terrane Manifestationen. Klaus Paschenda

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terrane Manifestationen - Klaus Paschenda

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Küche kam es ihr in den Kopf:

      ‚Verschränkte Photonen.6 Das muss ich ja auch noch halbwegs allgemeinverständlich in die Köpfe bringen. Im alltäglichen Leben sehen wir die Verschränkung nicht, diese schon etwas unheimliche Verbindung zwischen zwei Lichtteilchen.‘

      Geniè wühlte sich durch Texte, stolperte über Physiker wie Einstein und Bohr, aber eine anschauliche Erklärung für das, was hinter dieser wunderlichen Eigenschaft stand, war nicht zu finden.

      ‚Der Normalverstand schien ungeeignet. Vermutlich waren die höheren Weihen der physikalischen Päpste erforderlich.Aber die schienen sich in der Sache auch nicht alle einig zu sein.‘

      Sie beschloss, das nochmals mit den anderen zu diskutieren.

      5 ‚La Ferme‘ aus dem Französischen übersetzt bedeutet Bauernhof oder auch Bauerngut.

      6 Sind zwei Teilchen so miteinander verbunden, dass eine Zustandsänderung des einen Teilchens direkt eine Zustandsänderung des anderen Teilchens verursacht, nennt man diese beiden Teilchen verschränkt. Dabei spielt weder die Entfernung noch der zeitliche Abstand zwischen den beiden Teilchen eine Rolle. Befindet sich eines der beiden Teilchen in irgendeiner anderen Galaxie und das andere auf der Erde, wird keine Zeit für die Übertragung der Verschränkung benötigt. (Stand 2018)

      3 Tische

      Geneviève versuchte sich entspannt hinzusetzen, scheiterte jedoch wieder an Platz und Härte. Für eine Größe von 1,87 Metern waren die Sitzabstände nicht geplant. Warum mussten sich die Airlines mit ihren Sitzen an den Folterstühlen der Hexenverhöre orientieren? Zugegeben, die Nägel fehlten, aber das machte die Sache auf einem Transatlantikflug nicht angenehmer.

      Sie hatte sich im Freizeit-Look gekleidet. Die dunkelblaue Jeans betonte ihre schlanke Figur. Nur der kaffeebraune Rollkragenpulli harmonierte nicht hundertprozentig mit der schwarzen Haarpracht, doch egal, bequem hatte heute Vorrang.

      Toronto war besser gelaufen, als sie alle erwartet hatten. Die Nachricht ‚Habe Vater gefunden‘ war schon durch. Es war nicht ganz einfach gewesen, die Investoren zu überzeugen, aber auf der Basis der Publikationen ihres Bruders Maxim im Umfeld der Verschränkungstheorien hatten sich Konsorten aus Physikern und Geschäftswesen fangen lassen. Physiker sind immer neugierig. Die hatte man gleich in der Tasche. Ihre Schwester Marie, das mathematische Genie der Familie, vertrat die These, dass die bisher bekannten Eigenschaften der Verschränkung nur der Gordische Knoten an den Tempeltüren eines neuen Weltbildes seien. Aber das behielten sie für sich, das war die Zukunft von La Ferme. Mit der Verschränkung waren Physiker und Techniker auf der ganzen Erde gut beschäftigt, sollten die erst einmal das verstehen.

      Dagegen tickten die Geschäftswesen völlig anders. Es gab nichts außer ungezügelter Macht- und Geldvermehrung, das erste Gebot der heutigen Zivilisation. Sie hielt das für schwachsinnig.

      Mit einem ungewöhnlichen Manöver war es Geniè gelungen, diese zu vereinnahmen. Schon als Schülerin hatte sie sich mit der Deutung physikalischer Phänomene auseinandergesetzt. Ein alter Lehrer hatte sie auf Bertrand Russell und dessen Beobachtungen zum Sehen eines Tisches hingewiesen.7 Zunächst hatten sich die Geschäftswesen bei der Präsentation wie ungläubige Geister angeschaut, als Geniè begann, aus einem Buch vorzulesen. Das ging während einer Businesspräsentation doch nicht! Wo waren denn da die Punkte, die zu Geld führten? Aber sie las vor:

      Es scheint mir, daß ich jetzt auf einem Stuhl sitze, an einem Tisch von bestimmter Gestalt, auf dem ich beschriebene oder bedruckte Papiere sehe. Wenn ich meinen Kopf drehe, sehe ich vor dem Fenster Gebäude, Wolken und die Sonne. Ich glaube, dass die Sonne etwa 150 Millionen Kilometer von mir und der Erde entfernt ist, daß sie eine heiße Kugel und sehr viel größer als die Erde ist, daß sie dank der Erdumdrehung jeden Morgen auf- und noch bis in die ferne Zukunft aufgehen wird. Ich glaube, daß, wenn irgendein anderer normaler Mensch in mein Zimmer kommt, er dieselben Stühle, Tische, Bücher und Papiere sehen wird, die ich auch sehe, und dass der Tisch, den ich sehe, derselbe ist wie der Tisch, dessen Druck gegen meinen aufgestützten Arm ich spüre.

