5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу 5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019 - A. F. Morland страница 24
„Er ist ein hervorragender Chirurg“, entgegnete Dr. Kayser. „Es wird nicht einmal nötig sein, dass ich bei Uli ein gutes Wort für ihn einlege. Er wird seinen Job wiederbekommen, und man wird wegen dieser Sache so wenig Aufhebens wie nur irgend möglich machen … Schwamm drüber und vergeben und vergessen.“
28
Zwei Tage später …
Dr. Kayser trat aus dem Fahrstuhl und ging den Flur entlang. Als er Dr. Lorentz’ Wohnungstür fast erreicht hatte, kam die Nachbarin, eine Frau in mittleren Jahren, aus ihrer Wohnung. Sven kannte sie flüchtig und grüßte sie freundlich. „Möchten Sie zu Herrn Dr. Lorentz?“, fragte sie.
Sven nickte. „Ja.“
„Der ist mit Sicherheit nicht da“, erzählte Frau Kleinert. „In diesem Haus sind die Wände so dünn, dass man zwangsläufig sehr viele Geräusche durchhört. Und wenn eine Wohnung tagelang verwaist ist, dann hört man das auch. Ich entferne immer das gesamte Werbematerial, damit niemand auf die Idee kommt, bei Herrn Dr. Lorentz einzubrechen.“
„Das ist sehr nett von Ihnen, Frau Kleinert“, sagte Dr. Kayser. „Sie wissen nicht zufällig, wo er zu finden ist?“
Petra Kleinert schüttelte den Kopf. An ihren Ohrläppchen baumelten große goldene Ringe. „Tagelang diese ungewohnte Stille nebenan“, sagte sie. „Ich mache mir, ehrlich gesagt, schon ein wenig Sorgen um meinen netten Nachbarn.“,
„Ich denke, er wird sich bald wieder einfinden“, meinte Dr. Kayser, und er dachte: Das hoffe ich jedenfalls.
„Wenn er zu Hause ist, spielt er immer genau die Musik, die mir gefällt – ohne es zu wissen“, sagte Petra Kleinert.
Sven Kayser wünschte ihr einen angenehmen Abend, machte auf den Absätzen kehrt und fuhr mit dem Lift wieder nach unten. Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, Torben Lorentz zu Hause anzutreffen, aber er wollte diese Möglichkeit nicht einfach ausschließen, ohne sich davon auch überzeugt zu haben, denn schließlich war Torben zur Zeit ja nicht hundertprozentig zurechnungsfähig, und bei so einem Menschen waren die tollsten Kapriolen drin.
Dr. Kayser verließ das Haus, in dem Dr. Lorentz wohnte – und dann begann für ihn das lange Warten.
29
Sie wohnten tatsächlich in Schwabing. Bruno Pfaff hatte seine Halb-Schwester in diesem Punkt ausnahmsweise nicht belogen. Es hatte nicht lange gedauert, bis er und Rosy Kupfer wieder zufriedenstellend flüssig gewesen waren. Die diversen unsauberen Geschäfte, die Bruno in die Wege geleitet hatte, hatten allesamt gefruchtet – bis auf eines.
Dass Dr. Lorentz nicht nur für ihn, sondern, wie er in Erfahrung gebracht hatte, für die ganze Welt unauffindbar war, ärgerte Bruno maßlos.
„Der Kerl denkt, wenn er auf Tauchstation geht, ist er seine Sorgen los, aber das ist ein Trugschluss“, knurrte Bruno, während sich Rosy neben ihm die langen Fingernägel dunkelrot lackierte. „Er kann nicht ewig verschwunden bleiben. Irgendwann muss er wieder zum Vorschein kommen, und dann kaufe ich ihn mir.“ Er ballte die Hände zu Fäusten und sagte mit grimmiger Miene: „Bruno Pfaff darf man nicht an der Nase herumführen. Wer das doch tut, braucht ’nen Notarzt.“
„Was machen wir mit den Fotos?“, fragte Rosy und blies mit gespitzten Lippen auf ihre Fingernägel.
„Die legen wir erst mal auf Eis“, sagte Bruno.
