entre dos tierras. Peter Geipel
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So verloren komme ich mir jetzt vor. Da macht sich heimlich, still und leise, und doch so laut, eine feuchte, klamme, kalte Einsamkeit in mir breit, dass ich es ihr eigentlich nicht erlauben würde. Aber ich kann mich ihrer nicht erwehren, ihr nicht ausweichen, unerbittlich steigt sie langsam, behutsam und vorsichtig in mir empor. Sie ergreift Besitz. Unerbittlich ist die unbeugsame Einsamkeit, der ich nicht entkommen kann. Ich kann einfach nicht vor ihr flüchten.
Es ist eine Einsamkeit, in der die Zeit davonzulaufen scheint, in ganz arg schnellen Schritten - ich bekomme das Gefühl, ich stehe hier und die Zeit rast an mir vorbei und ich bin ihr völlig schutzlos ausgeliefert. Bewegungslos, fast erstarrt, stehe ich hier am Pier und starre auf die kleinen, sanften Wellen auf der fast glatten Oberfläche des Wassers. Die gelben Kugellampen machen nur weiche, sanfte, kleine Bewegungen auf dem Wasser. Das Klicken der Schäkel an die Masten ist nur noch ab und zu zu vernehmen, das Tempo hat sich deutlich verlangsamt. Auch ist das Klacken der Seile auf den Booten nur noch gelegentlich zu vernehmen.
Das Nachdenkliche scheint mich erdrücken zu wollen in einem so kurzen Leben. Ich schreie laut. Spätestens jetzt ist auch die letzte Mücke aus ihrem Ruheschlaf gerissen worden.
So übermächtig machtvoll höre ich jetzt mein Herz schlagen, bumbum, bumbum, bumbum, bumbum, bumbum. Es ist arg still um mich herum, ich kann mich nur noch selbst hören, ein Moment der Ewigkeit? Schweigen - Schweigen - Schweigen!
Als ich weiter an der Nichtzeit entlanglaufe, merke ich, dass dort, wo ich laufe, gar keine Laternenlampen mehr stehen, die da eigentlich scheinen sollten, mit ihrem gelben, runden Kugellampenschein. Jetzt beschleicht mich auch noch eine leise, laue Melancholie, heimlich, leise kriecht sie ganz vorsichtig in mir hoch, um mich ja nicht zu berühren, kriecht sie vorsichtig und leise in meinen Körper hinein und breitet sich vorsichtig, aber machtvoll, langsam, unnachgiebig in mir aus, so als sollte ich es zunächst gar nicht merken, von ihr in Besitz genommen zu werden, heimlich erobert zu werden.
So dicht an dem Salzigen, das leise und sanft an die Hafenmauer klopft, hatte ich mich nicht ein bisschen anlehnen wollen an die runden, orangegelben Kugellampen am Pier? Wollte ich mich nicht ein bisschen geborgen fühlen? Behaglich fühlen wollen und Kraft für Kommendes schöpfen, es gelingt mir nicht. Wollte ich nicht den Duft der fein gebratenen Fische und Krabben einatmen, den Stimmen und Stimmchen lauschen, die da alle so fröhlich und ausgelassen plappern und schnattern und plappern und schwatzen, Schwitziges und Geschwätziges plappern.
All diese Soßen riechen und das Gegrillte, das da so aus der Küche dampft, all diese Gerüche, wunderbar. Fischbraten, Muschelduft und Krabbenduft in geborgener Nähe des Gewohnten, grün und rot, lila und hellrot, violett und zitronengelb.
Unten auf der Kopfsteinpflasterstraße, dort unten wo die orangegelben, runden Hafenlaternen stehen und man das leise, sanfte Rauschen des Meeres hören und spüren kann, dort wo die Laufrollen der Boote an die Masten klicken und klacken, hölzern und metallisch, dort, wo die Lichter so lustig auf dem Wasser tanzen, orangerot und hellgelb. Dort, wo sich leise Stimmen unter Stimmen mischen, manchmal lauter, fröhlich lachend und schwatzend und plappernd, dort, wo auch etwas Musik in der Ferne zu hören ist. Von den Musikern, dem Gitarrenspieler und dem Saxophonspieler, dort, wo die Mücken so lustig hupfen, kreiseln und zacken, zicken und ticken, taumeln und baumeln in den Spinnennetzen, die sinnvollerweise in der Nähe des Lichts installiert wurden, in seinem behaglichen Schein, da ist jetzt niemand mehr, dort unten ist alles leer, menschenleer, es ist alles sehr einsam und still, da unten. Verloren sieht es aus. Oh, diese bezaubernde Stille. Oh, diese stillste Stille der Stille.
