Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
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Im Mittelpunkt der Insel befindet sich eine Spalte von fünfzig Ellen im Durchmesser, durch die die Astronomen in ein großes Gebäude hinabsteigen, das deshalb Flandona gagnole oder die Astronomenhöhle heißt und hundert Ellen über der Oberfläche des Diamanten liegt. In dieser Höhle brennen fortwährend zwanzig Lampen, die durch den Reflex des Diamanten nach allen Seiten hin ein starkes Licht ausstrahlen. Der Ort ist mit einer großen Menge von Astrolabien, Sextanten, Quadranten, Teleskopen und anderen astronomischen Instrumenten versehen. Die größte Merkwürdigkeit, wovon das Schicksal abhängt, besteht in einem Magnetstein von ungeheurer Größe, der an Gestalt einem Weberschiff ähnlich ist. Er beträgt sechs Ellen in der Länge und am dicksten Teil wenigstens drei Ellen. Dieser Magnet wird durch eine starke, diamantene Achse gehalten, die durch die Mitte geht; man hat ihn so genau im Gleichgewicht aufgestellt, daß die schwächste Hand ihn drehen kann. Er ist von einem hohlen Zylinder aus Diamant eingefaßt, der vier Fuß in Tiefe und Dicke, zwölf Ellen im Durchmesser beträgt und in horizontaler Lage von acht diamantenen, sechs Fuß hohen Füßen gehalten wird. In der Mitte der konkaven Seite befindet sich eine zwölf Zoll tiefe Rinne, worin die Enden der Achse laufen und nach Bedarf gedreht werden.
Der Stein kann durch keine Kraft fortgebracht werden, weil der Reif und das Fundament mit dem diamantenen Körper zusammenhängen, der den Boden der Insel bildet.
Mittels dieses Magnetsteins wird die Insel gehoben, gesenkt und fortbewegt. In bezug auf das von dem König beherrschte Land besitzt der Stein am Ende eine anziehende Kraft und an dem anderen eine abstoßende. Richtet man den Magneten in die Höhe, so daß die anziehende Kraft der Erde zugerichtet ist, so senkt sich die Insel; richtet man das abstoßende Ende nach unten, so steigt die Insel; erhält der Stein eine schräge Richtung, so bewegt sich die Insel in dieser Weise. Der Magnet äußert seine Kräfte stets in paralleler Richtung.
Durch die schräge Bewegung wird die Insel zu den verschiedenen Teilen des Reiches geführt. Um diese Reiseart zu versinnbildlichen, mag AB eine quer durch das Gebiet von Balnibarbi gezogene Linie bedeuten, CD den Magneten darstellen, wovon D das abstoßende, C das anziehende Ende ist; die Insel selbst schwebt über C. Erhält nun der Magnet die Richtung CD mit dem abstoßenden Ende nach unten, so bewegt sich die Insel nach D. Ist sie in D angekommen, mag man den Stein auf seiner Achse drehen, bis das anziehende Ende auf E gerichtet ist, und die Insel wird sich darauf nach E bewegen; wird der Stein nun wieder gedreht, bis er die Stellung EF annimmt, mit dem abstoßenden Ende nach unten, so wird die Insel in schräger Richtung nach F steigen, und richtet man sie durch die Anziehung nach G, so wird er sich nach G erheben und von G nach H kommen, wenn man das abstoßende Ende gerade nach unten stellt. Indem man so die Richtung des Steines verändert, läßt man die Insel in schräger Richtung fallen und steigen (letzteres ist jedoch nicht sehr bedeutend) und transportiert sie von einem Teil des Landes zum anderen.
Man muß jedoch bemerken, daß diese Insel sich nicht über das Königreich hinaus bewegen und auch nicht höher als zwei Stunden steigen kann. Die Astronomen, die dicke Bücher über den Stein geschrieben haben, erklären dies aus folgender Ursache: Die magnetische Kraft wirke sich nicht über vier Meilen weit aus, und das Mineral, das auf den Stein einwirkt und im Innern der Erde und in dem Meere bis auf die Entfernung von sechs Stunden, vom Ufer an gerechnet, verborgen liegt, sei nicht auf dem ganzen Erdkreis verbreitet, sondern allein auf das Gebiet des Königs beschränkt. Sonst würde es durch den Vorteil der höheren Lage sehr leicht sein, ein jedes Land zu unterwerfen, das im Bereich des Magneten liege.
Liegt der Magnet mit dem Horizont parallel, so steht die Insel still. Da seine Enden sich dann in gleicher Entfernung von der Erde befinden, wirken sie mit gleicher Kraft. Das eine zieht nach oben, das andere nach unten; somit kann auch keine Bewegung stattfinden.
