Der Hebräerbrief - Ein heilsgeschichtlicher Kommentar. Roman Nies

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Der Hebräerbrief - Ein heilsgeschichtlicher Kommentar - Roman Nies

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style="font-size:15px;">      Wie gesagt, die Götter der Völker der Antike waren mächtig und einflussreich. Und das nicht nur auf dem Papier. Und ob der Gott, der Konstantin bei der Schlacht an der Milvischen Brücke ein Zeichen setzte, der Gott Israels war, nur weil er für Konstantin eine Art Kreuz erscheinen ließ, *14 ist noch lange nicht ausgemacht. Im Zeichen dieses speziellen Kreuzes wurden nach Konstantin bis in die Gegenwart noch unzählige Gräuel verübt, die man unmöglich dem Walten des Geistes Christi zuschreiben kann. Gott irrt sich nicht, auch nicht darin, wem Er Seinen Geist gibt. Auch die anderen Völker der Antike, einschließlich der Griechen und Römer, bauten ihre Tempel und Altäre. Auch sie brachten, wie die Juden, ihren Göttern Brand- und Blutopfer dar, um ihre Gunst zu erwerben. Da hat es nicht einer dem anderen nachgemacht. Ihr gemeinsamer Vorvater Noah und dessen Söhne hatten dieses Brauchtum weitergegeben (1 Mos 8,20). Vom Grundsatz her, besteht bei allen Völkern ein Verständnis dafür, dass man der höheren Macht etwas geben muss, wenn man etwas von ihr haben will. Vertrauen, Zuneigung wenn möglich, wenigstens Gehorsam. Wobei aus biblischer Sicht die Opferungen nur ein vorläufiger Hinweis dafür waren, dass die Sünden zu sühnen waren. Die Opferungen waren aber nie ausreichende Sühnungen. Diese Sühnung wurde durch ein einziges Opfer, nämlich jenes auf Golgatha geleistet.

      Man kennt schon von den irdischen Herrschern, oder vorher schon innerhalb jeder beliebigen menschlichen Gemeinschaft, dass das Zusammenleben mit wechselseitigem Geben und Nehmen funktioniert. Dem, der über einem ist, sollte man sich unterordnen. Und Gott ist der Höchste, dem man sich unterordnen muss. Das fällt umso leichter und hat noch größere Aussicht auf Erfolg, wenn man Ihn aufrichtig und nicht nur aus Berechnung verehrt und tatsächlich zu einer persönlichen Beziehung zur Gottheit kommt. Bei vielen Kulturkreisen gab es dazu einen Initiationsritus. Bei den Nachfahren Jakobs war das die Beschneidung, die einen Angehörigen Israels zu einem Volkszugehörigen machte. Auch dabei floss Blut.

      Andere Völker kannten ähnliche Riten. Sie hatten ebenso wie Israel ihre Feiertage mit bestimmten Symbolen und Funktionen. Das war alles noch nicht außergewöhnlich. Der katholischen Kirche gelang es Opfer, Blut und Gott in eine Verbindung zu bringen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Während die Anbetung JHWHs im Tempel zu Jerusalem bis zum Jahr 70 noch bekannten und üblichen Gebräuchen folgte, die mit den Riten anderer Völker vergleichbar war, führte das kirchliche Christentum eine völlig neue Form der Feier des mystischen Einsseins mit Gott ein. In der katholischen Messe wird nach dem Glauben der Katholiken ein Stück Brot in den Leib Gottes und Wein in das Blut Jesu Christi verwandelt und dann gegessen und getrunken. Ein ritueller Gottesverzehr. *15 Die katholische Kirche, die über Jahrhunderte das Außenbild der Christenheit prägte, machte aus einer Symbolik einen tatsächlichen Vollzug, der ihr dazu verhalf, Macht über die Kirchgänger zu erhalten, denn nur wer an der Messe teilnahm, war ein anerkanntes Mitglied der christlichen Gemeinschaft. Könige und Herrschaften erflehten die Zulassung an der sogenannten heiligen Messe, wenn sie sich mit dem Papsttum verfehdet hatten. *16 Ein unlösbares Geheimnis, wie Gott Seine Seinsform in die Hände des Menschen geben kann, oder die Alternative: eine frevlerische Anmaßung, wie sie größer nicht sein kann? Das soll jeder selber für sich entscheiden. Dass es jahrhundertelang strengstens verboten war, unter Androhung der Todesstrafe, diesen Ritus anzuzweifeln, spricht nicht für dessen Richtigkeit.

      Man muss erkennen, dass die „heilige Messe“ des Kirchenchristentums in der Entstehungszeit, also noch lange bevor sie dogmatisiert wurde, dem Christentum auch ein zweifelhaftes Ansehen verschaffte, obwohl es doch in jener Zeit viele Konkurrenzkulte, gab, die nicht viel weniger bizarr anmuten mussten.

      Neben Asklepios gab es im Umfeld des entstehenden Christentums zahlreiche andere Heilsgötter. Die ersten, die dagegen anzupredigen hatten, waren die Jesusjünger. Man kann die damalige Zeit mit dem 21. Jahrhundert vergleichen, wo es ebenso viele Heilsanbieter und Scharlatane, Halbweise und Medizinpraktikanten gibt. Dazu werden die alten Götter wiederbelebt, zum Teil mit neuen Namen, anderen Masken und gefälligerem Outfit, upgedated und upgeshaped.

