entre dos tierras. Peter Geipel

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entre dos tierras - Peter Geipel

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Dukaten in den Schoß. Nun liegen die Noten auf dem grauen Asphalt unter mir und auf meiner Hose. Ich greife hinein in meinen Schoß und auf den Asphalt und werfe die gegriffenen Töne hoch in die Luft. Mit beiden Händen greife ich in die Töne, greife wie ein Dirigent in das Orchester, ich greife in die Partitur und werfe die Töne mit aller Kraft in die Luft. Was für eine Melodie, was für ein Orchester.

      Jetzt greifen alle nach den Münzen und werfen sie in die Luft. Das sind ja alles Dirigenten. Sie greifen nach den Instrumenten und werfen sie in die Luft, sie fliegen hoch und weit, sie drehen und schrauben sich bogenförmig in den lauen Sternen-Nachthimmel hinein. Sie scheinen gar nicht mehr herunterkommen zu wollen, ihr Flug verlangsamt sich jetzt, ihre Drehungen, Schraubungen und Windungen, Wendungen verlangsamen sich zu einem phantastischen Oratorien-Zeitlupenbild der Instrumente, die sich schrauben und winden und drehen und turbeln und taumeln, bis sie auf dem Boden aufschlagen. Was für Töne, was für ein Oratorium. Stockhausen?

      Was für Töne das macht. Die Instrumente beginnen von alleine zu spielen und zu spielen und zu spielen, eine gar sonderbare Musik, die das macht, was für ein Orchester, was für ein Oratorium. Alle lachen, die beiden Freunde, ich und die Gäste, für die sie spielen - keiner, der böse guckt oder mürrisch ist. Sie freuen sich und sind in besonderer Stimmung. Was für eine Komposition. Alle lachen, die beiden Freunde, ich und die Gäste, für die sie spielen, ich spendiere für das rumliegende Geld ein paar Flaschen Rotwein, ein Côtes du Rhône, mis en bouteille dans la Propriétaire. Wir trinken miteinander, lachen, feixen und lachen, sind fröhlich und ausgelassen, leicht ist es jetzt, himmelblau, in dunkler, lauer, klarer Sternen-Himmelsnacht.

      Jetzt spiele ich ein wenig Saxophon in den lauen, klaren, dunklen Sternenhimmel von Villefranche-sur-Mer. Ich springe auf den Tisch, einfach weil mir danach ist, und spiele und spiele und spiele und sie hören mir zu. Der Gitarrenspieler und der Saxophonspieler, und die anderen Gäste an den Tischen. Ich schließe dabei die Augen, um besser dort sein zu können, wo ich spielen will. Mir wird ganz heiß, so heiß, als hätte ich zu lange in der Sonne gesessen.

      Als ich die Augen wieder aufmache, höre ich in der Ferne einen Zug fahren; als ich auf die Uhr sehe, ist es früh am Morgen, so gegen vier - es ist mir jetzt nach einem Glas Wein, einem guten, der guttut, so ein bisschen.

       Gerade so - als ob es noch wär’

      Heute lasse ich die Zeit mal von den anderen machen, ich liege im Sand, es ist noch warm, aber ich spüre deutlich die Vorboten dessen, was wir als kühle Kälte kennen. Das Wasser ist nicht mehr so warm, dass man es warm nennen könnte, aber kalt ist es auch noch nicht, es ist grau - es ist gerade so, als ob es gerade noch wär, gerade noch - zu alledem ist es auch noch leicht eingetrübt, das Salzige - heute.

      Das bunt gemusterte Handtuch mit all den vielen kleinen Rauten und Rhomben in Orange und Rot, in Lila und Rosa, in Blau und Braun und den vielen gleichmäßigen Zickzacklinien auf dem Rand - mit seinen Dreiecken und Quadraten, Rechtecken und Kreisen, rund und rund - zick und zack, zick-zack, rund und rund und zack und zack, zick.

      Es duldet meine müde Schwere nach gestriger Nacht in seiner erhellenden Farbenpracht. Das Handtuch scheint sich mit seinen gemalten Farben entschuldigen zu wollen, dass es einfach nur schweigend so daliegt, in seinen vielen gemalten Formen und der gemalten Formenpracht, in all den bunten Farben, Rot und Rosa, Lila und Hellblau, Hellgrün und Dunkelgrün, Gelb, Orangegelb, Orangerot und Purpurrot und Sonnengelb. Das Handtuch erlaubt mir, ausnahmsweise die Zeit einmal von den anderen machen zu lassen. Ich gebe der Macht des Handtuchs nach, das mich auf sich herunterzieht. Völlig erschöpft sinke ich auf all diese Töne nieder, mit dem nötigen Respekt lege ich mich darauf, um sie nicht zu erdrücken, all diese Töne und Farben, einfach nur hinlegen, ausruhen von all den Strapazen der letzten Wochen. Die Sonne wärmt noch deutlich meine Septemberhaut. Ein Tag im September, an dem ich die Zeit von den anderen machen lasse. Ich fühle mich wohl und beschützt in dieser angenehmen Wärme, ich freue mich darüber. Ich freue mich darüber, meinem Handtuch endlich einmal so nahe gekommen zu sein, ohne etwas dafür tun zu müssen, endlich, endlich, endlich, rutscht mir doch endlich alle mal den Buckel hinunter! Ich danke Dir, Gott und ich danke Dir, Handtuch dafür. Langsam sinke ich ab und sinke in den wohlverdienten, unbezahlten Sinkschlaf, sinke und sinke und sinke.

