Der Hebräerbrief - Ein heilsgeschichtlicher Kommentar. Roman Nies
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Roman Nies
Der Hebräerbrief
Ein heilsgeschichtlicher Kommentar
© 2020 Roman Nies
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback: | 978-3-347-13133-0 |
Hardcover: | 978-3-347-13134-7 |
e-Book: | 978-3-347-13135-4 |
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
Einführung
Das große Erbe
Ein Kampf ums Heil
Die Selbstoffenbarung Gottes
In die Ruhe eingegangen
Das Bessere ist die Reife
Christus ist größer als der Tempel
Neuer Bund und Gemeinde Jesu
Glauben oder Gericht
Exkurs: Die humanistische Endzeitgesellschaft
Lichtwelt und Gerichtswelt
Glaubenswerk ist Gotteswerk
Abel, Kain und Rahab – reine Glaubenssache
Durch das Kreuz zum wahren Leben
Erziehung zu Gerechtigkeit, Vollkommenheit und Frieden
Warten auf Zion
Näherkommen und Bleiben bei Gott
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Einführung
Wenn man den Hebräerbrief auf sich einwirken lässt, gewinnt man den Eindruck, dass der Verfasser die Glaubensfelle der christlichen Gemeinschaft, die er anschreibt, wegschwimmen sieht. Im Blick auf das Ziel des Glaubens hätte der Verfasser viel vorzutragen, aber „es lässt sich schwer darlegen, weil ihr im Hören träge geworden seid.“ (Heb 5,11). Anstatt nun selber Meister der Lehre geworden zu sein, „habt ihr wieder nötig, dass man euch lehre, was die Anfangsgründe der Aussprüche Gottes sind; und ihr seid solche geworden, die Milch nötig haben und nicht feste Speise.“ (Heb 5,12)
Das ist eigentlich ein vernichtendes Urteil, denn es bedeutet, dass die angeschriebenen „Hebräer“ im Glauben Kleinkinder geblieben sind. Sie haben nur wenig oder nichts dazugelernt, seitdem sie das Licht der neuen Glaubenswelt erblickt haben. Was ist schiefgelaufen, fragt man sich? Wie konnte es so weit überhaupt kommen, dass es irgendwann einmal notwendig war, einer Gemeinde - und hier ist es nicht „eine“ Gemeinde, sondern allem Anschein nach die ganze Gemeinde Jesu Christi - nicht die Leviten, sondern die Evangelien zu lesen?
Das erinnert stark an das, was Johannes in seiner letzten Enthüllung apokalyptisch über und an die Gemeinden der Sendschreiben, real existierende Gemeinden im kleinasiatischen Raum zu seiner Zeit, zu schreiben hatte. Es ist der gleiche historische Ort und die gleiche historische Zeit, an die auch der Hebräerbrief anknüpft. Es sind Gemeinden, die noch einen starken messianisch-jüdischen Charakter haben, wie die zahlreichen Hinweise im Enthüllungsbuch des Johannes unzweifelhaft darlegen. *1
Diese Gemeinden sind wie die Hebräer, denn es sind jüdische Gemeinden. Auch sie werden gewarnt: Sie haben die erste Liebe verlassen (Of 2,4); sie haben Irrlehrer, die mit der Unwahrheit Kompromisse eingehen, unter sich (Of 2,14.15); sie dulden Götzendiener bei sich (Of 2,20); sie sind schläfrig geworden (Of 3,2.3); sie sind lau und blind geworden und bilden sich dennoch viel ein (Of 2,16.17). Ja, man denkt unwillkürlich dabei auch an heutige Kirchenvorkommnisse. Gibt es überhaupt in der Bibel auch nur einen Satz, der nicht in einer passenden Analogie jedem Menschen noch etwas zu sagen hätte? In der Bibelauslegung muss es aber zunächst einmal darum gehen, zu erfahren, was der Absender einer Nachricht einem ganz bestimmten Empfänger sagen wollte. In der Bibel gibt es jedoch immer mindestens zwei Absender. Der eine ist der Bote selbst, der Verfasser der Nachricht, der andere ist Gott.
Der Hebräerbrief wendet sich hauptsächlich an die messianischen Juden, die die Überlieferung hier richtigerweise „Hebräer“ genannt hat. *2 Zu den Hebräern gehören aber auch die nichtmessianischen Juden und ganz sicher lädt der Briefverfasser alle Juden ein, den Inhalt seines Briefes zur Kenntnis zu nehmen, denn der Brief ist ein Lehrwerk für alle Juden. Aber nicht nur das. Er ist für Nichtjuden ebenso wichtig. Ihre Adresse steht unsichtbar unter derjenigen der Hebräer. Der Brief ist von einem Juden an Juden geschrieben worden. Der Verfasser und jeder, der den Brief oder eine Abschrift davon zur damaligen Zeit weitergibt, weiß natürlich, dass ihn die nichtjüdischen Christen genauso im Umfeld der messianischen Juden zur Kenntnis bekommen werden.
Alle wichtigen Personen, die bei der Verbreitung des Evangeliums mitwirkten, waren zu jener Zeit Hebräer. Die Nichtjuden spielten in der Anfangszeit des Christentums, jedenfalls bis etwa zur Zeit der Zerstörung des Tempels, eine untergeordnete Rolle. Der Untergang Jerusalems ereignete sich unmittelbar nach der Zeit der Apostel Jesu, denn diese waren, bis auf Johannes, alle schon umgekommen und die Jerusalemer Gemeinde war auch mit dem Tempel untergegangen. Das ist kein Zufall, weil der Tempel und die Jerusalemer Gemeinde in einem engen Kontext standen.
Als sich die christliche Gemeinde weiterentwickelte, übernahmen die Nichtjuden mehr und mehr das Mehrheitszepter. Es waren dabei maßgeblich gebildete Griechen beteiligt, die schon immer in einer Art geistigen Konkurrenz zum Judentum und dessen gelehrtesten Vertreter gestanden hatten. Diese Konkurrenz, die man als hellenistisch-judäisch bezeichnen kann, wirkte auch im entstehenden Christentum weiter fort und kulminierte in der Entstehung einer nichtjüdischen Staatskirche, die von hellenistischen Denkvoraussetzungen und Glaubensvorstelllungen durchdrungen war. Die reine Lehre von Jesus oder Paulus war schnell verloren gegangen.
Von da an war das Schicksal der messianischen Juden besiegelt. Damit verschwanden auch weitgehend die biblischen Lehren des Petrus, Johannes, Jakobus und Paulus. Übrig blieb eine sonderbare Mischung von heidnischen, jüdischen und christlichen Elementen, die von allem etwas genommen hatte und es synkretistisch miteinander zum sogenannten Christentum verband. Aus diesem war das messianische Judentum ausgeschlossen und wurde zunehmend mit Feindlichkeit und Härte abgewiesen.
Zunächst beförderte der staatliche Ordnungssinn Kaiser Konstantins, der zunächst noch