Im gleißenden Licht der Sonne. Clare Clark
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Im gleißenden Licht der Sonne - Clare Clark страница 19
Matthias war zu früh dran. Julius sah ihn von der Galerie aus, wie er an der Tür zum Morgensalon lehnte, die Hände in den Hosentaschen. Über die Schulter lächelte er Julius zu, der quer durch die Halle auf ihn zukam.
»Ich habe dich warten lassen, tut mir leid«, begrüßte ihn Julius.
»Ach wo. Das entzückende Fräulein Grüber hat mich unterhalten.«
»Das entzückende Fräulein Grüber hätte schon vor einer Stunde nach Hause gehen sollen.«
Die Stenotypistin errötete und griff nach ihrem Mantel. Im Arbeitszimmer mixte Julius Negronis und reichte einen davon Matthias.
»Wie lief es bei Ruthenberg?«, erkundigte er sich. »Wie war das Abendessen?«
»Er war sehr gastfreundlich. Das Abendessen eher … schlicht.«
»So schlicht und schwer verdaulich wie seine Bücher«, meinte Julius. Er wartete darauf, dass Matthias lachte. Doch dieser schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, Julius, ich weiß, er ist dein großer Rivale, aber ich bewundere seine Arbeit sehr. Sie hat etwas Redliches.«
Julius konnte sich nicht erinnern, dass Matthias ihm je so offen widersprochen hatte. Verärgert kippte er seinen Cocktail hinunter. »Redlich, tatsächlich? So denkst du also?«
»Ehrlich gesagt, ja. Er schreibt mit solcher Sorgfalt, solcher Genauigkeit.«
»Er schreibt wie ein Schuljunge. Er schreibt über Kunst, als ließe sie sich erklären, sich mit Konstrukten des rationalen Denkens begreifen, aber Kunst ist nicht wie Geschichte oder Physik, sie kann nicht auf Fakten oder Formeln reduziert werden. Es hat nichts Redliches, mit dem Verstand heranzugehen, Positionen gegeneinander abzuwägen. Gemälde sind keine Kartoffeln. Um über Kunst zu schreiben, muss man sich die Stimme der Kunst aneignen, voller Leidenschaft direkt die Seele ansprechen.«
Schweigen. Matthias sah ihn an, seine grünen Augen waren unergründlich. Dann lächelte er verhalten. »Ich weiß«, sagte er und umfasste seine Hände, als wollte er Julius’ Worte mit ihnen einfangen.
Matthias war in Hochstimmung. Irgendwie hatte er seinen Bruder davon überzeugen können, dass es unklug wäre, sich zu einseitig auf die Belieferung des Warenhauses zu verlassen, und dass der Handel mit moderner Kunst, mit Besonnenheit und Umsicht betrieben, ein zweites stetiges Einkommen sichern konnte. Wenn Matthias früher einmal bereit gewesen war, mit geliehenem Geld zu spielen, hatte ihm der Trübner eine gehörige Lektion erteilt. Er war nicht Händler geworden, um Geld zu scheffeln. Er wollte eine neue Galerie moderner Kunst gründen, die man ernst nehmen konnte und die von Künstlern und Käufern gleichermaßen geschätzt wurde. Gemälde für Gemälde wollte er sein Geschäft aufbauen und mit jedem Schritt ein wenig dazulernen.
»Aber in einem irrst du dich«, sagte er, als sie beim Kaffee saßen.
»Geht es schon wieder um Ruthenberg?«
Matthias lächelte. »Was ihn betrifft, hast du mich überzeugt. Ich meine das, was du einmal zu mir gesagt hast – es sei unmöglich, als Kunsthändler ein glückliches Leben zu führen.«
»Meiner Erinnerung nach habe ich gesagt, es bricht einem das Herz, sich von schönen Dingen trennen zu müssen.«
»Genau. Und ich habe befürchtet, du hättest recht. Als ich klein war, war mein Vater Diener bei …«
»Ich dachte, dein Vater ist Schmied gewesen?«
Matthias zuckte zusammen. Zu spät fiel Julius ein, dass er diese Information von Salazin hatte. Sie musste nicht stimmen, und womöglich hatte Matthias etwas dagegen, dass Julius in seinen Privatangelegenheiten herumschnüffelte. Er überlegte gerade, ob er sich entschuldigen sollte, als Matthias die Achseln zuckte.