Ich schreie laut. Ich glaube, ich war eben sehr unhöflich zu all den erschöpften und müden Mücken, all den schlafenden Arbeitern und den schlafenden Spinnen gegenüber, die morgens schon so früh ihr Tagwerk beginnen müssen, aber in dieser Situation ist es mir gleichviel. Ich rufe laut: Andra. Die mir so offen mit ausgebreiteten Armen in mein Gesicht gelacht hat. Wo bist du? Du kannst doch nicht einfach so hinausschwimmen, das kannst du nicht. Komm jetzt gefälligst zurück. Hierher.
Verstehst du, hierher zurück. Sie versteht mich nicht, sie ist schon viel zu weit draußen auf dem Meer. Sie ist nur noch ein winziger, kleiner Punkt da draußen.
Im kleinen Hotelzimmer sieht es gar nicht mehr so heimelig aus
In dem kleinen Hotelzimmer sieht es gar nicht mehr so heimelig schön aus, es ist laut, unten eine kleine Diskothek mit schlechter Live-Musik, da zieht der Geschmack von schlechter Luft, gemischt mit Tabak und fahlem Bier, durch meine Nase - Gejohle und schnödes Geplapper - plipper, plapper, plipper, plapper, helle junge, zu junge Stimmchen schlippern und schlappern da fröhlich und lustig drauflos, noch nicht ahnend, worauf die sich da einlassen, verloren und verlogen klingt das alles, falsche, unerfahrene, nach wilder Bestätigung suchende Stimmchen plappern da Sinnloses in die schlechte Luft hinein, und wollen doch so gute reine Luft atmen.
Ich bin müde von den hellen Stimmchen, dem Geplapper und Geplipper, müde von den vielen gelben und den orangegelben Laternen unten an Pier. Auch von dem Geklickse und Geklackse der Wanten an die hölzernen und metallenen Masten. Ich habe zu viel von dem allen. Müde von der Suite und ihrem Balkon und den großen Schiebetüren, und von mir. Ich bin ganz arg müde von mir, so dass ich den längsten Schlaf der Schläfe, einen bezaubernden Sinkschlaf jetzt bevorzugen will. Schlafen und schlafen, so müde bin ich, jetzt nur noch schlafen, danach ist mir jetzt. Das zu große Bett ist mir geblieben. Ich sitze am geöffneten Fenster und gucke auf die gegenüberliegende Hauswand ohne Fenster, Dunkelheit, milde, weiche, aber schöne Dunkelheit starrt mich da an. Noch habe ich mich nicht ganz ausgezogen, und sitze so still und versunken an meinem Fenster in der Suite, in der Rue Villefranche-sur-Mer, und blicke auf die milde, weiche Dunkelheit, da kriecht ganz langsam ein Gefühl in mir hoch, das mich befreit, es befreit mich von den hohlen Stimmchen und dem blöden Geplapper, von dem Tabakgeruch und dem fahlen, abgestandenen Biergeruch und von der fensterlosen dunklen Hauswand gegenüber.
Es öffnet sich eine endlose Weite, eine Weite, die mir bekannt ist, der Himmel mit seinen Abertrilliarden Sternen scheint immer stärker in die enge Gasse hinein, er drückt die Wände auseinander, er schiebt sie behutsam auseinander, die Häuser, bis auch die Gasse nicht mehr eine Gasse, sondern eine weite, breite Straße geworden ist, mit vielen, vielen Bäumen und Sträuchern und Mücken und Grillen, die in ihnen hocken. Sie zirpen laut und deutlich in die klare Septembernacht. Ein wahres Streichkonzert in den tollsten Tönen hoch und höher, tief und langanhaltend. Kurz und hoch mit deutlichen Pausen, schrill, fast zerrend und hoch, leise und nur zip-zip, kurz und knapp, mit vielen Pausen, zip-zip, Pause, zip-zip. Ganz so, als wollte die Grille gar nicht auffallen in dem ganzen Stimmengewirr. Alles in klingenden Septemberfarben, es mischen sich viele Menschen in diese