Windmühlentage. Katrin Köhl
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Читать онлайн книгу Windmühlentage - Katrin Köhl страница 17
»Ich weiß nicht, ob ich dich tragen kann. Na, versuchen wir es.«
Sie nahm ihn hoch und setzte ihn auf ihre Hüfte. Er war schwerer als sie gedacht hatte. Der Kleine gluckste. Dann steckte er den Daumen in den Mund, kuschelte sich an Evas Seite und schloss die Augen. Eva ging zurück in die Küche und setzte sich vorsichtig auf einen Stuhl.
»Ihr habt schon Freundschaft geschlossen. C’est formidable!«
Florence lehnte an der Küchenanrichte. Sie nahm einen Schluck aus einem Kaffeebecher.
»Ich habe eben mit Patrycja gesprochen. Du kannst für die nächsten Tage in ihr Zimmer ziehen. Sie ist erst in zwei Wochen wieder da.«
Eva fühlte, wie ihr Herz klopfte.
»Danke, dass ihr mich aufnehmt.«
Ihre Hand zitterte leicht, als sie Grischa übers Haar strich. Der Kleine hatte sich auf ihrem Schoß zusammengerollt und war eingeschlafen.
Im Hotel nahm Eva das neue schwarze Kleid aus der Tüte und hängte es auf einen Bügel. Sie strich über den fließenden Stoff, fühlte die glitzernden Perlen und Pailletten. Dann zog sie sich aus und ging ins Bad. Unter der Dusche dachte sie an die vergangenen Stunden. An die Menschen, die sie in dieser kurzen Zeit kennengelernt hatte. Frau della Ponte, Alla, Olga, Tolja und Maxim. Florence und Grischa. Zwei Tage. Es kam ihr vor, als wäre sie schon viel länger in Zürich. Sorgfältig drehte sie ihre Haare auf, cremte sich mit der duftenden Rosenlotion ein, begann, sich anzuziehen. Zuletzt föhnte sie die Haare, kämmte sie und steckte sie hoch. Sie hatte zu Hause einmal in einer Zeitschrift eine Hochsteckfrisur gesehen, die ihr besonders gut gefiel. Daraufhin hatte sie vor dem Spiegel geübt, bis das Ergebnis so aussah wie auf dem Bild. An dem Abend war sie allein im Haus gewesen. Bernd war direkt vom Büro zu irgendeiner Demo aufgebrochen. Immer wieder im Verlauf des Abends ging sie zum Spiegel und bewunderte ihre schöne Frisur. Bevor ihr Vater nach Hause kam, zog sie alle Nadeln wieder aus dem Haar und band sich schnell ihren üblichen Pferdeschwanz. Jetzt nahm sie vorsichtig Locke für Locke, steckte sie fest und betrachtete das Ergebnis kritisch im Hotelspiegel. Zum Schluss befestigte sie noch die rote Blumenspange an einer Seite über dem Ohr. Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu. Die träge Schwerfälligkeit, die sie am Morgen gespürt hatte, schien verschwunden. Sie fühlte zwar die Anstrengung des Tages, hoffte, dass sie in der Oper nicht zu müde würde. Aber was sie im Spiegel sah, gefiel ihr. Es gab ihr das Gefühl, lebendig zu sein, sinnlich, weiblich, begehrenswert. So hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Halb acht. Sie musste nach unten.
Die alte Dame stand schon in der Lobby. Sie trug einen langen schwarzen Samtrock und eine taillierte dunkelgrüne Seidenjacke darüber. An ihrer Hand baumelte ein winziges, perlenbesticktes Täschchen. Als sie Eva erblickte, strahlte sie.
»Mein Kompliment! Sie sehen bezaubernd aus. Und so eine hübsche Frisur!«
»Das Kleid habe ich heute Morgen gekauft. Für einen Opernbesuch muss man sich doch feinmachen.«
Frau della Ponte nickte ihr zu.
»Ich teile Ihre Meinung absolut. Es ist eine Unsitte, dass manche Leute jetzt schon in Jeans in die Oper gehen!«
Sie wies zur Eingangstür und winkte Eva, ihr zu folgen.
»Kommen Sie, meine Liebe. Ich glaube, unsere Taxe ist da.«
Schon als sie vor der Oper die Stufen nach oben stiegen, wurden sie von mehreren Leuten gegrüßt. Im Foyer kamen zwei Paare mit Sektgläsern auf sie zu.
