Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
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Ich ging in ein anderes Zimmer, wo Wände und Decke gänzlich mit Spinnweben bedeckt waren; nur ein schmaler Weg war dem Künstler zum Ein- und Ausgehen geblieben. Als ich eintrat, rief er mir mit lauter Stimme zu, ich solle seine Spinnweben nicht beschädigen. Er beklagte den unglücklichen Irrtum, den die Welt so lange gehegt habe, indem sie Seidenwürmer benütze, da man doch eine solche Menge häuslicher Insekten habe, welche die Seidenwürmer durch Festigkeit im Weben und Spinnen bei weitem übertreffen. Auch war er der Meinung, durch Benützung der Spinnen würden die Kosten des Färbens der Seide gänzlich erspart werden; er zeigte mir eine Menge sehr schön gefärbter Fliegen, womit er seine Spinnen fütterte, und behauptete, die Spinnweben würden dadurch eine bestimmte Färbung bekommen. Da er nun Fliegen von allen Farben besitze, so hoffe er den Geschmack eines jeden zu befriedigen, sobald er ein passendes Futter von Gummi, Ölen und gallertartigen Stoffen für die Fliegen auffinden könne, wodurch dann auch die Fäden des Gewebes Stärke und Konsistenz erhalten müßten.
Ein Astronom hatte eine Unternehmung eingeleitet, eine Sonnenuhr auf dem Wetterhahn des Stadtturmes aufzustellen, welche die jährlichen und täglichen Bewegungen der Erde um die Sonne anzeigen und zugleich auch den zufälligen Wechsel des Windes angeben sollte.
Da ich seit einiger Zeit an einer leichten Kolik litt, brachte mich mein Führer in ein Zimmer, wo ein großer Arzt wohnte, der durch die Behandlung dieser Krankheit berühmt geworden war. Dieser kurierte durch die entgegengesetzte Behandlung des Organs. Er hatte nämlich einen großen Blasebalg mit einer langen und schmalen Mündung aus Elfenbein. Diese hielt er acht Zoll von dem Anus entfernt und behauptete, er könne die Eingeweide dadurch so eng machen wie eine getrocknete Blase. War aber die Krankheit zu hartnäckig und heftig, so steckte er die Mündung in den Leib des Patienten hinein, während der Blasebalg voll Wind war, und entlud diesen in die Eingeweide; alsdann zog er sein Instrument zurück, um es wieder zu füllen, hielt aber unterdessen mit seinem Daumen die Öffnung des Leibes zu. Nachdem dies drei- oder viermal wiederholt sei, müsse der hinzugekommene Wind nach seiner Behauptung sich herausdrängen und den schädlichen mit sich fortreißen, wie man Wasser in eine Pumpe schütte, um sie zu reinigen. Alsdann sei der Patient gänzlich wiederhergestellt. Ich sah, wie er beide Experimente bei einem Hunde machte, konnte jedoch keine Wirkung des ersteren bemerken. Nach dem zweiten war das Tier dem Bersten nahe und machte eine so furchtbare Entladung, daß diese mir und meinem Führer sehr ekelhaft wurde. Der Hund verendete auf der Stelle, und wir verließen den Doktor, als er ihn durch dieselbe Operation wieder zu erwecken versuchte.
Ich besuchte noch viele andere Zimmer, werde aber den Leser mit allen von mir beobachteten Merkwürdigkeiten nicht langweilen, da ich mich der Kürze befleißige.
Bis dahin hatte ich bloß eine Seite der Akademie gesehen: Die andere ist nämlich für die Förderer spekulativer Wissenschaften bestimmt; ich werde davon reden, wenn ich zuvor noch eine ausgezeichnete Person erwähnt habe, die dort mit dem Namen »universeller Künstler« bezeichnet wird. Dieser sagte uns, er habe dreißig Jahre lang ausschließlich die Verbesserung des menschlichen Lebens im Auge gehabt. Er hatte zwei Zimmer, die mit wunderbaren Seltenheiten gefüllt, und fünfzig Menschen, die stets an der Arbeit waren. Einige verdickten die Luft in eine trockene und berührbare Substanz, indem sie den Stickstoff ausschieden und die flüssigen Bestandteile verdunsten ließen; andere erweichten den Marmor zu Kissen; andere versteinerten die Hufe lebender Pferde, um sie vor dem Sturze zu bewahren. Der Künstler selbst beschäftigte sich damals mit zwei großartigen Projekten; das erste bestand darin, Ackerland mit Spreu zu besäen, wobei er eine außerordentliche Keimkraft nachweisen wollte und worüber er auch Versuche anstellte, die ich jedoch wegen zu geringer Intelligenz nicht verstehen konnte. Das andere Projekt war ein Plan, durch eine gewisse Mischung aus Gummi, Mineral- und Pflanzenstoffen, die äußerlich angewandt werden mußten, das Wachsen der Wolle auf zwei jungen Lämmern zu verhindern; er hoffte nach genügender Zeit die Zucht nackter Schafe in dem ganzen Königreich verbreiten zu können.
