5 mörderische Herbst Thriller - Krimi Sammelband 5003 September 2019. Cedric Balmore
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Bount nickte.
"Na, gut. Erzählen Sie mir etwas über Ihre Tochter."
"Kimberley ist 25. Vor einigen Jahren haben wir uns zerstritten. Sehen Sie, ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Ich habe eine Firma in Newark, eine Niederlassung in Cleveland und eine drüben in Montreal. Und wenn man will, dass die Dinge so laufen, wie man es für richtig hält, dann muss man sich doch am Ende selbst darum kümmern."
"Verstehe..."
Morgan sog die Meeresluft ein, als gäbe es nur eine begrenzte Menge davon, von der man sich besser etwas sicherte, solange der Vorrat reichte. Mit der Rechten deutete er auf die Umgebung.
"Dies ist ein wunderbarer Ort, nicht wahr, Mister Reiniger?"
"Ja."
Wer hätte das auch ernsthaft leugnen wollen?
"Aber ich habe kaum Gelegenheit dazu, mich hier zu erholen. Ich komme einfach nicht dazu!" Er zuckte mit den Schultern, blieb stehen und blickte in sich gekehrt hinaus auf den Atlantik. "Und genau so war es mit meiner Familie. Meine Frau hat die Konsequenzen gezogen. Sie ist gegangen und ich habe nicht die geringste Ahnung, wo sie steckt. Und Kimberley... Ich habe sie auch verloren. Ich hätte mich mehr, um sie kümmern sollen. Aber zum Jammern ist es jetzt zu spät."
"Wahrscheinlich haben Sie recht."
Bount wartete mit wachsender Ungeduld darauf, dass sein Gegenüber endlich zum Punkt kam und versuchte indessen, sich eine Zigarette anzuzünden.
Bei dem Wind war das allerdings eine Kunst für sich war. Schließlich gelang es ihm jedoch, während Harry Morgan fort fuhr: "Kimberley hat sich herumgetrieben, seit sie von zu Hause ausgezogen ist. Erst wollte sie studieren, aber das war ihr dann wohl zu anstrengend. Sie ist nicht zu den Vorlesungen gegangen. Zwischendurch wurde sie von der Polizei wegen irgendeiner Drogensache aufgegriffen, bei der meine Anwälte sie heraushauen mussten. Vor zwei Jahren hatte sie sich dann etwas gefangen. Seit der Zeit lebte sie in einer Künstlerkolonie in SoHo. Sie hat es mit Malerei versucht. Große Leinwände hat sie vollgeschmiert."
"Konnte sie davon leben?", fragte Bount. Harry J. Morgan lachte heiser und freudlos. Er schüttelte dabei energisch den Kopf.
"Wie kommen Sie nur auf den Gedanken!"
"Es gibt Leute, die ein Vermögen für Kunst ausgeben!"
"Ja, bei Malern, die Talent haben!"
Bount hob die Augenbrauen.
"Und Kimberley hatte keines?"
Morgan zuckte mit den Schultern.
"Das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne mich mit Kunst nicht aus, aber großartige Verkaufserfolge kann sie nicht gehabt haben."
"Wovon lebte sie?"
"Von meinem monatlichen Scheck." Er verzog bitter das Gesicht. Seine Nasenflügel bebten ein wenig. "Sonst wollte sie wenig mit mir zu tun haben, aber ich war immer noch gut genug dafür, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten." Er wandte sich zu Bount um und sah ihn offen an. "Es ist im Leben wie im Geschäft, Mister Reiniger! Genau wie ich sagte: Man muss sich um alles selbst kümmern! Ich hätte mich auch selbst im Kimberley kümmern müssen."
"Weder ich noch Sie können die Zeit zurückdrehen, Mister Morgan!", stellte Bount fest. Ein Unterton von Ungeduld war jetzt nicht mehr zu überhören. "Aber Sie könnten mir jetzt sagen, weshalb Sie so felsenfest davon überzeugt sind, dass Kimberley nicht einfach nur Urlaub macht, ohne Ihnen etwas davon gesagt zu haben!"
