Arnulf. Kampf um Bayern. Robert Focken
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Читать онлайн книгу Arnulf. Kampf um Bayern - Robert Focken страница 15
Arnulf nickte nachdenklich und sah eine Ratte unter dem Bett verschwinden. »Danke, consiliarius. Ich werd’ auf mich aufpassen.«
Ein Lächeln erschien auf Einhards Zügen. »In mir habt Ihr einen Verbündeten, das wisst Ihr. Wenn Graf Worad am Fieber stirbt, wer könnte dann der neue gundfanari, der Herr aller Hundertschaften, sein? Wer wäre dazu besser geeignet als Ihr, sax hamar?«
* * *
Am nächsten Morgen begann das Warten auf Tassilo, den Bayernherzog. Arnulf beschäftigte seine Krieger mit dem Üben von Reiterangriffen nahe ihrem Lager. In etwa fünfhundert Schritt Entfernung zum Ufer stand quer zum Fluss ein Doppelriegel von Nussbäumen, zwischen denen die Zelte der Schwarzen aufgebaut waren. Jeweils drei Dutzend Krieger ritten südlich davon Scheinangriffe auf ein paar querliegende Baumstämme, auf denen man die runden Scara-Schilde befestigt hatte. Zwanzig Schritt vor dem Hindernis mussten die Männer abdrehen und gleichzeitig ihre Speere werfen. Arnulf stutzte, als er beim dritten Durchgang seinen Sohn unter den Kriegern entdeckte.
»Arthur!«
Eilfertig kam der Bursche mit dem neuen Pferd angetrabt, mit einem Galopp zwischendurch, obwohl es keine hundert Schritt waren. Über Arthurs rechtem Auge verlief dunkelrot eine schorfige Linie bis zum Haaransatz, so auffällig, dass Arnulf sich grinsend an die Stirn tippte. »Du hast dir die Fransen geschnitten, was?«
»Kein bisschen, Vater!«
»Damit man’s besser sieht, klar.«
Auch Sigfrid grinste, der dazu gestoßen war. »Das gibt ’ne hübsche Kriegernarbe, wenn Ihr mich fragt«, verkündete er ungefragt. Und weil Arnulf noch heiter aussah, zurrte der Sachse am Zipfel seines schwarzen Halstuchs und fügte halb scherzhaft hinzu: »Wieviel gebt Ihr mir dafür, Arthur?«
»Lasst das, Mann«, schnappte Arnulf. Den Knaben auf dem Blutfeld sterben zu sehen, war eine üble Vorstellung, die Arnulf manchmal böse Träume bescherte. »Halt’ dich erstmal an Pfeil und Bogen, Junge!«, befahl er mit einem Blick, der grimmiger war als beabsichtigt. »Für einen guten Lanzenstoß sitzt du noch nicht fest genug im Sattel.«
Arthur machte eine Grimasse. »Gallo hat mir gezeigt, wie ich die Stoßlanze halten muss.«
»Ach wirklich? Dann pass mal auf …«
Er ließ ein Wildschwein herbeischaffen, das ihre Jäger kurz zuvor erlegt hatten. Die Männer banden den Kadaver an ein Holzgerüst, den Kopf nach unten. Dann nahm Arnulf die Lanze aus den Halteschlaufen am Sattel seines Pferdes, ritt einen Kreis und durchbohrte das Ziel im Vorbeiritt: ein hundertfach geübter Stoß! Blutige Fäden tropften aus dem Kadaver und bildeten einen dunklen Fleck auf dem Boden. Dann kam Arthur an die Reihe.
Die Männer verfolgten gespannt, wie der Junge mit der Lanze in der Rechten einen Bogen ritt, auf dem Königspferd, das jetzt Hasel hieß. Doch er ritt zu schnell auf das Ziel zu. »Langsamer!«, rief Arnulf. Mit nur einer Elle Abstand galoppierte Arthur am Ziel vorbei, mit schmatzendem Geräusch drang die Lanzenspitze ein. Dann bremste er das Pferd ein paar Schritt vor seinem Vater ab, mit einem Fluch auf den Lippen – die Lanze war nicht mehr in seiner Rechten, denn sie steckte noch im Schweinekadaver.
»Du sitzt noch oben, immerhin«, knurrte Arnulf belustigt. Verärgert sah der Jungkrieger sich um. Fast waagerecht ragte seine Waffe aus dem Schwein.
»Sehnen und Knorpel können eine Spitze festhalten«, erklärte der Vater. »Nicht alles geht so leicht raus wie rein. Sag, wo ist dein Bruder?«
Die Frage traf Arthur zwischen die Augen; als Älterer hatte er nach dem Jüngeren zu sehen, wenn sie außerhalb der Mauern schweiften. Und manchmal sogar nach der kleinen Schwester, etwas, das Arthur mittlerweile als Entwürdigung empfand.