»Ja, als ich ganz klein war. Aber nach einem Unfall mit seiner Hand hat er sich als Diener verdingt. Ich habe oft bei ihm in der Küche gesessen, während er das Silber polierte, und mir gedacht, wenn ich einmal groß bin, will ich schöne Dinge besitzen. Wann immer ich mir in Museen Gemälde ansah, wünschte ich mir so sehr, sie würden mir gehören, doch in den letzten Monaten hat sich der Drang zu erwerben, zu besitzen verflüchtigt. Ich verkaufe ein Werk, aber ich verliere es deswegen nicht. Seine Schönheit, seine Kraft bleiben bei mir, weil seine Essenz und sein Geist mit dem, was mich ausmacht … ich kann es nicht in Worte fassen, nicht so wie du. Jedenfalls stelle ich es mir vor wie bei einer Mauer nach einem heißen Tag, die Wärme ist in den Ziegeln gespeichert, auch nachdem die Luft sich abgekühlt hat …« Er verstummte, die Wangen hochrot. »Ich kann es nicht erklären. Sag mir, ich soll den Mund halten, bevor ich es noch schlimmer mache.«
Julius schwieg. Er dachte an den van Gogh, an das wilde, überschäumende Verlangen, das ihn beim Anblick dieses Bildes erfüllt hatte, an den leidenschaftlichen Wunsch, es zu besitzen, es in sich aufzusaugen, es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Er dachte an Luisas makelloses Gesicht, an die Verachtung, mit der sie ihn angesehen hatte, als wäre er der größte Fehler ihres Lebens. Deshalb hast du mich doch ausgesucht, als weiteres Ausstellungsstück für dein verdammtes Museum!
Matthias trank seinen Kaffee aus und stellte die Tasse auf den Unterteller zurück. Dann lächelte er Julius schief an. »Ach ja, der Idealismus. Er ist so angenehm erschwinglich.«
Im Helldunkel des Kerzenscheins wirkte sein Gesicht wie von Caravaggio gemalt.
VIII
»Er geht Ihren Terminkalender durch.«
Julius starrte seine Haushälterin mit offenem Mund an. »Was haben Sie gesagt?«
»Herr Rachmann, wenn er hierherkommt.« Frau Lang zerknüllte das Taschentuch in ihrer Hand. Sie hatte etwas Bockiges, sogar in ihrem Bemühen, die Tränen zurückzuhalten. »Er fragt Fräulein Grüber aus, will wissen, was Sie unternehmen, mit wem Sie sich treffen. Das ist nicht recht.«
Julius musste daran denken, wie Matthias in der Tür zum Morgensalon gestanden und gelacht hatte und wie Fräulein Grüber errötet war, als er ihr eine gute Nacht gewünscht hatte. Wütend schüttelte er den Kopf. »Das reicht jetzt, hören Sie?«
»Fragen Sie doch Fräulein Grüber, wenn Sie mir nicht glauben.«
»Es reicht, habe ich gesagt. Sie werden jedem meiner Gäste den gebührenden Respekt entgegenbringen, sonst müssen wir uns über Ihre Stellung hier in diesem Haus Gedanken machen, verstanden?«
Frau Lang zog das Gesicht in Falten. Wortlos und mit unsicheren Schritten zog sie sich zurück. Julius nahm seufzend die Brille ab und rieb sich die Augen. Frau Lang war immer unmöglich gewesen, aber er hätte nicht gedacht, dass sie zu solcher Niedertracht fähig wäre. Ihre Aversion gegenüber Matthias war inakzeptabel und nichts anderes als eine giftige Mischung aus Eifersucht, Dünkel und Übellaunigkeit. Seine bescheidene Herkunft, seine Jugend, seine Offenheit, ja sogar seine tadellosen Manieren hatte sie ihm von Anfang an angekreidet. Und doch blieben ihre Vorwürfe haften, ließen sich nicht so leicht abschütteln. Eines Morgens, als Fräulein Grüber mit ihrem Stenoblock aus dem Arbeitszimmer huschen wollte, rief er sie zurück.
»Da