Wuhan Diary. Fang Fang
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Auch in der Wohnanlage einer Kollegin etabliert sich jetzt so eine Einkaufsgruppe, sie kaufen kollektiv Schweinefleisch und Eier. Bestelllisten für unterschiedliche Menüs sind beigefügt, unterteilt nach in Streifen geschnittenem Fleisch, Hackfleisch, magerem Fleisch und Koteletts, Menge und Preis auf einen Blick klar überschaubar. Sobald sich 20 Personen zusammenfinden, wird die Arbeit aufgeteilt, nach der Anlieferung holt sich jeder seinen Teil ab. Die Kollegin fragt an, ob ich mitmachen will. Natürlich will ich. Schließlich haben wir noch zwei Wochen durchzustehen. Ich wähle eine Portion Schweinefleisch nach Menü C, insgesamt 199 Yuan. Das Leben steckt voller Schwierigkeiten, aber irgendein Weg findet sich immer.
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10 Die Wende dürfte kurz bevorstehenEs hat sich wieder eingetrübt. Aber der Himmel ist einigermaßen klar. Ich suche noch immer erwartungsvoll nach guten Nachrichten. Jemand hat ein Video aufgenommen, worin er darüber phantasiert, was in Wuhan am Tag, an dem Zhong Nanshan das Ende der Quarantäne verkündet, abgehen wird. Buntscheckige Gestalten stürzen in wilden Haufen ins Freie, prahlen mit ihren Heldentaten und stolzieren mit stolzgeschwellter Brust über die Straßen. Man sieht, die Wuhaner können nicht nur ertragen und verfluchen, sondern sich auch die verrücktesten Dinge ausdenken.
16 Provinzen haben sich untereinander abgestimmt, die Unterstützung von jeweils einer der 16 Städte Hubeis zu übernehmen. Medizinisches Personal drängt danach, sich zu melden, sie schneiden sich die Haare oder scheren sich die Köpfe kahl, man sieht alle Arten von Abschiedsszenen, unzählige Smartphone-Videos werden gemacht, es sind rührende Bilder. Besonders bewegt die Menschen in Hubei, dass die jeweiligen Provinzen nicht nur Personal hierher schicken, sondern die Freiwilligen auch mit medizinischer Ausrüstung und Schutzkleidung, ja selbst mit Dingen des Alltagsbedarfs wie Speiseöl, Salz, Sojasoße und Essig ausstatten, um ihren Bestimmungsorten keine zusätzlichen Lasten aufzubürden. Mehr als 20000 Ärzte und Krankenschwestern strömen nach Hubei. So viel Solidarität und Freundschaft wiegt schwer.
Dass das medizinische Personal Wuhans schwere und bittere Verluste erlitten hat, war mir seit langem bekannt. Vor ein paar Tagen habe ich darüber geschrieben. Jetzt treffen die Hilfstruppen endlich ein, und sie kommen in Scharen. Nicht nur das Personal der Krankenhäuser kann aufatmen, alle Bürger Hubeis können durchatmen. Die völlig überlasteten einheimischen Ärzte, die am Ende ihrer Kräfte sind, können endlich ein wenig verschnaufen. Die eine Zeitlang verstummten Komiker können wieder anfangen, im Netz ihre Witze zu reißen.
Die Mobilisierung der Kräfte des ganzen Landes, die eintreffende solidarische Hilfe: Das ist eine Wende zum Guten. Durch die Erweiterung der Behelfskrankenhäuser, die Vermehrung der Krankenhausbetten, das Eintreffen der Hilfstruppen, die wirksamen Quarantänemaßnahmen, die Organisation und Disziplin der Arbeit, dazu die bereitwillige und entschlossene Kooperationsbereitschaft der Wuhaner Bürger und das gemeinsame Vorgehen, zeigt sich eine deutliche Abschwächung der Ausbreitung der Epidemie. In den nächsten Tagen wird das womöglich noch deutlicher. Auch der befreundete Arzt schätzt, dass es rasch vorangehen wird. Langer Rede kurzer Sinn – die Hauptgründe für die lange Dauer der Abriegelung unserer Stadt lauten: 1. die Zeitverschleppung zu Beginn, 2. ungeeignete Quarantänemaßnahmen, die sogar zur dramatischen Zunahme von Infektionen geführt haben, 3. die unzureichenden und rasch erschöpften Ressourcen der Krankenhäuser und die Erkrankungen des Krankenhauspersonals, die zu Verzögerungen bei der medizinischen Betreuung geführt haben.
All das ändert sich im Moment, der Wende dürfte kurz bevorstehen.
Ich lese im Netz den Kommentar eines Patienten aus dem Behelfskrankenhaus im Hongshan-Sportkomplex. Er schreibt, seine komplette Familie sei dort und bereite sich darauf vor, in zwei Tagen das Krankenhaus zu verlassen. Weiter schreibt er, dass zahlreiche leicht Erkrankte in den nächsten Tagen als geheilt entlassen würden. Die Behandlung habe aus einer Kombination von westlicher mit traditioneller chinesischer Medizin bestanden, das Essen in der Klinik habe das Restaurant des Yanyangtian-Hotels geliefert.