Man hatte Grimbald mit einem der Kanzleischreiber zum Bootsplatz oberhalb der Furt gehen sehen, erzählten schließlich zwei Halbgare, die mit Arthur fischen gehen wollten. Aber das war schon länger her. Arnulfs Blick ließ den Sohn leise murrend losreiten. Arnulf selbst ritt ein Stück flussaufwärts, auf die Furt zu. Keine Spur von seinem jüngeren Sohn, doch von rechts schob sich nun mit lautem Hufgetrappel und dem eindeutigen Klirren von Metallteilen eine Doppelreihe Krieger aus einem Buschfeld ins Freie. Unter den vordersten Kriegern stach eine schmächtige, schlecht im Sattel sitzende Figur hervor, ohne Schild und Speer: Einhard gilerito! Zügig ritt die Kavalkade in das knietiefe Wasser. Arnulf verspürte einen Stich: Hatte Einhard eine geheime Mission vom König bekommen? Und wenn ja, warum hatte er ihn, den alten Freund, nicht beim abendlichen Zwiegespräch eingeweiht?
Am Hof hat man keine Freunde, sondern Verbündete. Auch das hatte Einhard ihm einmal gesagt. Aber gleichzeitig durch sein Gebaren deutlich gemacht, dass sie mehr waren als Verbündete.
Aber vielleicht war das nur in Arnulfs Einbildung so. Nachdenklich wendete der Offizier sein Pferd. Milchige Wolken schoben sich vor die Sonne. Ein kühler Wind kam auf, frischer, als es morgens den Anschein gehabt hatte. Arnulf fröstelte.
* * *
Dann kam Tassilo.
Herolde unter Leitung eines weißhaarigen Grafen kündigten den Herzog der Bayern an. Das Angebot von Karls Marschalk, den Herzog mit Gefolge in der Burg unterzubringen, lehnte der Bayer mit kaltem Lächeln ab. Im Lech, auf der Furtinsel, wollte Tassilo dem großen Karl gegenübertreten.
Hofleute und Knechte des Burggrafen begannen, einen Platz auf der etwa hundert Schritt langen und fünfzig Schritt breiten Insel herzurichten. Kalbsfelle wurden ausgelegt, darauf hochlehnige Holzstühle gestellt. Als Tassilo schließlich einen Tag später die Insel erreichte – die Bayern setzten mit Kähnen über, um trockene Füße zu behalten – wehte dort bereits das Banner von Karl mit dem Adlerkopf und dem Kreuz. Besser gesagt, es flappte lustlos am Fahnenstab: Der kalte, nicht mehr sommerliche Wind frischte immer wieder auf, das Inseltreffen würde keine warme Sache werden.
Tassilo trug unter einem schweren blauen Mantel einen silbrig glänzenden Kettenpanzer, auf der massiven Brust prangte die Herzogskette aus Gold. Sein rötliches Gesicht wirkte, als hätte er kurz zuvor getrunken. Unruhig musterten seine dunklen Augen die Reihen um den König und die Königin, während seine Leute das Herzogsbanner aufpflanzten: Ein schwarzer Steinbock mit gebogenen Hörnern prangte auf der ockerfarbenen Fahne.
Arnulf stand mit verschränkten Armen hinter der Stuhlreihe der fränkischen Edlen, zusammen mit anderen Offizieren, Edelleuten und einigen Priestern. Während Tassilos Hofkanzler und der Hofkapellan Geschenke austauschten, musterte Arnulf Leutberga, die Herzogin. Dass sie dabei war, wirkte versöhnlich. Ihr Prunk jedoch, was sollte der bedeuten? Eine aufwendige Kette mit mehreren waagerechten Strängen schmückte ihre Brust, Perlen und Juwelen in Hülle und Fülle waren auf diesen Strängen verteilt. Fast zu prächtig wirkte das alles. Hier saß offensichtlich die Tochter eines Königs, des Langobardenkönigs Desiderius! Die Königin Fastrada wiederum zeigte dieser Königstochter nur ein tiefgefrorenes Lächeln: Es gibt nur eine Königin, und das bin ich!
Fulrad begann mit bleichem Gesicht und etwas japsender Stimme die großen Taten von Karls Vater, König Pippin, und dem Großvater Karl Martell zu erzählen. Über Karls Bekehrung der Sachsen, der Befriedung der Aquitanier und der Zähmung der Friesen arbeitete er sich schließlich zu dem »unerhörten Ereignis« vor: dem Mordanschlag. »Schändlicheres hat sich niemals bei uns ereignet!«
Die Bayern stimmten dem