In zwei ähnlich gelagerten Fällen waren die beiden bereits erfolgreich aktiv gewesen. Die betuchten und von ihnen erpressten Junggesellen, die sich keinen Skandal leisten konnten, hatten anstandslos hunderttausend Mark für die Negative berappt, nachdem Bruno sie mit den kompromittierenden Aufnahmen konfrontiert hatte. Und wenn sie auch Dr. Lorentz’ Geld bekommen hätten, hätten sie für eine Weile Ruhe gegeben. Da der Chirurg jedoch zur Zeit nicht greifbar war, wollte Bruno Pfaff zwischendurch einen Industriellen zur Kasse bitten, dessen Kunden im klerikalen Dunstkreis angesiedelt waren und für den Fotos wie jene, die er von Rosy und ihm zu schießen gedachte, den sicheren geschäftlichen Untergang bedeutet hätten.
„Wie sieht’s aus mit deinen Krallen?“, fragte Bruno seine Freundin. „Wann bist du endlich fertig?“
Rosy Kupfer streckte die Hände mit gespreizten Fingern hoch und wedelte damit. „Der Lack muss nur noch trocknen.“
Bruno griente. „Was ihr Weiber alles tun müsst, um schöner zu sein als ’n Mann.“
„Dafür sind wir aber dann auch sehr viel schöner als ihr.“
Bruno grinste. „Das lassen wir dahingestellt.“ Er stand auf und schob die Hände in die Hosentaschen. „Was ist nun?“, fragte er ungeduldig. „Können wir gehen?“
„Gib mir noch eine Minute, okay?“
Bruno sah seine Freundin finster an. „Deine Minuten kenne ich. Die ziehen sich, als wären sie aus Gummi. Du weißt, der Typ geht in einer Stunde aus dem Haus.“
Rosy nickte. „Wie jeden Mittwochabend.“ Sie seufzte, als würde sie sich langweilen. „Und er fährt wie immer zum Bowling.“ Sie verdrehte die Augen. „In einer Stunde. Deshalb verstehe ich deine Nervosität nicht. Wir haben doch noch sechzig Minuten Zeit.“
„Wir sind noch nicht vor Ort“, gab Bruno Pfaff zu bedenken. „Wir müssen uns noch mit den heutigen Gegebenheiten vertraut machen und uns überlegen, wann, wo und wie es passieren soll.“
„Du tust so, als würde ich es heute zum ersten Mal machen.“
„Das nicht, aber es ist jedes Mal ein klein wenig anders, und darauf muss man sich zeitgerecht einstellen, damit es zu keinen unliebsamen Überraschungen kommt. Je besser du vorbereitet bist, desto reibungsloser geht die Sache über die Bühne.“
Endlich stand auch Rosy Kupfer auf. „Trocken“, sagte sie und zeigte Bruno ihre glänzenden und spitz zugefeilten Fingernägel.
Er nickte finster. „Dann lass uns gehen. Hoffentlich passt du heute etwas besser auf als beim letzten Mal.“
Beim letzten Mal hatte sie das Tempo des herannahenden Fahrzeugs falsch eingeschätzt und war ziemlich unsanft auf dem Asphalt gelandet. Eine schmerzhafte Beckenprellung und zwei hässliche Blutergüsse waren die Folge gewesen.
Rosy Kupfer lächelte sorglos. „Denkst du, weil ich einmal Pech hatte, habe ich es nun laufend?“
Bruno zeigte auf sie. „Du gibst auf deine Knochen besser Acht, das ist ein Befehl!“
Sie salutierte. „Yes, Sir!“
Das Pärchen verließ die Wohnung. Vor dem Haus wartete ihr Wagen auf sie, ein großer schwarzer Rover mit einer Innenausstattung aus echtem Leder und Naturholz.
Bruno hatte ihn erst vor zwei Tagen gekauft. „Hübsches Wägelchen“, sagte er grinsend und klopfte mit der flachen Hand auf die Motorhaube.
„Manche Männer lieben ihr Auto mehr als ihre Frau“, sagte Rosy abschätzig. „Ich kann das nicht verstehen.“