Arnulf. Kampf um Bayern. Robert Focken
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Читать онлайн книгу Arnulf. Kampf um Bayern - Robert Focken страница 13
»Das wird sein Berg Golgatha«, feixte jemand, was grimmige Lacher erntete. Der Sachsengraf aber lachte nicht: Udalrich saß zwischen Einhard und dem König. Er verstand den Golgatha-Vergleich nicht, wurde Arnulf klar. Als ihre Blicke sich zufällig kreuzten, ging die Hand des Sachsen zur rotleuchtenden Flechte, als müsste er sich jucken. Arnulf verspürte etwas Kaltes unter dem Bauchnabel. Er ist geschmeidiger, als er aussieht – das hatte Einhard Arnulf in einem vertraulichen Moment mitgeteilt. Damals hatte Arnulf es belanglos gefunden, wusste er doch aus eigener Erfahrung, wie gefährlich dieser blutgierige Mann war. Doch nun verstand er, dass Einhard mit geschmeidig schlicht »hinterhältig« gemeint hatte: Wer konnte hinterhältiger sein als ein Heide, der die Taufe nimmt, um dann in König Karls Namen das Blutgericht in Fardi an der Aller abzuhalten? Das »Ausmerzen der letzten Rebellen« hatte den Fluss rot wie einen Färbertrog gemacht. Hunderte waren geköpft worden, weil sie auf Land saßen, das Udalrich mit eigenen Gefolgsleuten besetzen wollte.
»Wir müssen uns der unbedingten Treue der Edlen versichern!« Mit leisem Ächzen hatte Hofkapellan Fulrad sich erhoben. Er erklärte, dass man deshalb den Bayernherzog zu einem Treffen auf dem Lechfeld geladen habe. »Er mochte bisher sein Haupt nicht vor dem König beugen. Trotzdem will der Herrscher ihm in seiner Milde entgegenkommen, um seinen Treueschwur zu erhalten. Fortan, Ihr Herren, werden wir den Weg zu einem neuen Reiche Davids gemeinsam mit den Bayern zurücklegen!«
»Und wenn er nicht schwört? Rufen wir dann den Heerbann gegen ihn auf?«
»Die Bayern liegen mit den Thüringern im Bett – warum noch mit Tassilo reden?«
Der Hofkapellan tupfte mit einem Tuch Schweiß von der Stirn. »Weil wir den Ölzweig reichen, bevor wir zum Schwert greifen. Ist das so schwer zu verstehen?« Und damit es wirklich jeder verstand, richtete der König sich auf und erhob die Hände wie ein Priester. »Unter euch sitzt der Gelehrte Einhard, der die Geschichte meiner Väter aufschreibt und auch meine Geschichte schreiben wird! Wie stünden wir da in der Erinnerung der fränkischen Christenheit, wenn wir wie Gewalttäter im Herzogtum einfielen?«
* * *
Die Sonne verschwand rot am Horizont und das Lärmen der Pfalz ebbte ab, als Arnulf endlich mit Erika allein war. »Arthur hat mir sein Pferd vorgeführt«, sagte Arnulf und setzte sich auf den Rand des Bettes. Der Wein, den der König nach dem Kronrat ausschenken ließ, begann zu wirken. Er schwärmte von der Bewegung des Tieres und seiner Verständigkeit und meinte mit schiefem Grinsen, dass er eigentlich neidisch sein müsste. Aber nichts davon verfing bei seiner Frau. Sie legte die Hände übereinander und sah auf ihren Mann hinab. »Er ist keine fünfzehn, und du willst ihn zu einem Krieger machen!«
»Und wenn?« Er hob den Kopf, nicht ohne wieder den Schmerz im Nacken zu spüren. »Steh doch nicht so herum, Liebes!«
Sie seufzte und ließ sich auf einem winzigen Hocker nieder, ihm unmittelbar gegenüber. Über ihnen raschelte es im Dachgebälk. Es roch nach Stroh, Lehm und dem schweißigen Leder des Schuppenpanzers, den Arnulf am Kopfende abgelegt hatte. Er löste sein Halstuch und berührte die verschorfte Stelle mit den Fingerspitzen. »Kann ihm schlecht das Schwert wieder wegnehmen, oder?«
»Es reicht, dass ich jedes Mal um dich zittern muss, Mann!« Sie beugte sich so weit vor, dass er ihren Atem riechen konnte. »Wie viele Feldzüge willst du noch für den König gewinnen? Wie viele Wunden soll ich noch flicken, bevor einer seinen Stahl in dein Herz stößt?«
Im Halbdunkel glänzten ihre Augen feucht. Er nahm ihre Hände. »Hör zu, magad … Ich bin ein Krieger des Königs. Ich war’s immer, anders hast du mich nie erlebt. Und jetzt …« Und dann wusste er nicht mehr weiter. Konnte er denn ein Leben ohne sein Schwert führen? Er wusste, dass das niemals passieren würde. Und er hatte zu viel Respekt vor seiner Frau, um es ihr vorzugaukeln. Frauen lieben das Leben – Männer den Ruhm und die Gefahr. Bei einem grauhaarigen Krieger hatte er diesen Satz gehört, Jahre zuvor. In der folgenden Schlacht war der Mann getötet worden. In diesem Augenblick, im Halbdunkel mit seiner Frau, fühlte sich dieser Spruch wahrer an denn je.
