Elefanten vergessen nie. Agatha Christie

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Elefanten vergessen nie - Agatha Christie

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Beim Abendessen hatte Poirot darüber nachgedacht, was Mrs Oliver zu ihm trieb und warum sie so im Zweifel war, was sie tun sollte. Kam sie wegen eines schwierigen Problems zu ihm, oder würde sie ihm von einem Verbrechen erzählen? Poirot wusste genau, bei Mrs Oliver war alles möglich. Die einfachsten und die ungewöhnlichsten Dinge. In ihren Augen waren sie alle gleich wichtig. Aber sie war beunruhigt. Nun, dachte Hercule Poirot, er würde mit Mrs Oliver schon fertigwerden. Er war immer mit ihr fertiggeworden. Gelegentlich machte sie ihn wütend. Gleichzeitig war er ihr wirklich sehr zugetan. Sie hatten viele Erfahrungen und Experimente zusammen gemacht. Erst heute Morgen hatte er irgendetwas über sie in der Zeitung gelesen – oder war es im Abendblatt gewesen? Er musste versuchen, sich zu erinnern, bevor sie kam. Es war ihm gerade gelungen, als sein Diener Mrs Oliver meldete.

      Sie kam ins Zimmer, und Poirot schloss sofort, dass seine Diagnose zutraf. Sie war besorgt. Ihre Frisur, sonst immer sehr sorgfältig gelegt, war unordentlich, weil sie in ihrer fieberhaften und hastigen Art, die sie manchmal an sich hatte, mit den Fingern hindurchgefahren war. Er empfing sie mit allen Zeichen des Vergnügens, bot ihr einen Stuhl an, schenkte ihr Kaffee ein und gab ihr ein Glas Kirsch.

      »Ah!«, sagte Mrs Oliver mit einem Seufzer der Erleichterung. »Ich fürchte, Sie werden mich für schrecklich dumm halten, aber …«

      »Ich lese, oder besser, ich las in der Zeitung, dass Sie heute bei einem literarischen Essen waren. Berühmte Schriftstellerinnen. Ich dachte, so was würden Sie nie mitmachen.«

      »Gewöhnlich nicht«, antwortete Mrs Oliver, »und ich werd’s auch nie wieder tun.«

      »Aha! War es so schlimm?« Poirot war ganz Mitgefühl.

      Er wusste über Mrs Olivers schwachen Punkt Bescheid. Übertriebenes Lob ihrer Bücher brachte sie immer aus der Fassung, hatte sie ihm einmal erzählt, weil sie nie die richtige Antwort darauf wusste.

      »Es hat Ihnen nicht gefallen?«

      »Bis zu einem bestimmten Punkt schon«, erwiderte Mrs Oliver, »aber dann passierte was sehr Unangenehmes.«

      »Aha. Und das ist der Grund, weshalb Sie zu mir kommen.«

      »Ja, aber eigentlich weiß ich es wirklich nicht genau. Ich meine, die Sache hat überhaupt nichts mit Ihnen zu tun, und ich glaube auch nicht, dass es im entferntesten die Art von Dingen ist, die Sie interessiert. Und ich selber bin auch nicht wirklich neugierig darauf. Aber irgendwie muss ich es doch sein, sonst wäre ich nicht zu Ihnen gekommen, um Ihre Ansicht darüber zu hören. Darüber was – was Sie an meiner Stelle täten.«

      »Die Frage ist schwierig«, sagte Poirot. »Ich weiß, wie ich – Hercule Poirot – reagiere, aber ich weiß nicht, wie Sie handeln würden, so gut ich Sie auch kenne.«

      »Eigentlich müssten Sie das aber beurteilen können«, sagte Mrs Oliver. »Wir kennen uns lange genug.«

      »Ungefähr zwanzig Jahre?«

      »Ich weiß nicht genau. Ich kann mich nie an Jahreszahlen oder Daten erinnern. Ich bringe alles durcheinander. Ich erinnere mich an 1939, da begann der Krieg, und ich erinnere mich an andere Daten, weil sich da merkwürdige Dinge ereigneten.«

      »Jedenfalls gingen Sie zu dem Literatenessen. Es hat Ihnen nicht sehr gefallen.«

      »Das Essen schmeckte ausgezeichnet, aber nachher …«

      »Hat man Ihnen gewisse Dinge erzählt«, sagte Poirot mit der Güte eines Arztes, der sich nach den Krankheitssymptomen erkundigt.