      Zur Zeit der Entstehung des Christentums nannte Paulus diese Erscheinungsformen der Lösungsangebote für die Probleme des Lebens „stoicheion“. Das ist das Elementare, was eine Sache ausmacht. *17 Zu den „Elementen“ einer Sache gehören alle Aspekte, auch die geistigen und seelischen Implikationen. Deshalb hat auch der christliche Glauben seine „Elemente“, die ihn ausmachen. Dem stehen aber die Elemente der Welt, bemerkt und beurteilt von denen, die von Gott nichts oder nicht viel wissen oder auch nichts wissen wollen, entgegen.

      Weitere prominente Heilsversprecher stammten aus Ägypten. Dazu gehörte die ägyptische Göttin Isis, die schon seit über eintausend Jahren auch als Astarte oder Aschera *18 elementar durch die religiöse Welt zog. Davon berichtet auch die Bibel. Sie wird im Alten Testament auch „Himmelskönigin“ genannt. *19 Sie steht biblisch gesehen gewissermaßen in Konkurrenz zu Israel, denn Israel ist die wahre Himmelskönigin: „Und ein großes Zeichen erschien im Himmel: Eine Frau, bekleidet mit der Sonne, und der Mond war unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen.“ (Of 12,1), die im Buch der Offenbarung ihrem Feind entgegengesetzt wird. Das ist der Drache, der schon immer ein Israelhasser war und auch Christus und die, die Ihm angehören, versucht hat, zu verschlingen (Of 12,3-5). *20 Die antike Welt, in der das Christentum entstand, kannte also nicht nur männliche Heilande, deren bekannteste die Namen Baal, Helios, Apollo, Serapis oder Asklepios waren und für die man eine Verkörperung oder zumindest Versinnbildlichung in den Himmelskörpern Sonne, Mond, Planeten und Sterne sah. *21 Diesen männlichen Vertretern der Heilkunst wurden weibliche Ergänzungen zugesellt, die dann Isis, Astarte, Artemis, Eleusis oder Salus genannt wurden. Asklepios hatte auch eine Tochter. Hygieia hatte das Talent zu heilen, von ihm geerbt. *22

      Ganz im Widerspruch zu Paulus, der vor diesen „Elementen“ des heidnischen Glaubens warnte, nahm die spätere Kirche alle diese Elemente des heidnischen Pantheons in Ehren auf und gab ihnen nur andere Namen. Das waren die Namen der „Heiligen“. Das war praktisch, denn so wurde für die Heiden das Christentum annehmbarer und sie selber mussten wenig an ihren religiösen Gepflogenheiten ändern. Irgendwann gab es für jede Gebetsbitte und jeden Wunsch in der Kirche einen zuständigen Heiligen.

      Die Kirche ist bei dieser einfachen Methode des „Christenmachens“ geblieben wie man an den Missionsmethoden der Spanier und Portugiesen in Südamerika sehen kann. Es genügte, sich vor dem Kreuz der Kirche niederzubeugen, dann galt man als Christ. Dass man seinen alten Glauben an Lokal-, Schutz- und Wettergötter beibehielt war nicht zu beanstanden, sofern man sie Sankt Irgendwie nannte. Nicht selten machte man sich nicht einmal so viel Mühe. Man erklärte die Götzen einfach als Engel. Und so waren sie Schutzgeister geblieben und so mussten sie nicht einmal aus den Hütten, auf die man ein Kreuz aufgepflanzt hatte, vertrieben werden! Ebenso übernahm man einen Teil der kultischen Handlungen und Symbole. *23

      Man brauchte immer anstelle des unsichtbaren Gottes etwas Vermittelndes und Stellvertretendes. Man wusste, dass man „unrein“ war und nicht direkt mit Gott in Verbindung treten konnte. Gott musste darum gebeten werden, doch ein Ding, das er selber reinigen mochte, mit einer heilsamen Wirkung zu versehen, dessen sich der Mensch wieder bemächtigen konnte. Man stellte heiligende Statuen und Statuetten auf, wie man das später in der christlichen Kirche fortführte. Der Handel mit Reliquien und der Wettbewerb, wer die wirkungsvollsten Heiligtümer besaß, wurde nahtlos von den Katholiken übernommen, mit der gleichen Wirksamkeit. *24 Diese bestand jedoch hauptsächlich darin, dass anstelle der Verehrung des Gottes die Verehrung und der Gebrauch von Fetischen und Mächten der Finsternis, die das auszunützen wissen, trat. *25 Das war ein schlechter Handel. Anstatt die unmittelbare Nähe zu Gott, die ein Mensch über den Geist Christi mit Gott haben kann, zu erbitten, wirft man die Beziehung weg und ersetzt sie durch tote Gegenstände und zweifelhafte Geistführung.

      Die Idee der späteren Kirche, dass von den Bildnissen die Kraft Gottes, oder die Segensmacht von Verstorbenen oder auch noch lebendigen Heiligen und Heroen

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