A. S. Tory und die verlorene Geschichte. S. Sagenroth

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A. S. Tory und die verlorene Geschichte - S. Sagenroth A. S. Tory

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schon früh los­ge­hen soll­te.

      Als ich ge­ra­de das Licht aus­ma­chen woll­te, klopf­te es an der Tür. Er­staunt öff­ne­te ich. Chia­ra schlüpf­te ins Zim­mer. Schon in ei­ner Art Schlafs­hirt. Grund­gü­ti­ger! Ich blick­te auf ein rie­si­ges Ab­bild von Al­bert Ein­stein. In psy­che­de­li­schen Far­ben. Der al­te Herr starr­te mir ge­ra­de­wegs ins Ge­sicht und streck­te die Zun­ge her­aus. Aber der Spruch war gut: Le­arn from yes­ter­day, li­ve for to­day, ho­pe for to­mor­row. Ich muss­te mich den­noch an­stren­gen, ei­ni­ger­ma­ßen ernst zu blei­ben. »Sehr schick, was du da an­hast.«

      Sie schau­te an sich her­un­ter, zuck­te aber nur mit den Ach­seln. Dann räu­sper­te sie sich: » … Be­vor es mor­gen los­geht – ich ha­be mir noch­mals die E-Mails von To­ry durch­ge­le­sen. Er hat in­direkt da­vor ge­warnt, dass nicht nur Schö­nes bei der Rei­se raus­kommt. Und dann, dass du über dich et­was er­fah­ren könn­test … Was glaubst du, was er da­mit meint? Ich grü­be­le schon die gan­ze Zeit. Macht ei­nen ganz kir­re.« Sie setz­te sich auf den ein­zi­gen Stuhl im Zim­mer und schau­te mich fra­gend an. Ich nahm wie­der auf mei­nem Bett Platz und über­leg­te, was ich da­rauf ant­wor­ten soll­te. »Ich ha­be das gan­ze Jahr über To­ry nach­ge­dacht, wie du weißt. Dass er uns nach Ve­ne­dig füh­ren wür­de, da­rauf wä­re ich aller­dings beim be­sten Wil­len nicht ge­kom­men. Tja, was To­ry da­mit meint … schwer zu sa­gen. Aber na­tür­lich hat er mich vor al­lem da­mit ge­packt: dass ich über mich et­was her­aus­fin­den kann. Ich ha­be kei­ne Ah­nung, was das sein soll. Er hat außer­dem da­mals ver­dammt we­nig über sich er­zählt. Ich glau­be, dass da et­was Trau­ri­ges ist. Und aus ir­gend­ei­nem Grund sol­len aus­ge­rech­net wir das her­aus­fin­den …«

      Chia­ra nag­te an ih­rer Un­ter­lip­pe. »Hm. Ja, du hast viel­leicht recht. So ein Ge­fühl ha­be ich auch. Ich freue mich da­rauf, aber ich ha­be auch ein biss­chen Angst da­vor, was wir ent­de­cken wer­den. Und ob ich über­haupt alles wis­sen will.«

      Ich schau­te sie an. So nach­denk­lich kann­te ich sie gar nicht. Da­her sag­te ich auf­mun­ternd. »Hey, wir kön­nen doch selbst ent­schei­den, wie viel wir her­aus­fin­den wol­len.« Mit ei­nem Ni­cken er­hob sie sich, beug­te sich dann rasch zu mir, gab mir ei­nen Kuss auf die Wan­ge und schnel­ler, als ich das rea­li­sie­ren konn­te, war sie aus dem Zim­mer ver­schwun­den. Was war das ge­we­sen? Ich saß noch ei­ne Wei­le auf der Bett­kan­te, muss­te lä­cheln, grü­bel­te über un­ser Ge­spräch, über Chia­ra, über To­ry und ent­schied mich das Licht aus­zu­ma­chen, um fit für den näch­sten Tag zu sein und all das, was da noch so kom­men wür­de …

      Die verlorene Geschichte

       Wenn ich mich an mei­ne Kind­heit, mei­ne Eltern, mei­ne Schwes­ter und Freun­de er­in­nern woll­te, war da ei­ne ho­he un­durch­dring­li­che Wand, die ich mir über Jahr­zehn­te müh­sam auf­ge­baut hat­te. Ich konn­te und muss­te lan­ge Zeit nicht mehr se­hen, was da­hin­ter liegt. Ich woll­te auch nicht an­de­re hin­ter die­se Schutz­mau­er bli­cken las­sen. Es mach­te mir Angst – und den­noch ha­be ich mich, wenn auch sehr spät, da­für ent­schie­den. Ne­ben die­ser Mau­er lie­gen freie Pfa­de, die ich un­be­schwert be­ge­hen kann. Sie füh­ren in die Zeit als jun­ger Mann, als Ge­schäfts­mann, als Rei­sen­der, als Jung­ge­sel­le, als Kunst- und Musik­lieb­ha­ber, als Wel­ten­wan­de­rer. Hier gibt es viel Schö­nes, Hel­les und Lich­tes zu fin­den. So viele Jah­re. Jah­re, die nur we­ni­ge Men­schen zur Ver­fü­gung ha­ben, Jah­re, die mei­ner Fa­mi­lie nie ver­gönnt waren …

      3. Venedig

      Montag, 1.10.18

      Lu­do­vi­ca über­reich­te uns am frü­hen Mor­gen ein mit viel Lie­be zu­be­rei­te­tes Pro­vi­ant­paket und drück­te mich beim Ab­schied an sich. Sie be­glei­te­te dies mit ei­ner Stak­ka­to­fol­ge ita­lie­ni­scher Wor­te, die ich wie­der kaum ver­ste­hen konn­te. Of­fen­sicht­lich wünsch­te sie mir ei­ne gu­te Rei­se und be­dau­er­te es, dass ich nicht län­ger blieb.