"Die Schecks der letzten drei Monate hat sie noch nicht eingelöst. Ist doch merkwürdig, nicht? Sie war immer in Geldnot und es würde mich nicht wundern, wenn sie noch immer hin und wieder Kokain genommen hat - angeblich soll das ja die Kreativität fördern. Jedenfalls ist es verdammt teuer. Kimberley hat nie gelernt, sich Geld einzuteilen, weil sie immer im Überfluss davon hatte. Manchmal hat sie mich angerufen und gefragt, ob der Scheck nicht eine Woche früher kommen könnte. Sie hat keine Rücklagen, da bin ich mir so gut wie sicher. Es mag ja Leute geben, die von wenig oder gar keinem Geld leben können, aber Kimberley gehört ganz sicher nicht dazu!" Bount wurde hellhörig.
Das mit uneingelösten Schecks war ein Punkt, der tatsächlich merkwürdig klang.
Indessen fuhr Morgan fort: "Gestern hat mich ihr Vermieter angerufen. Sie hat ist mit der Miete im Rückstand. Die Nachbarn haben sie seit längerem nicht mehr gesehen."
"Waren Sie in der Wohnung?"
"Ja. Ich habe mir Zutritt verschafft."
"Und?"
Er zuckte die Achseln.
"Sie war nicht dort!"
"Wann haben Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen?"
"Das ist fast ein halbes Jahr her. Sie brauchte mal wieder Geld. Das war nichts Ungewöhnliches, aber sie hatte sich doch in erschreckender Weise verändert. Sie trug nur noch schwarze Sachen und war im Gesicht weiß geschminkt. Wie eine Leiche. Ich war schon einiges an modischen Verrücktheiten von ihr gewohnt, aber als ich sie sah war ich doch etwas erschrocken. Wie eine lebende Leiche sah sie aus. Ich fragte sie, was mit ihr los sei."
"Was hat sie gesagt?"
"Ich hatte den Verdacht, dass sie wieder irgendetwas genommen hätte. Vielleicht war es auch so, sie wirkte ziemlich high und erzählte mir irgend so einen Unfug von Geisterbeschwörungen, Gläserrücken, Seancen, Stimmen auf Tonbändern, die von Verstorbenen stammen sollen und so weiter. Ich habe es nicht richtig verstanden und war auch nicht weiter neugierig darauf. Sie war ganz erfüllt von diesem Okkultismus-Zeug! So war das immer mit ihr, wenn sie auf einem neuen Trip war."
"Haben Sie ein Photo von ihr?"
"Ich werde Ihnen gleich eins geben, wenn wir zurück ins Haus gehen. Und dann bekommen Sie auch einen Scheck. Die Summe können Sie selbst eintragen." Er lächelte matt.
"Ich hoffe, Sie machen mich nicht arm, Mister Reiniger!"
"Ist das bei Ihnen überhaupt möglich?"
"Sie müssten sich schon einige Mühe geben!" Dann atmete Harry J. Morgan erleichtert durch und stellte fest: "Ich nehme also an, dass Sie den Fall übernehmen." Bount nickte.
"...falls es tatsächlich ein 'Fall' ist!"
"Ich hoffe, dass sich Ihre Skepsis bewahrheitet, Mister Reiniger. Aber ich habe ein schlechtes Gefühl."
3
SoHo - das stand für South Houston Industrial District, aber die ehemaligen Lager-und Fabrikhallen dienten zum Großteil seit langem einem ganz anderen Zweck. Seit die Verwaltung das Viertel zum Wohnen freigegeben hatte, war hier New Yorks jüngste Künstlerkolonie entstanden, denn die zahlreich vorhandenen Hallen und Lagerräume gaben hervorragende Ateliers ab.
Als Bount Reiniger am nächsten Tag Kimberley Morgans Adresse aufsuchte, fand er ihre Wohnung auf ungefähr hundert Quadratmetern, die von einer Lagerhalle abgetrennt