Abenteuertour Afrika. Walter Odermatt
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Nicht selten hörten wir die kritischen, sicherlich gut gemeinten Worte unserer Freunde: »Wollt ihr denn alles einfach so aufgeben? Ein gut gehendes Geschäft, euer Haus, die Sicherheit und Geborgenheit einer gut funktionierenden Sozialstruktur? Wie steht es mit den Finanzen, der Altersvorsorge? Ganz zu schweigen von den Gefahren!«
Dieser Traum, den wir da hatten, ist auch eine zwischenmenschliche Herausforderung. Man ist praktisch 24 Stunden pro Tag auf engstem Raum mit seinem Partner zusammen. Das heißt, man muss Kompromisse eingehen und bereit sein, sich Problemen zu stellen. Man kann nicht wie zu Hause einfach die Tür zuknallen – denn dann steht man im Regen.
Doch es gibt immer einen Grund, es trotzdem zu tun. Let’s go! Packen wir’s an! Starten den Motor und los gehts!
KAPITEL 2
Panamericana – Wie alles begann
Dreieinhalb Jahre fuhren wir, von 2009 bis 2012, quer durch Nord-, Mittel- und Südamerika. Wir standen ehrfürchtig vor den riesigen Eisbergen in Twillingate, Neufundland, ruderten mit unserem Kanu den Yukon hinunter, flohen vor angriffslustigen Bären in Alaska, wanderten durch die Nationalparks der USA, lernten Kite-Surfen in Mexiko, büffelten Spanisch in Guatemala, tauchten mit Haien auf der Insel Roatan in Honduras und bestiegen aktive Vulkane in Nicaragua, bis wir schließlich unser Fahrzeug von Panama nach Kolumbien verschifften.
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Unsere beginnt mit einem Traum und viel Sehnsucht im Gepäck.
Auf diesem Teilabschnitt gibt es keine Straßen. Ein undurchdringlicher Sumpf hat bisher sämtliche Bestrebungen eines durchgehenden Verkehrsweges zunichtegemacht. So blieb uns nichts anderes übrig, als unser Fahrzeug nach Kolumbien zu verschiffen.
Was hörten wir nicht alles über dieses Land: Kokain-Kartelle, Gangsterbanden, Waffenschmuggel, Bürgerkrieg, Entführungen … Trotzdem, wir freuten uns auf den neuen Kontinent. Doch manchmal fragten wir uns: Ist es ein Wagnis? Zweifellos. Zuviel Risiko? Vielleicht.
Doch was blieb, sind all die guten Erinnerungen an die lieben Menschen und die fantastische Landschaft. Alle Länder, alle Wochen, alle Tage waren anders und der Reiz einer solchen Reise liegt nun mal in der Abwechslung. – Ist es nicht so, dass in jedem von uns ein ungeheures Feuer nach ungewöhnlichen Erlebnissen brennt?
Getriebe-Problem im bolivianischen Dschungel
Unser geländegängiges Fahrzeug hatte sich bestens bewährt. Einmal allerdings, mitten im bolivianischen Dschungel, gab das Getriebe den Geist auf. Versuche, es vor Ort zu reparieren, scheiterten, weshalb wir uns entschlossen, ein neues Getriebe aus der Schweiz zu importieren. Dieser Schritt war nötig, da es in ganz Südamerika kein Dieselgetriebe für unseren Landcruiser gab.
Als zusätzliche Herausforderung stellten sich die komplizierten Zollformalitäten in La Paz sowie der Transport vom 4000 Meter hoch gelegenen Flughafen zu uns ins 24 Stunden entfernte Dschungeldorf Rurrenabaque heraus. Diese Panne sorgte zusätzlich dafür, dass die Aufenthaltsgenehmigung für das Fahrzeug ablief und wir nicht mehr aus Bolivien ausreisen konnten.
Wie der Zufall so spielt, lernten wir im letzten Moment, bevor das Wohnmobil konfisziert wurde, einen Zöllner kennen, der uns gegen ein kleines Entgelt weiterhalf. Er fälschte ein Ausreiseformular, damit wir via Paraguay nach Argentinien weiterreisen konnten.
Dieses kleine Beispiel zeigt: Reisen ist nicht immer Dolce far niente. Reisen kann anstrengen sein und einen an den Rand der Verzweiflung bringen. Doch letztlich gibt es immer einen Weg.
