Wuhan Diary. Fang Fang

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Wuhan Diary - Fang Fang

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gestorben ist, und bis zu seinem Tod hat er kein Wort der Entschuldigung und Einsicht gehört. Wird es jetzt noch irgendjemand wagen, den Mund aufzumachen? Schweigen ist Gold, mit Schweigen demonstriert man seine Gedankentiefe. Aber was bedeutet Schweigen in einer solchen Situation? Werden wir auch künftig mit Schweigen dieser Art konfrontiert sein?

      Die gesamte Stadt Wuhan hält nach wie vor strikteste Ordnung. Nur haben, verglichen mit früheren Tagen, unter den eigentlich optimistischen Wuhanern die Gefühle von Bedrückung und Depression etwas zugenommen. Schließlich sind sie schon zu lange in ihren Wohnungen eingesperrt, und die sind meist eng. Selbst vom grenzenlosen Internet fühlt man sich gelegentlich angewidert. Ganz zu schweigen von den persönlichen Problemen, die jedermann hat. Zwei meiner älteren Brüder und ich leiden zum Beispiel an Diabetes. Der Arzt verlangt von uns, dass wir täglich laufen. Mein ältester Bruder kommt gewöhnlich laut Schrittzähler auf etwa 10000 Schritte pro Tag. Mein drittältester Bruder ist noch mehr gefordert, er soll täglich vormittags und nachmittags einen Spaziergang absolvieren. Jetzt sind die beiden 16 Tage nicht mehr vor der Tür gewesen. Und was mich betrifft, so habe ich bereits die Einnahme meiner Medizin auf eine Dosis jeden zweiten Tag reduziert, aber sie reicht nur noch bis morgen. Soll ich das Krankenhaus aufsuchen? Ich zögere.

      Im Video, das ich gerade gesehen habe, begleiten acht Fahrzeuge mit Wuhaner Bürgern Li Wenliang auf seinem letzten Weg. Die Zahl acht symbolisiert die acht polizeilich verwarnten Personen. Sie alle haben Tränen in den Augen und heisere Stimmen. Nicht alle Menschen sind aus Eisen, nicht alle Menschen sind fähig, immer rational zu bleiben. Ich fürchte, in der vor uns liegenden Zeit wird die Zahl von Wuhanern mit psychischen Problemen steigen, sie bedürfen der Unterstützung und Anleitung durch Fachleute. Der schwarze Humor der Witzemacher wird ein so ernsthaftes Problem nicht mehr lösen können.

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Der Kampf gegen die Epidemie hält an, und auch wir müssen durchhalten

      Heute ist Laternenfest. Ursprünglich gingen wir davon aus, dass es der Tag des Wendepunkts sein würde, jetzt ist klar, dass das nicht der Fall ist. Der Kampf gegen die Epidemie hält an, und wir müssen durchhalten. Und da wir schon mal in unsere vier Wände eingesperrt sind, werde ich auch diese Tage noch dokumentieren. Ich schreibe Blogeintrag um Blogeintrag, und Blogeintrag um Blogeintrag wird gelöscht, ich schreibe trotzdem weiter. Viele Bekannte und Freunde rufen mich an und alle ermuntern mich, auf keinen Fall den »Stift« aus der Hand zu legen. Wir stehen hinter dir! Es gibt auch Freunde, die sich Sorgen um mich machen und befürchten, ich könnte in Schwierigkeiten geraten. Keine Sorge! Ich sage ihnen zum Spaß, wenn es damals die Parteivertreter im Untergrund auch unter größten Schwierigkeiten geschafft haben, ihre Berichte zu übermitteln, müsste es jetzt, mit einem derart entwickelten Internet, doch immer möglich sein, eine Nachricht loszuschicken. Davon abgesehen, ist unser Gegner jetzt das Virus. Ich stehe hundertprozentig hinter der Regierung, unterstütze jede ihrer Aktionen und helfe ihr, jene zu überzeugen, denen es an Verständnis mangelt. Wir unterscheiden uns lediglich in der Methode. Womöglich lasse ich im Prozess des Schreibens gelegentlich ein paar mehr Emotionen aufblitzen, aber damit hat es sich.

      Man muss konstatieren, dass sich die gegenwärtige Lage, verglichen mit den letzten Wochen, sehr verbessert hat. Die Stadtbezirke, die Viertel und die Einheiten arbeiten sehr gewissenhaft und gründlich. Gestern erhielt ich einen Anruf vom Stadtviertel mit der Anfrage, ob ich Fieber hätte und wie viele Personen sich in meiner Wohnung aufhielten. Heute rief mich auch der junge Li an, der im Verband die Stellung hält, und erkundigte sich nach meinem körperlichen Befinden und meinem Wohlergehen. Und Kollegen, die mitbekommen haben, dass mir die Medizin ausgeht, bieten sich an, für mich im Krankenhaus Nachschub zu besorgen.

      Traurig stimmt mich heute die Nachricht meines ältesten Bruders, dass ein hervorragender Professor seiner Hochschule gestorben ist, mit gerade mal 53 Jahren. Was für ein Verlust. Der Rektor der Universität Li Peigen schreibt in seiner SMS, er sei ein unermüdlich arbeitender Kollege gewesen, habe oft im Büro genächtigt, ein Akademiker mit breitem und solidem Wissen. Ach, ich hoffe, er hatte einen sanften Tod, ruhe er in Frieden.

