Arnulf. Kampf um Bayern. Robert Focken

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Arnulf. Kampf um Bayern - Robert Focken

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– und dabei riecht er wie ein heidnischer Vielfraß!«

      »Genug davon«, mahnte Karl und murmelte etwas von der später folgenden Kronratsbesprechung.

      »Der sollte ich beiwohnen, mein Herr, nicht wahr?« Fastradas Worte hatten etwas Kokettes, Herausforderndes.

      »Ihr seid willkommen, solange Ihr keinen beleidigt«, entgegnete Karl leicht gereizt. »Ansonsten, verehrtes Weib, nehmt lieber ein Bad, das wird Eurer Laune helfen.«

      Kapitel VI

      Unterhalb der Würzburg, Mai 787

      Der Burgberg der Würzburg oberhalb des Mainufers war genauso steil, wie Arnulf ihn in Erinnerung hatte. Hardrad hätte sich ein schlechteres Versteck suchen können, grunzten die Männer. Aber Arnulf war fest entschlossen, ihn nicht von dort oben entkommen zu lassen: Er legte Posten an den Fuß des Hügels und begann, unter den Menschen in den umliegenden Ufersiedlungen kampftaugliche Männer zu sammeln. Freie mit Landbesitz also, die im Kriegsfall mit dem fränkischen Heerbann zu marschieren hatten. Aber jeder suchte Ausreden und verwies auf den Bischof der Würzburg, ohne dessen Zustimmung man nichts unternehmen konnte, doch der Geistliche war noch auf dem Rückweg von Worms. Arnulfs Ungeduld wuchs. Dann, nach ein paar Tagen, dröhnte ein wild aussehender Reiterhaufen auf der Uferstraße heran. Die mit Planen bespannten Trosswagen hatten Bärenschädel über dem Kutschbock der Lenker – Schmuck und Einschüchterung zugleich. Ein schlanker, eher gut aussehender Kerl führte sie an, dessen silbrig gebürstetes Kettenhemd aus den löchrigen Schuppenpanzern seiner Männer hervorstach. Er zügelte sein Pferd vor Arnulf und lupfte eine Fellmütze: »Karl schickt Euch Heilsgrüße, Mann! Ich soll den Mist hier zu Ende bringen.«

      »Was redet Ihr da, Heden?«

      Mit einem Grinsen auf den Lippen sprang der königliche Hundertschaftsführer aus dem Sattel und umarmte den anderen. »Der Alte will Euch sehen, hamar ! Er hat was vor …« War da etwas wie Neid in Hedens Augen?

      »Ist der Hof denn noch in Worms?«

      Kopfschütteln. »Sie ziehen nach der Augsburg. Es geht gegen Tassilo, heißt es.«

      Arnulf stutzte. »Dasselbe sagte Einhard, bevor er überhaupt wusste, was los ist.«

      Heden feixte, helle Zähne leuchteten aus einem staubigen Gesicht. »Der gilerito liest die Gedanken des Königs, bevor Karl sie selbst kennt. Aber am Ende ist er auch nur ein Hofmann, zum Teufel!« Er schlug Arnulf auf die Schulter. Verlassen konnte man sich nur auf Waffenbrüder!

      Arnulf zeigte zur Festung hinauf und erläuterte, wie die Würzburg abzuriegeln war. Und welche Häuser in der Siedlung auf dem anderen Flussufer für die Fleisch- und Bierversorgung der Truppe aufkommen mussten.

      Heden nickte, ohne wirklich hinzuhören. »Dort drüben«, meinte er irgendwann, »in dieser hässlichen Kastenkirche, da liegt doch ein Heiliger?«

      »Sankt Kilian«, sagte Arnulf.

      »Kilian?« Heden pfiff durch die Zähne und warf Arnulf einen eigentümlichen Blick zu. »Ein ausgewachsener Heiliger in diesem Kaff friedlicher Menschen, ohne Bischof und ohne Mauern … kommen Eure Männer da auf Gedanken, hamar?«

      Arnulf räusperte sich und spürte eine winzige Gewissensregung – wie einen Mäusebiss in die Stiefelsohle. Der Diebstahl von Heiligenreliquien wurde streng geahndet. Aber wo kein Richter, da keine Strafe … »Mir egal«, sagte Arnulf leichthin. »Wir brechen morgen bei Sonnenaufgang auf. Heute Abend leeren wir ein paar Krüge zusammen, einverstanden?«

      * * *

      Fünf Tage später stießen sie bei Cannstatt am Neckar auf den königlichen Tross. Die Pfalz Cannstatt bestand aus einem steinernen Hauptgebäude mit Holzaufbau und einer Handvoll barackenartiger Nebengebäude. Der Amtmann, der dort für den König wirtschaftete, galt als sehr sparsam. Die Feldsteine der Halle waren römischen Ruinen am Neckar entnommen.