      Es lohnt sich eigentlich kaum, dies alles so ausdrücklich zu betonen, außer wenn ich es mit jemandem zu tun habe, der zweifelt, ob ich überhaupt etwas weiß. …

      Obwohl ich glaube, daß der Tisch ‚in Wirklichkeit‘ überall die gleiche Farbe hat, sehen die Stellen, die das Licht reflektieren, viel heller aus als die übrigen, einige Stellen erscheinen in Folge des reflektierten Lichts sogar weiß. Ich weiß, daß andere Stellen das Licht reflektieren werden, wenn ich mich bewege; die scheinbare Verteilung der Farben auf dem Tisch wird sich bei jeder Bewegung, die ich mache, verändern. …

      Aber die anderen Farben, die unter anderen Verhältnissen erscheinen, haben ein ebenso gutes Recht, für ‚wirklich‘ genommen zu werden, und deshalb müssen wir - um den Verdacht der Begünstigung zu vermeiden – leugnen, daß der Tisch, für sich genommen, irgendeine bestimmte Farbe habe.

      Dasselbe gilt für die Struktur der Oberfläche. Mit dem bloßen Auge kann man sehen, wie die Fasern des Holzes verlaufen, aber im Übrigen sieht der Tisch glatt und eben aus. Wenn wir ihn durch ein Mikroskop betrachteten, dann würden wir

      Unebenheiten bemerken, Erhöhungen und Vertiefungen und allerlei Unterschiede, die für das bloße Auge unsichtbar sind. Wann sehen wir den ‚wirklichen‘ Tisch?

      Mit der Gestalt des Tisches steht es nicht besser. Wir haben alle die Gewohnheit, Urteile über die ‚wirkliche‘ Gestalt von Dingen abzugeben, und wir tun das so gedankenlos, daß wir uns einbilden, wir sähen tatsächlich die wirklichen Gestalten. Aber wenn wir versuchen, etwas zu zeichnen, müssen wir alle lernen, daß ein bestimmter Gegenstand von jedem Blickpunkt aus eine andere Gestalt hat. Wenn unser Tisch ‚in Wirklichkeit‘ rechtwinklig ist, wird er von fast allen Blickpunkten so erscheinen, als ob seine Platte zwei spitze und zwei stumpfe Winkel hätte. …

      Der wirkliche Tisch – wenn es einen gibt – ist uns überhaupt nicht unmittelbar bekannt, sondern muß etwas sein, dass aus dem uns unmittelbar Bekannten erschlossen worden ist.8

      Wie vermutet, war dann in einer Spontanphase allerlei an wirren und weniger wirren Gedanken aus den Köpfen der Zuhörer hervorgestoben. Nach Kaffee und Luftholen musste sie den Geschäftlern versprechen, die Lösung für das Tischproblem zu liefern. Nur eine junge Dame mit einem ziemlich langen, komplizierten Nachnamen blieb ruhig und schrieb die eine oder andere Notiz auf ein hochwertiges Tablet. Die Investoren hatte sie als Wirtschaftsjuristin vorgestellt. Den wohl griechischen Namen Konstantineopulos konnte man sich kaum merken. Sie war die Einzige, die das Geschehen wie teilnahmslos verfolgte. Ihre Augen funkelten in einem dunklen Türkis. Geneviève war sicher, dass sich dahinter ein Vulkan verbarg, der, falls notwendig, alles vorhandene mit Lava bedecken würde. Also Vorsicht, denn eine gute Lösung zum Tischproblem hatte Geniè nicht. Sie wusste nur, dass vor Jahren in Deutschland jemand einen brauchbaren Workaround9 entwickelt hatte.

      Der ‚wirkliche Tisch‘ war aber nur ihre Einleitung zur Funktion des ZTT. Was im Kopf des Herrn Russell vorgegangen war, hatte sie in die Technik übertragen:

      „Nehmen Sie an, eine Person, ich nenne sie Alice, macht ein Foto von dem Tisch. Alice registriert, fotografiert diese, ihre spezielle Sicht des Tisches. Die anderen Sichtweisen bleiben erhalten und könnten von Bob, Charlie oder wem auch immer erfasst werden. Nur die Sichtweise von Alice ist blockiert, denn sie steht ja da mit ihrer Kamera. Ihre Position kann kein anderer einnehmen. Jetzt vereinfachen wir das System: Der Tisch steht so, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, ihn zu fotografieren.“

      Um das Gesagte bezüglich zweier Sichtweisen zu veranschaulichen, zeigte sie eine Grafik. Ein

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