      Der Himmel hat im Vergleich zu gestern aufgeklart. Am Nachmittag raffe ich all meinen Mut zusammen und mache mich auf den Weg zum Krankenhaus, ich darf die medizinische Behandlung meiner Diabetes nicht unterbrechen. Die Ambulanz ist geschlossen, doch mit Hilfe des zuständigen Arztes erhalte ich von der Arzneimittelausgabe meine Medizin. Im Krankenhaus sieht man viel weniger Leute als üblich, auch den Parkplatz habe ich noch nie so leer gesehen. Ein großer Transporter hält vor dem Eingang von Gebäude Nr. 4, er hat Spendengüter von auswärts geladen. Viele Leute beteiligen sich beim Entladen, man kann Ärzte und Arbeiter nicht unterscheiden. In der Empfangshalle warten die Krankenschwestern in einer Schlange vor den Liften, jede hat einen kleinen Transportkarren vor sich, beladen mit Obst und anderen Nahrungsmitteln – offensichtlich von überall her eingetroffene Spenden, die vermutlich zur Verteilung an Patienten in die oberen Stockwerke transportiert werden sollen. Man sieht wenige Patienten, es sind vor allem eilig umherlaufende Mitarbeiter des Krankenhauses unterwegs. Auf meine diesbezügliche Frage erhalte ich zur Antwort, sie seien hauptsächlich im Kampf gegen die Epidemie eingesetzt. Ja, das ist wohl momentan unser aller wichtigstes Geschäft.

      Auf den Straßen nach wie vor strikteste Ordnung. Man sieht nur vereinzelt Autos und Passanten. Ich beobachte ein wenig und stelle fest, dass die meisten Leute sich in drei Kategorien einteilen lassen: erstens die jungen Burschen, die Essen transportieren. Sie radeln nach wie vor auf ihren Transportfahrrädern und sind auf allen Straßen zu sehen. Zweitens die Polizisten, sie stehen zumeist an den Straßenkreuzungen, einige auch am Klinikeingang. Es ist bitter kalt, hier im Freien zu stehen ist weiß Gott kein Vergnügen. Das Leben der einfachen Polizisten ist strapaziös, bei ihren tagtäglichen dienstlichen Obliegenheiten haben sie es mit Personen aller Schichten tun. Man hat mir erzählt, dass sie nun auch zur Stelle sind, wenn Erkrankte auf dem Rücken Treppenhäuser hinunter getragen werden müssen, weil sie nicht mehr in der Lage sind, selbst zu gehen. Eine auf diese Weise transportierte Person war gestorben, als der Polizist unten anlangte. Er konnte die Tränen nicht zurückhalten.

      Die dritte Gruppe sind die Straßenkehrer. Sie sind wirklich phantastisch. Es gibt zwar kaum Passanten und keinen Müll am Straßenrand, nur ein paar herabgefallene Blätter. Aber sie sind extrem pflichtbewusst, fegen gewissenhaft die Straßen und halten die gesamte Stadt sauber. Seit Beginn der Epidemie üben sie vor unseren Augen in aller Gelassenheit ihre Tätigkeit aus. Sie sind die am wenigsten Sicht- und Hörbaren von allen, aber sie sorgen ständig für den ruhigen Herzschlag unserer ganzen Stadt.

      Die neuesten Berichte melden, dass die Epidemie in den anderen Provinzen am Abflauen ist, die Kurve zeigt nach unten. Hubei ist dagegen nach wie vor im Ausnahmezustand. Die Zahl der bestätigten Erkrankungen und der Verdachtsfälle steigt weiter, es handelt sich vor allem um Personen, die sich in der Frühphase infiziert haben, als die Situation außer Kontrolle war. Jetzt funktionieren die Behelfskrankenhäuser, das zeigt allmählich Wirkung. Deshalb sind die Leute weniger panisch, nur niedergeschlagen. Mit der Verbesserung der Verhältnisse in den Behelfskrankenhäusern beginnen sich die Patienten an die Lebensumstände dort zu gewöhnen. Ich habe heute eine schöne kleine Geschichte gelesen: Ein junger Mann wird in ein Behelfskrankenhaus eingeliefert und kommt mit seinem Bettnachbarn, einem alten Herrn, ins Gespräch. Als der alte Herr erfährt, dass er noch keine Verlobte hat, bietet er an, ihm eine Kandidatin vorzustellen. Auch sie befindet sich im Behelfskrankenhaus, und die beiden jungen Leute kommen auf diese Weise zusammen. Titel der Geschichte: »Eine Liebesgeschichte in der Behelfskabine«.

      Man hat mich vor einiger Zeit gebeten, den Vorschlag zu unterstützen, angesichts der Lage in Wuhan die Große Gala des Zentralfernsehens CCTV zum Laternenfest abzusagen. Ich bin gegen diesen Vorschlag. Die Bewohner von Hubei befinden sich zwar in einem Seuchengebiet, aber wir müssen auch an die Menschen in anderen Landesteilen denken, für die das nicht zutrifft. Das gesamte Volk hat ein Anrecht auf ein normales

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