      »Ich brauche Euch in meiner Nähe, Arnulf!« Die fast schon herzliche Begrüßung des Königs bei Arnulfs Rückkehr gefiel dem Kriegsmann – einerseits. Andererseits ließ sie Fragen offen. Und offene Fragen, das hatte Arnulf zur Genüge erfahren, konnten alles Mögliche bedeuten: Dass man sich wenig später im Krieg mit einem Freund befand. Oder Frieden mit einem Feind schloss … Der König war niemals ganz berechenbar, weder für sein Gefolge noch für seine Feinde. Er konnte einen Edelmann, mit dem er noch nicht einmal versippt war, zu höchsten Ehren erheben und mit riesigen Ländereien beschenken. Er konnte Bauern einen ganzen Wald überlassen, aus dem er nach der Jagd mit ihrer Hilfe wieder herausgefunden hatte. Und er konnte den Schlachtentod eines Hundertschaftsführers, der ihm seit Jahren diente, mit nichts als ein paar Bekreuzigungen abtun, um anschließend eine Runde Schach mit Einhard zu spielen oder zu einer Konkubine zu gehen.

      Mehr als ein Dutzend Jahre im Königsdienst lagen hinter Arnulf; gute Zeiten wie schwere Zeiten, Trennungen auf Feldzügen, gemeinsame Zeit im Winterlager, Märsche bis vor die Küsten Afrikas, Kämpfe gegen verräterische Muselmanen und gegen Slawen in den Dickichten östlich der Elbe.

      Dass Verdienst wichtiger sei als Abstammung, sagte der König gerne im Zwiegespräch – vor allem gegenüber Gefolgsleuten ohne alten Familiennamen, wie Arnulf oder auch Heden. Aber wenn dann später das Gebiet eines unterworfenen Heidenfürsten oder das Land einer rebellischen Sippe zur Verteilung anstand, dann schien es stets die zu treffen, die schon reichlich Land, Hörige und Vieh besaßen. Schon länger haderte Arnulf damit. Aber er wusste, dass der König ihn früher oder später belohnen musste … Geduld, mahnte Erika ihn immer einmal wieder. Aber niemand wusste besser als sie, dass dies keine Paradetugend von Arnulf war.

      Irgendwann hatte er sich nach reichlich Wein im Zuge einer Siegesfeier einmal Einhard anvertraut, dem Gelehrten, mit dem Arnulf manches Abenteuer durchgestanden hatte. Einhard war der Sohn eines schlichten Amtmannes, der sich – wie Arnulf auch – aus eigener Kraft empor gearbeitet hatte. ›Ihr wart einst ein Holzhauer unter lauter Halbfreien im Hessengau, hamar‹, hatte der Ältere dem Kriegsmann gesagt. ›Schaut Euch heute an – Ihr könnt zufrieden sein!‹

      Auch Erika wies Arnulf gerne auf das hohe Ansehen hin, das er am Hof genoss, wenn sie seine innere Unruhe spürte. Zumindest hatte sie das früher getan. Nun, als er sich mit wachsender Ungeduld im Gewusel der Menschenmenge zwischen den Pfalzgebäuden nach ihr und Arthur umsah, wurde ihm klar, dass sie seit Längerem nicht mehr für ihr Leben am Hof gesprochen hatte.

      Er entdeckte seine Frau endlich mit allen drei Kindern in einem Trubel aus Weibern und Halbgaren am Rande der Anlage, aus dem Arthur mit einem weißen Kopfverband und der gelangweilten Haltung des Fastkriegers hervorstach: die Jüngeren und Jüngsten ritten auf Ponys kleine Kreise, und von Ferne sah es aus, als säße Arnulfs Tochter Gerswind auf einem der Zwergpferde. Ein plötzliches Glücksgefühl durchströmte ihn, am liebsten hätte er Erikas Namen gerufen und gewunken. Doch schon trat ihm der Marschalk in den Weg. »Wie viele Pferde habt Ihr unterwegs verloren, Hauptmann?« Dann waren da die Krieger des Grafen Worad, die ihn offenbar gesucht hatten: Er solle den schwerverletzten gundfanari des Königs auf dem Krankenlager aufsuchen, baten sie ihn. Arnulf musste der Bitte sogleich nachkommen. Der Kriegsmann war seit dem Attentat ein fieberndes Wrack mit einem fauligen Armstumpf, der bereits einmal amputiert worden war. »Jesus ist mir im Traum erschienen, hamar, ich werde wieder gesund … sagt das dem König, hört Ihr?!« Die unversehrte Linke griff nach Arnulfs Hand, eine heiße Fieberkralle, die sofort wieder erschlaffte. Bewegt drückte Arnulf die Hand des Mannes, der als Herr der Hundertschaften bisher zwischen ihm und dem König gestanden hatte. Dem Arnulf, wie die anderen Offiziere auch, Kriegertreue geschworen hatte!

      »Ich sage es Karl, aber …« Er fand nicht den Mut, den

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