»Frau della Ponte! Wie schön, Sie wieder einmal in Zürich zu sehen. Und in so charmanter Begleitung. Guten Abend.«
Frau della Ponte stellte Eva als Bekannte aus Deutschland vor. Sie wechselte ein paar Belanglosigkeiten mit den zwei Frauen, erkundigte sich bei den Männern nach dem Gang der Geschäfte. Man war sich einig, dass der Sommer ungewöhnlich heiß, die Zeiten allgemein schwierig und die Exportmärkte China und Indien genau im Auge zu behalten seien.
Dann wünschten sich alle einen guten Abend und die beiden Paare flanierten weiter, um die nächsten Bekannten zu begrüßen. Die alte Dame beugte sich zu Eva.
»Präzisionsmessgeräte und Tauchausrüstung. Zwei Traditionsunternehmen, wir kennen uns schon lange. Die Frauen sind zwei der wichtigsten Society-Ladies hier. Die wollten wissen, ob die Familie Nachwuchs erwartet. Das hätte schönen Stoff für Klatsch und Tratsch abgegeben. Möchten Sie etwas trinken?«
»Nein, danke, vielleicht in der Pause.«
Eva hatte Angst, dass sie während der Vorstellung zur Toilette musste. Sie hoffte, dass sie bis zur Pause durchhielt. Das letzte Mal war sie mit Ruben vor drei Monaten in der Oper gewesen, da war ihr das Sitzen gegen Ende des ersten Aktes schon unbequem geworden. Es läutete. An der Seite von Frau della Ponte betrat Eva den Saal. Unter dem großen Kronleuchter, umgeben von Goldschnörkeln und dem roten Samt der Sitze, fühlte sie sich in ihrem Kleid wie bei einem Galaempfang. Ihre Plätze waren im Parkett, achte Reihe. Eva strahlte. Noch nie hatte sie in der Oper auf einem so guten Platz gesessen. Die Karte war sicher sehr teuer gewesen. Bei den ersten Akkorden der Ouvertüre vergaß sie ihre Angst, zur Toilette zu müssen. Gebannt blickte sie zur Bühne, als sich der Vorhang öffnete. Sie dachte an Ruben. Was würde er zu dem Bühnenbild sagen? Er selbst arbeitete gerade mit an den Kulissen für eine opulent ausgestattete Inszenierung von Carmen. Eva nahm sich vor, ihn anzurufen und ihm von ihrem Abend in der Oper zu erzählen.
Nach der Vorstellung lud Frau della Ponte Eva ein, mit ihr noch ein Gläschen zu trinken. Sie kenne ein vorzügliches kleines Restaurant ganz in der Nähe. Eva folgte ihr. Die Aufführung war wundervoll gewesen, sie wollte noch nicht zurück ins Hotel.
»Wie hat es Ihnen gefallen, meine Liebe?«
Frau della Ponte hatte Rotwein bestellt, Eva ein Glas Orangensaft.
»Es war ein wundervolles Erlebnis.«
»Die Ouvertüre war fast ein wenig zu schnell. Finden Sie nicht auch? Ich bin gegen diesen Trend, alles so schnell wie möglich zu spielen. Es tut der Musik nicht gut. Aber die Susanna war fabelhaft!«
Eva stimmte ihr zu. Sie hatte die Aufführung von der ersten bis zur letzten Minute genossen. Sie nahm einen Schluck Orangensaft und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Eine wohlige Müdigkeit überkam sie. Die alte Dame holte ein akkurat gebügeltes Taschentuch aus ihrer Tasche und schnäuzte sich die Nase.
»Morgen fahre ich wieder nach Basel zurück. Muss mich um den Hund kümmern und schauen, was die Geschäfte machen.«
Sie zwinkerte Eva zu.
»Mein Sohn hat es natürlich nicht so gern, wenn ich mich immer noch einmische. Aber ganz lassen kann ich es nicht. Fast dreißig Jahre an der Spitze eines Unternehmens, da geht man nicht einfach in den Ruhestand.«
»Sie sind extra wegen der Oper nach Zürich gefahren?«
Frau della Ponte drehte ihr Weinglas in den Händen, nippte daran.
»Ich habe mit meinem Mann hier gelebt. An unserem Hochzeitstag sind wir immer in die Oper gegangen.«
Die Ältere lächelte, dann schüttelte sie den Kopf.
»Mein Mann war Arzt am Klinikum. Nie hat er sich