5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019. A. F. Morland

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5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019 - A. F. Morland

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      „Ja.“

      „Ist alles in Ordnung?“

      „Ja, alles bestens.“

      Obwohl Dr. Rüsch (in der Klinik nannte man ihn Onkel Tom, weil er zu allen Schwestern „Kindchen“ zu sagen pflegte) nicht davon überzeugt war, nickte er, richtete sich auf, zuckte mit den Schultern, sagte „Tja, dann …“, wünschte Torben einen schönen Abend und ging seiner Wege.

      In Torben Lorentz’ Kopf überschlugen sich die Gedanken, und je intensiver er über seine Situation nachdachte, desto mehr geriet er in Panik.

      Seine Überlegungen machten sich selbständig und liefen in die verkehrte Richtung. Er kam zu völlig falschen Schlüssen, die zu äußerst bedenklichen Reaktionen zu führen drohten.

      Wenn er die hunderttausend Mark auftrieb – wer garantierte ihm, dass der Erpresser nicht weitermachte und ihn schon bald wieder zur Kasse bat?

      Der Gedanke, Nicola könnten die abstoßenden Fotos in die Hände fallen, machte ihn wahnsinnig. War es da verwunderlich, dass er in einer dermaßen vertrackten Lage völlig falsch reagierte?

      In ihm kam der heftige Wunsch auf, zu fliehen, fortzulaufen von all diesen Widerwärtigkeiten, sich vor der gesamten Welt zu verstecken. Obwohl er nichts für das konnte, was man ihm angetan hatte, schämte er sich ganz entsetzlich.

      Wenn Nicola die Fotos sieht, macht sie auf der Stelle Schluss mit mir, dachte er. Sie würde mir nicht glauben, dass ich nicht bei Besinnung war, als die Aufnahmen entstanden. Jesus, warum muss es so schlechte, niederträchtige und durchtriebene Menschen geben?

      Torben verstrickte sich in Hirngespinste, die ihn nicht mehr rational denken ließen.

      Er fuhr nach Hause. Dass er dabei keinen Unfall verschuldete, war nicht ihm, sondern der Aufmerksamkeit der anderen Verkehrsteilnehmer zu verdanken.

      Er puppte sich total ein in seinen Wahn und machte Fehler um Fehler. Er setzte sich hin und schrieb einen langen Brief an Nicola, in dem er sie bat, ihn zu vergessen, weil er nach reiflicher Überlegung zu der Erkenntnis gekommen sei, dass er nicht der richtige Mann für sie wäre.

      Anschließend rief er Dr. Ulrich Seeberg privat an und log ihm etwas von einem einmaligen Angebot vor, das er unbedingt annehmen wolle.

      Angeblich sollte er die Leitung der Humboldt-Klinik in Hannover übernehmen, und da er sich auf diese große Aufgabe optimal vorbereiten wollte, bat er Ulrich Seeberg, ihn mit sofortiger Wirkung zu beurlauben.

      Dr. Seeberg sagte, er würde ihm nichts in den Weg legen, er solle aber in den nächsten Tagen zu einer gründlicheren Aussprache in seine Klinik kommen.

      Torben versprach es, obwohl er wusste, dass er da nie mehr erscheinen würde. Er dachte in seiner Einbildung wirklich, alle Brücken hinter sich abbrechen und sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden zu können. Er hielt das tatsächlich für die allerbeste Lösung, begriff nicht, wie weh er Nicola mit seinem Brief tat, und wie sehr er Freunde und Kollegen mit seinem verrückten Verhalten vor den Kopf stieß. In seinem Gehirn funktionierte einfach nichts mehr richtig.

      27

      Als Dr. Sven Kayser von Torbens wirrer Handlungsweise erfuhr, griff er zum Telefon und rief Dr. Heinrich C. Fischer, den Leiter der Humboldt-Klinik in Hannover, an, mit dem er zufällig sehr gut bekannt war. Sie waren einander auf mehreren Ärztekongressen begegnet und liefen sich bei solchen Gelegenheiten immer wieder über den Weg.