Wir gingen darauf zur anderen Seite der Akademie hinüber, wo die Projektemacher in spekulativen Wissenschaften, wie ich bereits erwähnt habe, residieren.
Der erste Professor, den ich sah, befand sich in einem großen Zimmer und war von vierzig Schülern umgeben. Nach der gewöhnlichen Begrüßung bemerkte er, daß ich interessiert einen Rahmen betrachtete, der den größten Teil des Zimmers in Länge und Breite ausfüllte, und sagte: Ich wundere mich vielleicht, daß er sich mit einem Projekt beschäftige, die spekulativen Wissenschaften durch praktische und mechanische Operationen zu verbessern. Die Welt werde aber bald die Nützlichkeit dieses Verfahrens bemerken. Er schmeichelte sich mit dem Gedanken, daß eine höhere und edlere Idee noch nie aus dem Gehirn eines Menschen entsprungen sei. Ein jeder wisse, wieviel Mühe die gewöhnliche Erlernung der Künste und Wissenschaften bei den Menschen erfordere; er sei überzeugt, durch seine Erfindung werde die ungebildetste Person bei mäßigen Kosten und bei geringer körperlicher Anstrengung Bücher über Philosophie, Poesie, Mathematik und Theologie ohne die geringste Hilfe des Genies oder von Studien schreiben können. Er führte mich an einen Rahmen, wo alle seine Schüler in Reihen aufgestellt waren. Der Rahmen enthielt zwanzig Quadratfuß und befand sich in der Mitte des Zimmers. Die Oberfläche bestand aus einzelnen Holzstücken von der Form eines Würfels, von denen jedoch einzelne größer als andere waren. Sie waren sämtlich durch leichte Drähte miteinander verbunden. Diese Holzstücke waren an jeder Fläche mit Papier überklebt, auf dem alle Worte der Landessprache in Konjugationen und Deklinationen, jedoch ohne alle Ordnung aufgeschrieben waren. Der Professor bat mich, achtzugeben, da er seine Maschine in Bewegung setzen wolle. Jeder Zögling nahm auf seinen Befehl einen eisernen Griff zur Hand, von denen vierzig am Rande befestigt waren. Durch eine plötzliche Wendung wurde die ganze Anordnung verändert. Dann befahl er sechzehn Knaben, die verschiedenen Zeilen langsam zu lesen, und wenn sie drei oder vier Worte herausgefunden hatten, die einen Satz bilden konnten, diktierten sie diese vier anderen Knaben, welche sie niederschrieben. Diese Arbeit wurde drei- oder viermal wiederholt. Die Maschine war aber so eingerichtet, daß die Worte bei der Umdrehung einen anderen Platz einnahmen, sobald das ganze Viereck sich von oben nach unten drehte.
Sechs Stunden mußten die Schüler täglich bei dieser Arbeit zubringen. Der Professor zeigte mir mehrere Folianten, die auf diese Weise aus abgebrochenen Sätzen gebildet waren und die er zusammenstellen wollte. Aus diesem reichen Material werde er einen vollständigen Inbegriff aller Wissenschaften und Künste bilden; ein Verfahren, das er jedoch verbessern und schneller beendigen könne, wenn das Publikum ein Kapital zusammenbringen wollte, um fünfhundert solcher Rahmen in Lagado aufzustellen, und wenn man die Unternehmer zwingen werde, in verschiedenen Sammlungen die nötige Summe beizusteuern.
Er gab mir die Versicherung, diese Erfindung habe schon von Jugend auf alle seine Gedanken in Anspruch genommen; er habe seinen Rahmen so eingerichtet, daß er den ganzen Sprachreichtum umfasse, und sogar das allgemeine Verhältnis berechnet, nach dem in Büchern Partikel, Haupt- und Zeitwörter und andere Redeteile vorkommen.
Ich bezeigte dieser ausgezeichneten Person meinen demütigsten Dank für seine große Güte, mir die ganze Erfindung mitzuteilen, und versprach, im Falle ich je in mein Vaterland zurückkehre, würde ich ihm Gerechtigkeit erweisen als dem einzigen Erfinder dieser wunderbaren Maschine, deren Form und Einrichtung ich aufs Papier warf. Ich sagte ihm: Obgleich es in Europa bei Gelehrten Gewohnheit sei, sich einander die Erfindungen zu stehlen, wodurch sie den Vorteil