Das Yanyangtian ist ein berühmtes Wuhaner Restaurant mit erstklassiger Küche. Der Patient erklärt, er habe besser gegessen als zu Hause und mächtig zugenommen. Sein Kommentar dürfte viele Leser ermutigen. Ich höre dauernd, dass viele Patienten vor den Behelfskrankenhäusern zurückschrecken und es vorziehen, zu Hause zu bleiben, weil sie den Eindruck haben, dort seien die Bedingungen sehr schlecht. Wie es jetzt aussieht, haben die Nachbesserungen dazu geführt, dass die Bedingungen dort keineswegs so schlecht sind, von der Betreuung durch medizinisches Personal ganz abgesehen. Jedenfalls besser als krank daheim zu liegen. Die Behelfskrankenhäuser verfügen über großzügige Räumlichkeiten, die sich sogar für Tanzveranstaltungen eignen. Die älteren Damen sitzen nicht untätig herum und nutzen sie entsprechend. Das Ansehen dieses Videos bereitete mir eine riesige Überraschung, Wuhans ältere Damen schrecken weder vor dem Virus noch vor Gemeinschaftstänzen in der Klinik zurück. Man sollte diese Tänze »Behelfskabinentänze« nennen.
Man könnte denken, ich neigte nun – abgeschreckt durch die ständigen Löschungen meiner Blogeinträge – dazu, ausschließlich erfreuliche Nachrichten weiterzuverbreiten. In Wahrheit versende ich sie, um meine aufrichtige Freude mit anderen zu teilen, wir haben allzu lange auf solche Nachrichten warten müssen. Im Netz kursiert alles Mögliche, alle Arten von Schrecken verbreitenden Meinungen, neben fundierten und überzeugenden Analysen von Fachleuten auch jede Art dümmlicher Gerüchte. Menschen, die sich in Wuhan aufhalten, bringen in ihren Chats zum Ausdruck, dass sie die Nase voll von derlei Nachrichten haben. Unsere Aufmerksamkeit konzentriert sich jetzt ausschließlich auf uns selbst. Und darauf, ob sich die Zahl der Kranken verringert, ob sie bereits in die Krankenhäuser eingeliefert wurden, ob sie effektiv behandelt werden, ob die Sterberate abnimmt. Ob die Lebensmittellieferungen pünktlich eintreffen und wann wir endlich unsere Wohnungen verlassen können.
Dennoch ängstigen uns die schlechten Nachrichten nach wie vor. Der Experte für Organtransplantation des Tongji-Krankenhauses, Professor Lin Zhenbin, ist heute Mittag gestorben. 62 Jahre alt, in einem Alter also, in dem sich höchste geistige Kräfte mit dem Reichtum an Erfahrung verbinden, ein wahrhaft schmerzhafter Verlust. Das Tongji-Krankenhaus ist an die Zentralchinesische Hochschule für Wissenschaft und Technik angebunden. Sie hat innerhalb von drei Tagen zwei Geistesgrößen verloren, für die Angehörigen der Universität sind das sehr schmerzliche Nachrichten. Auch in Li Wenliangs ophthalmologischer Abteilung am Zentralkrankenhaus sind dem Vernehmen nach zwei weitere Ärzte so schlimm erkrankt, dass sie künstlich beatmet werden müssen. Noch schlimmer ist, dass einige Sponsoren aus Zorn über den Umgang des Krankenhauses mit Li Wenliang erklärt haben, das Krankenhaus finanziell nicht mehr unterstützen zu wollen. (Ich kann die Richtigkeit dieser Information nicht garantieren.) Das Zentralkrankenhaus hat wegen der Knappheit an medizinischer Ausrüstung bereits Alarm geschlagen. Ach, wenn Li Wenliang im Himmel davon erfahren sollte, wird ihn das mehr als sonst jemanden traurig stimmen.
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11 Die Ankunft neuen Lebens ist die größte Hoffnung, die uns der Himmel schenktDas Wetter wie gestern, trübe, aber nicht finster.
Mittags sehe ich auf dem Foto einer von Japanern gespendeten Hilfslieferung den Vers: Geteilt durch blaue Berge teilen wir Wolken und Regen, wie sollte sich das Licht des einen Mondes auf zwei Dörfer aufteilen?27 Ich bin gerührt. Außerdem sehe ich ein Video mit der Dankesrede Joaquin Phoenix’ bei der Oscar-Verleihung. Er erklärt mit tränenerstickter Stimme, dass er für all diejenigen, die keine Stimme haben, sprechen möchte. Auch das rührt mich. Des Weiteren finde ich in einem Artikel ein Zitat Victor Hugos: »Es gibt ein Schweigen, das lügt.« Diesmal bin ich nicht