      Im Verlaufe dieses Telefonats stellte sich heraus, dass Dr. Fischer nicht die Absicht hatte, seinen Platz zu räumen – weder für Dr. Torben Lorentz noch für sonst jemanden. Er war so alt wie Dr. Kayser und wollte die Klinik noch mindestens fünfzehn Jahre leiten.

      „Wie kommt der Mann dazu, sich so eine närrische Lüge einfallen zu lassen?“, fragte Dr. Fischer. „Man kann seine Angaben doch jederzeit ganz leicht nachprüfen, auch wenn man nicht so gut bekannt ist wie wir beide.“

      Sven Kayser seufzte. „Irgend etwas muss ihn geistig ziemlich verwirrt haben.“

      „Er ist Chirurg?“

      „Ja.“

      „Man sollte ihn in der Seeberg-Klinik bis auf Weiteres an der Ausübung seines Berufs hindern.“

      „Das ist nicht nötig“, entgegnete Dr. Kayser. „Er ist nämlich spurlos verschwunden, nachdem er seinen Chef gebeten hatte, ihn zu beurlauben.“

      Nach diesem Gespräch mit Heinrich Fischer fuhr Sven Kayser zu Nicola Sperling, die ihm mit rotgeweinten Augen Torbens Brief zeigte.

      „Warum tut er das?“, schluchzte sie. „Wie kann er mir das antun? Jetzt habe ich nicht nur mein Baby verloren, sondern auch mein Glück, den Mann, der mir in dieser schweren Zeit Halt bot – überhaupt den ganzen Sinn meines Lebens. O Sven, das ist alles so grauenvoll.“

      Er legte den Brief auf den Tisch, nahm sie in die Arme, sprach kaum, ließ sie weinen. Sobald sie sich einigermaßen beruhigt hatte, fragte er: „Was kann ihn nur so sehr aus der Bahn geworfen haben?“

      „Wenn ich das bloß wüsste! Ich habe keine Ahnung!“

      „Ich bin sicher, dass er sich bei dir melden wird, wenn seine Konfusion nachlässt.“

      Nicola löste sich von Sven. „Das glaube ich nicht.“ Sie zeigte auf den Brief. „Er hat Schluss gemacht.“ Sie wischte sich die Tränen mit dem Handrücken von den Wangen. „Vielleicht steht auf diesem Papier nicht die Wahrheit. Vielleicht möchte er bei keiner Frau bleiben, die ihm möglicherweise kein Kind schenken kann. Vielleicht war er zu feige für diese Ehrlichkeit.“

      Dr. Kayser schüttelte den Kopf. „Es muss einen anderen Grund für sein unbegreifliches Verhalten geben. Hat er irgend etwas gesagt, das jetzt, rückblickend, einen Schluss zulässt, an den du noch nicht gedacht hast?“

      Nicola dachte nach. Sie wurde plötzlich blass, legte die Hand auf ihren Mund und stieß undeutlich den Namen „Bruno“ hervor.

      Sven horchte auf. „Wer ist Bruno?“

      Sie sagte es ihm, und sie nahm die Gelegenheit wahr, sich endlich einmal alles von der Seele zu reden.

      Nachdem sie geendet hatte, wusste Sven Kayser sehr genau, was für ein unangenehmer Mensch dieser Bruno Pfaff war – ein widerlicher Zeitgenosse und liederlicher Taugenichts. Seinetwegen hatte Nicola ihren Liebsten belogen.

      „Kann es sein, dass Torben deine Unaufrichtigkeit gespürt hat?“, fragte Dr. Kayser.

      „Vielleicht ist er sogar hinter meine Lüge gekommen“, sagte Nicola schuldbewusst.

      Dr. Kayser überlegte eine Weile, dann meinte er kopfschüttelnd: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn das so sehr verbittert hat, dass er nichts mehr von dir wissen will.“

      Nicola sah den Grünwalder Arzt verzweifelt an. „Ich wüsste nicht, aus welchem anderen Grund er mich verlassen haben könnte!“

      „Ich denke, er wird dich schon bald so sehr vermissen, dass er sich

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