      »Nun, wir hatten gerade angefangen, uns zu unterhalten. Plötzlich stürzte sich eines dieser großen, vollbusigen Weiber auf mich, die es immer fertigbringen, jeden zu beherrschen. Man fühlt sich schrecklich ungemütlich. Wissen Sie, als ob man einen Schmetterling fängt oder so, aber ohne Netz. Sie hat mich irgendwie eingekreist und auf eine Sitzbank geschubst, und dann begann sie, auf mich einzureden. Mit einem meiner Patenkinder fing sie an.«

      »Soso. Mit einem Patenkind. Haben Sie es gern?«

      »Ich habe sie viele Jahre nicht gesehen«, erklärte Mrs Oliver. »Ich kann nicht mit ihnen allen in Kontakt bleiben. Und dann stellte sie mir eine höchst beunruhigende Frage. Sie wollte wissen – du meine Güte, es fällt mir wirklich sehr schwer, es zu erzählen …«

      »Nein, es ist nicht schwer«, warf Poirot freundlich ein. »Es ist ganz einfach. Jeder erzählt mir früher oder später alles. Ich bin ein Fremder, sehen Sie, da macht es nichts aus. Es ist einfach, weil ich ein Fremder bin.«

      »Also«, sagte Mrs Oliver, »sie fragte mich nach dem Vater und der Mutter meiner Patentochter. Sie fragte mich, ob ihre Mutter ihren Vater oder ihr Vater ihre Mutter ermordet hätte.«

      »Wie bitte?«

      »Ja, ich weiß, es klingt verrückt. Ich fand es auch verrückt.«

      »Ob die Mutter ihrer Patentochter ihren Vater oder ihr Vater ihre Mutter ermordet hätte?«

      »Genau!«

      »Aber – war das eine Tatsache? Hatte ihr Vater die Mutter oder die Mutter den Vater tatsächlich ermordet?«

      »Nun, sie wurden beide erschossen aufgefunden«, sagte Mrs Oliver, »in den Klippen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob es in Cornwall war oder auf Korsika. So was Ähnliches.«

      »Dann war es also wahr, was sie sagte?«

      »Ja, dieser Punkt stimmte. Es passierte vor Jahren. Na schön, aber – warum kommt sie damit zu mir?«

      »Weil Sie Kriminalschriftstellerin sind«, erklärte Poirot. »Sie sagte sicher, Sie wüssten alles über Verbrechen. Also, das ist wirklich passiert?«

      »Ja. Ich glaube, ich erzähle Ihnen besser alles von Anfang an. Allerdings kann ich mich nicht mehr an alles erinnern. Es liegt ungefähr … Nun, ich glaube, es liegt jetzt mindestens zwanzig Jahre zurück. An die Namen der Leute erinnere ich mich, weil ich sie mal gut gekannt habe. Die Frau war mit mir zur Schule gegangen, wir mochten uns gern. Wir waren Freundinnen. Es war ein viel besprochener Fall – wissen Sie, es stand in allen Zeitungen und so. Sir Alistair Ravenscroft und Lady Ravenscroft. Ein sehr glücklich verheiratetes Paar, er war Oberst oder General, sie reisten in der ganzen Welt herum. Dann kauften sie das Haus, irgendwo, ich glaube, im Ausland – ich kann mich nicht erinnern. Und auf einmal standen Berichte über den Fall in allen Zeitungen … Ob jemand sie ermordet hatte oder sie überfallen worden waren oder so was oder ob sie sich gegenseitig umgebracht hätten. Ich glaube, mit einem Revolver, der seit Urzeiten im Haus gelegen hatte. Also, ich erzähle Ihnen am besten alles, was ich noch weiß.«

      Mrs Oliver nahm sich zusammen und brachte es fertig, Poirot ein mehr oder weniger klares Resümee dessen zu geben, was man ihr erzählt hatte. Poirot hakte hier und da mit einer Rückfrage ein.

      »Aber warum?«, fragte er schließlich, »warum will diese Frau das so genau wissen?«

      »Das ist es gerade, was ich herausbekommen möchte«, sagte Mrs Oliver. »Ich glaube, ich könnte Celia ausfindig machen. Sicher lebt sie noch immer in London. Oder war es Cambridge oder Oxford? Ich glaube, sie hat ihren Doktor gemacht und hält hier Vorlesungen oder unterrichtet. Und – sie ist sehr modern, wissen Sie. Verkehrt mit langhaarigen Leuten in merkwürdiger Aufmachung. Dass sie Rauschgift nimmt, glaube ich nicht. Sie ist ganz in Ordnung und – ich hörte nur hin und wieder von ihr. Ich meine, sie schickt mir zu Weihnachten eine Karte und so. Nun, man denkt nicht

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