Der Stein steht unter Leitung mehrerer Astronomen, die ihm auf Befehl des Königs die verschiedenen Richtungen geben. Diese verbringen den größten Teil ihres Lebens in der Beobachtung der Himmelskörper, und zwar durch Hilfe von Gläsern, welche die unsrigen bei weitem übertreffen. Obgleich die Teleskope nur drei Fuß Länge haben, vergrößern sie doch mehr als unsere von hundert Fuß und zeigen auch die Sterne mit größerer Deutlichkeit. Dieser Vorteil hat die Laputier in den Stand gesetzt, Entdeckungen zu ma chen, die wir in Europa nicht ahnen. In ihrem Katalog befinden sich zehntausend Fixsterne, während doch die größten Verzeichnisse, die wir besitzen, kaum ein Drittel dieser Zahl enthalten. Sie haben auch zwei Trabanten des Mars entdeckt, deren nächster von seinem Hauptplaneten so weit entfernt ist, wie dessen Durchmesser dreimal beträgt, und der entferntere fünfmal; ersterer läuft um den Mars in zehn, letzterer in einundzwanzig und einer halben Stunde. Das Quadrat der periodischen Umdrehung beider steht in demselben Verhältnis wie der Kubus ihrer Entfernung vom Zentrum des Mars, und dies beweist, daß sie nach denselben Gesetzen der Schwere regiert werden wie die übrigen Himmelskörper.
Außerdem haben die Laputier neununddreißig verschiedene Kometen beobachtet und ihre Bahnen mit großer Sicherheit beschrieben. Ist dies wirklich der Fall (und sie behaupten es mit dem größten Selbstvertrauen), so wäre zu wünschen, daß ihre Berechnungen allgemein bekannt würden; die Theorie der Kometen, die bei uns bis jetzt sehr lahm und mangelhaft ist, würde dadurch dieselbe Vollkommenheit erreichen wie andere Teile der Astronomie.
Der König würde der unumschränkteste Fürst der Erde sein, wenn er seine Minister überreden könnte, ihm hierin behilflich zu sein. Diese aber besitzen Güter auf dem Festlande und sagen sich, daß das Amt eines Günstlings ein sehr ungewisser Besitz sei. Deshalb wollen sie nie ihre Einwilligung dazu geben, ihrem Vaterlande zur Sklaverei zu verhelfen.
Wenn eine Stadt Meuterei und Empörung beginnt, in heftigen Parteikampf gerät oder die gewöhnlichen Abgaben nicht bezahlen will, so bringt sie der König durch zwei Methoden wieder zum Gehorsam. Das erste und mildere Verfahren besteht darin, daß er die Insel über einer solchen Stadt und dem sie umgebenden Gebiet schweben läßt, wodurch er die Einwohner des Sonnenscheins und des Regens beraubt und folglich Krankheiten und Teuerung bei ihnen entstehen läßt. Verdient ihr Verbrechen eine größere Strafe, so werden sie zugleich von oben mit großen Steinen beworfen, gegen die sie sich nicht anders schützen können, als daß sie sich in Keller und Höhlen verkriechen, während die Dächer ihrer Häuser zertrümmert werden. Bleiben sie dann noch immer hartnäckig und drohen sie sogar mit einem Aufstande, so läßt der König ihnen die Insel auf den Kopf fallen, wodurch sowohl Häuser als auch Menschen vernichtet werden. Dies ist jedoch nur ein außerordentliches Mittel, wozu der König nur selten genötigt wird und was er auch nicht in Anwendung zu bringen wünscht. Ferner wagen auch die Minister nicht, ihm eine Handlung anzuraten, wodurch sie dem Volke verhaßt und ihre eigenen Güter, die unten liegen, zerstört würden. Die Insel ist nämlich eine Domäne der Krone.
Es findet sich jedoch noch ein anderer Grund, weshalb die Könige dieses Landes stets einer so furchtbaren Handlung abgeneigt sind, wenn sie nicht durch die äußerste Not dazu gezwungen werden. Wenn nämlich die zu verwüstende Stadt große und spitze Felsen enthielte, wie dies in größeren Städten nicht ungewöhnlich ist, da die Einwohner eine solche Lage, wahrscheinlich um jene Katastrophe zu verhindern, häufig gewählt haben, oder eine Stadt viele Kirchtürme und steinerne Pfeiler besitzen sollte, so möchte die untere Fläche der Insel, obgleich sie aus Diamant besteht und zweihundert Ellen dick ist, durch den plötzlichen Stoß zerbrechen, oder wenn sie den Feuern der Häuser zu nahe käme, einen