Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband - Alfred Bekker страница 6
Susanne konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Wilfried zu einem Mord fähig gewesen wäre.
Ich werde ihm morgen von dem Vorfall berichten, sagte sich die junge Baroness. Und dann würde sie ja sehen, wie er darauf reagierte.
Wahrscheinlich wird sich alles in Wohlgefallen und unbegründeten Zweifel auflösen, dachte sie. Du wirst dir völlig umsonst Sorgen gemacht haben...
Sie atmete tief durch.
Wie sehr hoffte sie darauf, dass sich alles nur als die haltlose Anschuldigung einer seelisch Gestörten herausstellte!
Und im Grunde ihres Herzens war Susanne auch überzeugt davon, dass es so kommen musste.
Aber ein Rest von Zweifel blieb, nagte an ihrem Inneren und an ihrem Vertrauen zu dem Mann, mit dem sie sich verloben wollte.
Schließlich fiel die junge Frau doch noch in einen tiefen, traumlosen Schlaf der Erschöpfung, aus dem sie erst durch die Sonnenstrahlen des nächsten Morgens geweckt wurde.
Viel zu spät, wie sie im Übrigen feststellte.
Den Wecker hatte sie glatt überhört.
Beim Frühstück war sie zunächst allein. Kammerdiener Johann servierte es ihr auf dem Balkon des Esszimmers, so dass sie eine Aussicht über die das Schloss umgebenden Parkanlagen und die Ländereien der Eichenbachs hatte. Wälder gehörten ebenso dazu wie Wiesen und ein Pferdegestüt. In der Ferne sah sie die Tiere auf den Weiden herumtollen.
Von Johann erfuhr sie dann auch, dass Wilfried am Morgen bereits einen Termin in der Winzerei zu erledigen gehabt hätte. "Eigentlich hoffte der junge Herr bis zum Frühstück wieder zurück zu sein, aber offensichtlich hat er sich etwas verspätet..."
Susanne nahm einen Schluck Kaffee. Dann fragte sie Johann nach den Geheimgängen und unterirdischen Gewölben, die es auf Schloss Eichenbach gab.
"Nun, es gibt diese Gänge tatsächlich, Baroness Susanne. Auf Geheiß von Fürst Friedrich wurde der Zugang nach Möglichkeit verschlossen, da man sich dort unten leicht verirren kann - und dann gewiss rettungslos verloren wäre!"
"Waren Sie schon einmal dort unten, Johann?"
"Einmal - wenn auch nur kurz. Es gibt nichts besonderes dort zu sehen. Und natürlich kursieren in der Umgebung einige Schauergeschichten und Legenden, was die Geheimgänge angeht..."
Wenig später sah Susanne Wilfrieds Sportwagen die schmale Serpentinen-Straße in Richtung Schloss hinauffahren.
Als er sich näherte und sie sah, winkte er ihr zu.
Sie erwiderte den Gruß.
Nur wenige Minuten später erschien er auf dem Balkon, nahm ihre Hand und begrüßte sie. Sein Blick war voller Zärtlichkeit und Liebe.
"Entschuldige, dass ich es nicht ganz rechtzeitig geschafft habe..."
"Das ist nicht so schlimm", fand Susanne. Dann berichtete sie von Christianes Besuch am vergangenen Abend und den Anschuldigungen, die sie vorgebracht hatte.
Das Gesicht des Fürstensohns verfinsterte sich.
"Ich kann nur hoffen, dass du nichts von dem, was Christiane gesagt hat, für wahr hältst."
"Ich vertraue dir, Wilfried."
"Vielleicht sollte ich dich nun doch in einige Einzelheiten einweihen, was meine frühere Verlobte angeht. Ihr Name war Lisa Reindorf und ich liebte sie sehr. Anfangs hatten meine Eltern Bedenken auf Grund ihrer bürgerlichen Herkunft. Aber das natürliche, freundliche Wesen dieser jungen Frau wischte die Bedenken rasch hinweg. Allerdings fühlte sie sich nie so recht wohl auf Schloss Eichenbach. Ich kann nicht sagen, woran dies eigentlich lag..."
"Christiane sagte, dass es einen Streit zwischen euch gegeben habe, bevor sie..." Susanne sprach es nicht aus.
"...bevor sie verschwand", vollendete Wilfried. "Ja, das ist wahr. Ich weiß es noch, als ob es gestern gewesen wäre. Am nächsten Morgen war sie nicht mehr im Schloss. Niemand weiß, wohin sie gegangen ist. Meine Mutter will damals einen Wagen gehört haben, der Lisa möglicherweise abholte. Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört. Auch die Untersuchungen der Polizei, die wir eingeschaltet hatten, haben nichts ergeben."
Susanne sah den gequälten Gesichtsausdruck, der sich nun auf dem Gesicht des Fürstensohnes zeigte.
Johann erschien nun auf dem Balkon, um auch Wilfried ein Frühstück zu servieren.
Das Gespräch brach ab.
"Wie kommt Christiane dazu, dich in so schlimmer Weise zu beschuldigen?", fragte Susanne dann, nach einer längeren Pause des Schweigens.
"Nun, über ihre Krankheit weißt du ja inzwischen Bescheid. Sie hat Wahnvorstellungen, redet mit Personen, die es nicht gibt und lebt manchmal tagelang in ihrer eigenen Welt. Angesichts ihres schweren Schicksals kann man durchaus nachvollziehen, wie es dazu gekommen ist. Aber da ist auch noch etwas anderes..."
"Was?", hakte Susanne nach.
"Sie war eifersüchtig. Schon als ich mich mit Lisa verlobte, versuchte sie immer wieder einen Keil zwischen uns zu treiben. Ich glaube, insgeheim hat sie immer gehofft, dass ich mich eines Tages ihr zuwenden würde..."
6
In den folgenden Tagen begegneten sich Susanne und Christiane nicht mehr. Nur einmal, an einem späten Nachmittag, als Susanne sich in ihre Suite zurückgezogen hatte, um sich für das bevorstehende Abendessen umzuziehen, sah sie die Komtesse bei einem Blick durchs Fenster. Christiane stand gedankenverloren im Schlosshof, nahe der Kapelle. Sie wirkt beinahe wie eine Statue, dachte Susanne. So regungslos stand sie da.
Susanne hatte versucht, zu vergessen, was sie gehört hatte.
Und Wilfrieds Erklärungen, was seine erste Verlobte anging, klangen ja auch durchaus plausibel. Und doch... auch, wenn sie es sich nur schwer eingestehen mochte, so hatte es Christiane doch geschafft, den Keim des Misstrauens in ihr zu säen.
Wenn wirklich Eifersucht die treibende Kraft bei ihr ist, dann ist das vielleicht genau ihre Absicht gewesen, ging es Susanne durch den Kopf. Ich darf nicht zulassen, dass sie damit Erfolg hat...
Susanne seufzte, wandte sich vom Fenster ab und dem großen Himmelbett zu, auf das sie ein halbes Dutzend Kleider ausgebreitet hatte. Sie wusste einfach nicht, was sie anziehen sollte, geschweige denn, welchen Schmuck sie dazu anlegen würde.
Sie hielt sich ein rotes Kleid vor den Körper, trat damit vor die Spiegelwand und betrachtete sich kritisch.
Vielleicht ein bisschen zu aufgedonnert, ging es ihr durch den Kopf.
Einerseits wollte sie ihre Garderobe variieren und nicht immer dasselbe anziehen. Andererseits fand sie es aber auch wichtig, Stilsicherheit und eine gewisse, wiedererkennbare Linie in der Auswahl ihrer Sachen zu zeigen.
Die Spiegelwand