      Zu­sam­men mit Fe­de­ri­co bra­chen wir auf, um nach Pi­sa zu fah­ren. Er hat­te min­des­tens ei­nen so flot­ten Fahr­stil wie sei­ne Tochter. Ein­zi­ger Un­ter­schied war, dass sein gro­ßer Land­crui­ser sehr viel we­ni­ger Lärm mach­te und grö­ße­ren Sitz­kom­fort hat­te als Chia­ras klei­ner Pick-up.

      Durch die Tä­ler wa­ber­ten Ne­bel­schwa­den, was den Reiz der Land­schaft kei­nes­wegs ge­rin­ger mach­te, im Ge­gen­teil. Auch lock­te das Meer, dem wir uns mit ei­ner Kur­ve nach der an­de­ren nä­her­ten.

      In Pi­sa er­war­te­te uns Lärm und hek­ti­scher Stra­ßen­ver­kehr. Hier ge­sti­ku­lier­ten und schnat­ter­ten selbst die Autos mit größ­ter Leb­haf­tig­keit. Fe­de­ri­co ge­lang es, in ei­ner Sei­ten­stra­ße in der Nä­he des Haupt­bahn­hofs ei­nen Park­platz zu er­gat­tern. Mit un­se­ren Rei­se­kof­fern pol­ter­ten wir in Rich­tung Sta­zio­ne Cen­tra­le di Pi­sa, ei­nem sehr präch­ti­gen, lang ge­streck­ten, oran­ge­far­be­nen Ge­bäu­de mit meh­re­ren Ar­ka­den­gän­gen. Wir kauf­ten un­se­re Ti­ckets. Über die Ab­fahrts­zeiten hat­ten wir uns vo­rab in­for­miert. Um 9.12 Uhr fuhr der Zug, den wir neh­men woll­ten. In Flo­renz muss­ten wir um­stei­gen. Den­noch wür­de die ge­sam­te Rei­se nur cir­ca drei­ein­halb Stun­den dau­ern. Wenn es kei­ne we­sent­li­chen Ver­spä­tun­gen ge­ben wür­de, könn­ten wir schon in der Mit­tags­zeit in Ve­ne­dig sein. Am Bahng­leis an­ge­kom­men, ver­ab­schie­de­ten wir uns von Fe­de­ri­co. Chia­ra um­arm­te ihn, ich gab ihm die Hand.

      »Pren­di­ti cu­ra di te!« Fe­de­ri­co schau­te uns bei­de prü­fend an. Dann gab er uns für Emi­lia, die ve­ne­zia­ni­sche Be­kann­te, bei der wir woh­nen soll­ten, noch ei­nen Kar­ton mit Wein. Et­was un­hand­lich, doch Chia­ra schob ihn läs­sig in die Ecke des Zu­gab­teils. Wir setz­ten uns ein­an­der ge­gen­über. Un­wei­ger­lich muss­te ich an mei­ne er­ste Zug­fahrt nach Lon­don den­ken, mit der alles be­gon­nen hat­te. Da­mals war ich allein, wuss­te nicht, was mich er­war­te­te. Auch jetzt war un­klar, was bei un­se­rer Rei­se raus­kom­men wür­de. Mit ei­nem Un­ter­schied: Chia­ra war da­bei. Das war ein gu­tes Ge­fühl. Wo­bei sie kei­nes­wegs ein Ga­rant für ver­nünf­ti­ge Ent­schei­dun­gen war … Sie war mu­tig und taff, sehr po­si­tiv, spon­tan, aber auch ver­we­gen, im­pul­siv, leicht­sin­nig und un­end­lich neu­gie­rig. Ih­re Nach­denk­lich­keit ge­stern war mir da­her neu.

      Wir hat­ten Glück und das Ab­teil für uns. Wäh­rend der Zug los­rat­ter­te, über­leg­te ich, ob ich mei­nen iPod ein­stöp­seln soll­te oder ob das ir­gend­wie un­höf­lich wä­re.

      Als hät­te sie mei­ne Ge­dan­ken ge­le­sen, er­mun­ter­te sie mich. »Nur zu, du kannst Musik hö­ren. Wir kön­nen in den näch­sten zwei Wo­chen noch ge­nug mit­ein­an­der re­den. Wenn du bei der Musik mit­wippst, darf ich mit­hö­ren.«

      Ich muss­te schmun­zeln. Er­in­ner­te ich mich doch an un­ser ge­mein­sa­mes Musik­hö­ren auf dem Flug nach Mar­ra­kesch im letz­ten Jahr. Fast pass­te es da­zu, was ich als Er­stes hör­te. Haya­te von Lu­cia­no. Deutsch­rap. Ara­bi­scher

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