       Plötzlich liege ich völlig versunken auf einem Berg im Baskenland, Berg der Mariposas, ganz in der Nähe von Hondarribia

      Fuenterrabia, Hondarribia, Spanien, Calle San Pedro

      Plötzlich liege ich völlig versunken auf einem hohen Berg im Baskenland, die Fuenterrabia Sonne verwöhnt mich in gleicher Weise mit ihrem warmen, weichen Schein. Ich liege so weit oben, wo es schon nimmer und nimmer weitergeht, ich erwache langsam aus einem schönen und warmen Sinkschlaf. Ich reibe mir die Augen, strecke und recke meine Glieder. Ich will weiter und weiter hochsteigen, doch mit dem Hochsteigen klappt es nicht, ich bin ja schon ganz oben, liege und gucke auf das Meer und auf die kleinen Städte und Dörfer, auf die kleinen, überschaubaren Wälder, auf die grünen Wiesen, auf denen die Schafe friedlich grasen, grün und grün, mit ihrem niederen Gesträuch und Büschen, dornig. Ich kucke von oben auf die Ufer des Bidasoa, dem Fluss, der die Grenze zwischen Frankreich und Spanien markiert.

      Lange Stille, langes Schweigen - endloses Schweigen, endlose, tiefe Stille, die tiefste Stille der Stille, endlose Zeit, die zärtlich in eine tiefe Sinkstille nahtlos übergeht. In die sinkstillste Sinkzeit, der Sinkzeit - endlos und wunderbar, wunderstill, wundersinkstill. Da pikst kein Stückchen Stroh in meinem Schuh, auch keine Dornen piksen die sanfte Haut, es liegt auch kein Schafsmist herum, der die Hose hätte dreckig machen können, die blaue Jeans, Grasflecken gibt es hier oben auch nicht. Da reibt kein Fels die Haut mehr wund, das Knie reibt sich auch nicht mehr wund – so still ist es hier, ganz still - eine endlose, unendliche große und mächtige, helle Stille breitet sich da aus, hellgelb und hellblau, hellrot und rosarot, lilarot und purpurrot.

      So viel Stille auf einmal, dass stille Töne auftauchen, seltsam stille Töne, sonderbare, nie gehörte Stillentöne - sie tauchen einfach auf und so einfach, wie sie seltsamerweise aufgetaucht sind, verschwinden sie wieder. Töne schwellen langsam an, langsam - bunte Töne - bunte, bunte Töne, die manchmal in schneller Folge erklingen, manchmal in ganz langsamer Folge, erklingen sie, und die schnellen, bunten Töne mischen sich mit den langsameren Tönen zu einer richtigen Komposition. Sie breiten sich aus und legen sich einfach in die Landschaft, einfach so. Es breitet sich ein richtiges Oratorium, ein Gloria Oratorium in der Landschaft aus. Es füllt jeden Raum, es schwillt aus dem Nichts herauf zu einem großen Orchester, fast barock, manchmal gotisch, blüht auf und dann verhallen sie wieder im Nichts, verklingen langsam wieder in der lauten Stille des Nichts, bis die Schafe mit ihren hellen, klaren Glöckchen die Führung wieder übernehmen.

      Große Stille, langes, langes Schweigen, endloses, zeitloses Schweigen, zeitloses Sinkstillschweigen und dann plötzlich geht es da doch noch weiter den Berg hinauf, einen Weg, den ich zuvor noch nie gesehen hatte, ich steige doch noch etwas höher den Berg hinauf, es geht tatsächlich doch noch etwas weiter und weiter, es geht sogar so weit hinauf, bis ich unten fast nichts mehr erkennen kann, fast nichts. Das irdische Geschehen da unten ist so klein geworden, dass es sich fast zur Bedeutungslosigkeit verloren hat. So weit oben bin ich jetzt angekommen.

       Auf nach Biarritz - Mariposas

      Ich werde durch etwas gestört - eine sanfte Stimme. „Auf nach Biarritz - nach Biarritz. Nach Biarritz! Nach Biarritz ist es nur einen Katzensprung.“ Das Café, in dem ich mich wiederfinde, ist zypressig, es ist viel zu zypressig gerahmt. Ein gemütliches Zypressen-Straßencafé an einer fast menschenleeren kleinen Dorfstraße mit einem Kellner, der sich für diese Jahreszeit etwas zu langsam bewegt. Er lässt Andra und mich einfach sitzen und warten. Nicht das normale Warten, das gebührliche. Der gemütliche Sich-Wohlfühl-Warte-Moment, der an dieser Stelle auf unerhörte Weise überdimensional ausgeweitet wird, so, dass wir

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