Eines der vielen Highlights von Südamerika ist gewiss die alte Inkastadt Machu Picchu. Sie liegt terrassenförmig auf einem Bergrücken auf 2360 Meter Höhe, ist eingebettet zwischen hohen Andengipfeln und besticht durch ihre spektakuläre Lage. Nur ein schmaler Bergpfad verbindet die Ruinenstadt mit der einstigen Hauptstadt des Inkareiches Cusco.
Zu unseren Lieblingsländern zählt Chile. Das Faszinierende an diesem Land sind seine unterschiedlichen Klimazonen: im Norden die trockene Atacama-Wüste, wo es seit Menschengedenken nicht mehr geregnet hat, dann die lieblichen Weinanbaugebiete im zentralen Teil und die mächtigen Gletscher und Fjorde Patagoniens im Süden.
In Chile haben wir per Zufall den Extrembergsteiger und Weltumsegler Hans Saler kennengelernt. Er war mit Reinhold Messner und einer Crew von Bergsteigern und Träger bei der verhängnisvollen Besteigung des Nanga Parbat im Himalaja dabei, wo Messners Bruder Günther unter bis heute unklaren Umständen ums Leben kam. Aus einem Tag bei den Salers wurden zehn. Jeden Tag hatte Hans eine neue Geschichte aus seinem abenteuerlichen Leben auf Lager.
Eigentlich sind wir auf Reisen gegangen, um Fauna und Flora zu bewundern, doch die prägendsten Eindrücke haben stets die Menschen hinterlassen. Dabei ist es wichtig, genügend Zeit für Spontanität zu haben.
Nach dreieinhalb Jahren haben wir den Kontinent verlassen. Von Uruguay verschifften wir unser Fahrzeug nach Deutschland und fuhren zurück in die Heimat.
Es ist ein Geschenk, ein Zeitnomade sein zu können. Mit den eigenen vier Rädern konnten wir die Welt aus einer anderen Perspektive und mit andern Augen betrachten und dafür sind wir unendlich dankbar. Doch unsere Wurzeln sind und bleiben trotz allem immer in der Schweiz.
Die Seidenstraße
Zwei Jahre nach unserer großen Reise durch Nord- und Südamerika hieß es wieder Abschied nehmen. Genau wie das letzte Mal fiel uns das Lebewohlsagen sehr schwer.
Über die Balkanländer gelangten wir nach Griechenland, bestaunen Athens bedeutendsten Tempel, die Akropolis, und fuhren weiter nach Istanbul. Hier begann für uns die eigentliche Seidenstraße. Istanbul oder Konstantinopel wird seit alters her als Tor zum Orient bezeichnet, als Schmelztiegel europäischer und orientalischer Kultur.
Im Iran lernten wir Behrooz und seine Frau Nazanin kennen, die wir fünf Jahre später erneut auf unserer Heimreise besuchten. Es ist interessant, wie sich das Land mit seinen Bewohnern in dieser Zeit verändert hat.
Wir verließen Usbekistan und fuhren in eine märchenhaft schöne Gebirgslandschaft mit Blick auf schneebedeckte Gipfel und türkisblaue Seen. Unser Suri wand sich langsam durch enge Schluchten und unsere Blicke hingen wie gebannt an den gewaltigen Bergmassiven des Pamirs, dem zweithöchsten der Welt: Wir befanden uns in Tadschikistan.
An Hochgebirgsseen und korrupten Polizeikontrollen entlang führte unsere Reise schließlich zum legendären Baikal-See, dem tiefsten und wasserreichsten See der Welt.
In der Mongolei angekommen, tuckerten wir über Edelweiß-Wiesen, wo wir bei den Jurten immer wieder von Nomaden zu Stutenmilch eingeladen wurden. Dieses Land ist ein Camper Paradies. Man braucht nur abzubiegen und schon ist man mutterseelenallein mitten in der Steppe.
Das genaue Gegenteil erwartete uns anschließend in China. Über eine Milliarde Menschen leben hier im Reich der Mitte. Hier muss man die vier M schon lieben, das heißt: Man muss Menschen mögen, denn von diesen gibt es reichlich. Doch außer Menschen hat China noch einiges zu bieten, erwähnt seien hier nur die große Mauer, die eine Gesamtlänge von über 10.000 Kilometern hat, die Terrakotta-Armee in Xi’an oder die Yuanyang-Reisterrassen in den südlichen Ailo-Bergen. Aber es gäbe noch sehr viel mehr anzufügen.