paar Haken als Garderobe am Türrahmen anbringen, um einige Kleidungsstücke griffbereit zu haben. Der gemeinsame Kleiderschrank konnte vorerst in Christians Zimmer bleiben, sie würde sich was sie brauchte holen, wenn er nicht da war. Die Stereoanlage wollte sie aus dem Wohnzimmer in sein Zimmer bringen, er konnte nicht ohne klassische Musik leben. Seltsam. Christian hätte von Anbeginn an gerne getrennte Zimmer gehabt und nicht die übliche Aufteilung in Wohn- und Schlafzimmer. Ihr zuliebe hatte er darauf verzichtet.

      Julie war dabei, einen Teil ihrer Fotobildbände im Wäschekorb in ihr neues Zimmer zu schleppen, als das Telefon klingelte.

      „Hallo, ich bins.“

      „Hallo.“ Mehr brachte sie nicht heraus. Christians traurige Stimme schnürte ihr die Kehle zu. Sie kämpfte gegen die Tränen.

      „Ich, ich wollte deine Stimme hören.“

      Wie oft hatten sie sich in den vergangenen Jahren zu allen möglichen Zeiten und an allen möglichen Orten angerufen, nur um die Stimme des anderen zu hören.

      „Du warst heute Nacht nicht da.“

      „Nein.“ Christian schluckte. „Ich möchte nicht darüber reden.“

      „Kommst du heute nach Hause?“

      „Ja, so gegen halb sieben.“

      Eine Zeitlang sagte niemand etwas.

      „Ich bin am Abend bei Sophie.“

      „Wann gehst du weg?“

      „So um halb sieben muss ich weg.“

      Er schwieg lange. Mit belegter Stimme sagte er: „Und was machst du gerade?“

      „Ich bin dabei, die Zimmer zu trennen“, ihre Stimme zitterte, „wie wir es gestern besprochen haben.“

      Nach einer Pause presste er ein „bis später dann“ heraus.

      „Ja, bis später.“ Sie weinte. Hatten sie in all den Jahren jemals ein so einsilbiges Gespräch geführt? Sollte sie Sophie anrufen und sagen, dass sie doch lieber erst um 20.00 Uhr kommen wollte? Nein, es war besser, sich daran zu gewöhnen, die Abendplanung nicht mehr nach Christian auszurichten. Er wollte die Zeit ohnehin nicht mehr mit ihr verbringen. Außerdem hoffte Julie, dass Christian sie vielleicht vermissen würde, wenn sie nicht in der Wohnung war.

      Als sie die Bücher in das Regal räumte, fiel ihr ein Kunstkatalog aus der Hand. Auf dem aufgeklappten Innendeckel stand Julie und Christian, wie in den meisten Büchern.

      ***

      Der Schlüssel drehte sich kratzend im Schloss, als Julie den schweren Putzeimer durch den Gang schleppte. Christian kam eine halbe Stunde früher nach Hause. Er hatte nicht ihr vertrautes Klingelzeichen benutzt, um sich anzukündigen. Was sollte sie machen? Noch bis gestern wäre sie ihm entgegengegangen und sie hätten sich geküsst. Jetzt blieb sie einfach stehen.

      Christian wusste genauso wenig, wie er sich verhalten sollte. Er umarmte Julie. Wie bleich er war. Julie sah die dunklen Ränder um seine Augen, sah wie spitz die Nase aus dem Gesicht ragte, sah dass die Backenknochen mehr hervor traten als sonst. Auch er hatte geweint.

      „Hast du noch Zeit für einen Tee, bevor du zu Sophie gehst?“

      Julie nickte.

      Christian wurde blass, als er die Veränderungen in der Wohnung sah, Julie tat es weh. Wie schwer es ihr fiel, ihn nicht zu berühren.

      Mit hängenden Schultern saßen sie sich am Küchentisch gegenüber. Julie fixierte ihre Tasse, während Christian mit beiden Händen seine Teeschale drehte.

      „Ich war bei einem Mann.“ Christian brachte den Satz nur mühsam heraus.

      Was sollte Julie darauf sagen? Sie hatte es ohnehin gespürt. Also schwieg sie und sah weiter krampfhaft auf ihre Tasse.

      „Ich habe ihn in der Schwulenkneipe kennen gelernt, in die ich gestern Abend gegangen bin. Er spielt Violine in einem Orchester, das auf Tournee ist. Wir konnten uns nur auf Englisch unterhalten, er ist Franzose. Aus Paris.“ Christian sprach abgehackt.

      Julie hob den Kopf. „Hattest du den Ring noch am Finger?“

      Christian wich ihrem Blick aus. „Nein.“

      ***

      Wann war es gewesen, vor drei Monaten? Vor vier Monaten? Julie war beruflich stark eingespannt, oft gereizt und hatte wenig Zeit für Christian und gemeinsame Unternehmungen. Wenn sie es sich recht überlegte, fing er schon damals an, sich zurückzuziehen. Als er eines Abends von einem Besuch bei Adrian, einem seiner ehemaligen Kommilitonen, heimkam, hatte er seinen Ehering verloren. Julie hatte das Gefühl, es machte Christian gar nicht so viel aus. Sie saß am Leuchttisch Dias sortieren und war außer sich. Er hätte keinen Sinn für Symbolik, warf sie ihm vor, gerade so als hätte er den Ring absichtlich weggeworfen. Um sie zu beruhigen, rief Christian bei Adrian an, und der fand den Ring im Schein der Taschenlampe neben der Haustür.

      ***

      Julie hatte damals gespürt, dass etwas nicht stimmte. Aber sie hatte es nicht angesprochen. Je mehr er sich ihr entzog, desto mehr versuchte sie unbewusst für andere und sich selbst das Bild des glücklichen Ehepaares aufrechtzuerhalten. Erstaunt merkte sie nun, wie sehr sie in diesem Verhalten ihrer Mutter glich. Gleichzeitig war sie Christian gegenüber aggressiver geworden, weil er sich ihr mehr und mehr verschloss. Er orientierte sich zunehmend nach außen, was sie sich all die Jahre vorher immer gewünscht hatte, weil sie dachte, es wäre nicht gut, sich zu zweit einzukapseln. Sie blickte auf.

      „Christian, wenn du reden möchtest, sage ich den Abend bei Sophie ab.“ Sie riss sich zusammen, um nicht seine Hand zu streicheln.

      „Nein.“ Er senkte den Kopf. Seine Stimme war leise. „Ich treffe mich heute noch einmal mit ihm.“

      Julies Schläfen hämmerten. Benommen stand sie auf. Als sie wenige Minuten später die Haustür hinter sich schloss, legte Christian den Kopf auf seine Arme und schluchzte.

       11

      Sophie erschrak. „Wie siehst du denn aus!“ Julies Gesicht war aufgedunsen, ihre Augen stumpf und erloschen, die Haare strähnig. Sie nahm ihre Freundin in den Arm. Julie hing schlaff wie eine Puppe an ihr.

      „Sind Markus und die Kinder da?“ fragte Julie, während Sophie sie streichelte.

      „Nein, ich habe ihm gesagt, wir wollen unter uns sein und ihn zum Billard spielen geschickt. Timmy und Viola sind im Bett.“

      Sophie nahm Julie die dunkle Jacke ab. Julie trug eine schwarze Hose und einen schwarzen

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