Hundegebell ertönte unweit ihrer Baracke; Rufen, Pferdewiehern, der Gesang von Kriegern. Und Arnulf ahnte, woran Erika jetzt dachte: an ihre Flussburg in der sächsischen Grenzmark, am Weserknie, wo das Flusstal durch den Osning bricht. Diesen befestigten Edelhof hatte der König ihnen gegeben, zusammen mit einer Abteilung Panzerreiter und der nötigen Befehlsgewalt, um sächsische Aufstände zu unterdrücken. Es war eine Zeit des Aufbauens, des Wachsens und der Ruhe gewesen, die freilich immer wieder mit Kämpfen abwechselte.
»Wir hätten in der Weserburg bleiben können«, sagte er langsam. »Aber du wolltet, dass Einhard die Jungen unterrichtet, Erika. Du wolltest eine Schule, vergiss das nicht.«
»Es war nicht nur die Schule«, sagte sie nach einer kurzen Pause. Und erinnerte ihn an den ersten Zusammenprall mit dem Blutgrafen Udalrich. »Er wurde immer mächtiger. Du hast seine Rache gefürchtet!« Die Erinnerung war wie ein stachliger Klumpen in seinem Kopf, der anfing, sich zu bewegen.
»Wir saßen am Flussufer«, fuhr sie nüchtern fort. »Du sagtest: Der Graf wird auch auf uns losgehen, früher oder später. Weil wir seinen Feinden Schutz gewährt haben.«
»Ja«, presste Arnulf hervor, »ich habe Sigfrid Unterschlupf gewährt! Udalrich wollte seinen Kopf. Verdammt, hätt’ ich den Burschen von meiner Tür wegschicken sollen?«
Sie schwieg für einige Atemzüge. »Wie gefährlich ist er für uns, hier am Hof?«
»Unter den Augen des Königs wird er nichts wagen«, raunte Arnulf. »Manchmal glaube ich …« Ihre Finger berührten einander.
»Sprich weiter!«
»Der König und ich, wir haben aus denselben Pfützen gesoffen, wir haben uns zusammen aus Hinterhalten rausgekämpft … Sowas fühlt sich wie Freundschaft an. Aber im Grunde sieht der König nur auf den Nutzen eines Gefährten. Der Blutgraf hat ihn Glauben gemacht, dass er jeden Aufstand der Sachsen niederwerfen kann, bei den Westfalen wie bei den Ostfalen. Also, wer nutzt dem König mehr?«
Nun endlich fiel es ihm ein. Aus seinen Taschen am Kopfende kramte er ein Stück Stoff hervor. Vorsichtig schlug er es auseinander. »Eine Fingerspitze vom Heiligen Kilian. Die beschützt dich vor allem und jedem, wenn ich auf die nächste Fahrt gehe.« Sie entzündete ein Öllicht und besah die Reliquie von allen Seiten. »Wie hast du …« Er legte einen Finger auf ihre Lippen. Ob er jemanden dafür getötet hatte? Er schüttelte den Kopf.
Sie ließ die Fingerkuppe in einem kleinen Beutel verschwinden, küsste ihn und drückte ihn auf das Bett nieder.
Später – es war dunkel, sie nahmen einander nur noch als Schemen wahr – lauschten sie auf die nächtlichen Geräusche des Hofes. Ein letztes Brüllen der Zugochsen, dann das kräftige Gebell der königlichen Meute, gefolgt von hellem Kläffen der Pfalzköter; Stille.
»Wir könnten Pferde züchten«, sagte er irgendwann. Seine Finger strichen um ihren Nabel. »Pferde für den Hof, für die Scara.«
»Wenn du dabei nicht dauernd zum Schwert greifen musst …«
»Die Wesergaue sind gutes Pferdeland«, brummte er. »Und Sigfrid und seine Leute verstehen sich auf Rösser – Sachsen eben!«
»Du sprichst mit einer Sächsin.« Ihre Finger ziepten