Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
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Meine Reise war ohne Abenteuer oder Ereignis, das des Erzählens wert wäre. Als ich im Hafen von Maldonado ankam (das ist der Name), fand ich kein Schiff segelfertig, das nach Luggnagg bestimmt war. Auch war es unwahrscheinlich, daß bald ein Fahrzeug ankommen würde. Die Stadt ist so groß wie Portsmouth. Ich machte bald einige Bekanntschaften und ward sehr gastfrei aufgenommen. Ein Herr von höherem Stande sagte mir: Da Schiffe nach Luggnagg erst in einem Monate absegeln würden, möchte es mir keine unangenehme Unterhaltung gewähren, eine kleine Reise nach der Insel Glubdubdrib zu machen, die ungefähr fünf Stunden entfernt südwestlich liege. Er und einer seiner Freunde machten mir den Vorschlag, mich zu begleiten und ein passendes Fahrzeug für die Reise zu beschaffen.
Glubdubdrib bedeutet, soweit ich die Sprache verstehe, eine Insel von Hexenmeistern und Zauberern. Sie ist ungefähr ein Drittel so groß wie die Insel Wight, zugleich sehr fruchtbar, und wird von dem Haupte eines Stammes regiert, der ausschließlich aus Zauberern besteht. Die Mitglieder dieses Stammes verheiraten sich nur untereinander, und der älteste Sohn wird stets der Fürst oder Gouverneur. Er besitzt einen herrlichen Palast und einen Park von ungefähr dreihundert Morgen, der von einer zwanzig Fuß hohen Mauer aus gehauenem Stein umgeben ist. In diesem Parke befinden sich kleine Einfriedigungen für Viehweiden, Kornfelder und Gärten.
Der Gouverneur und seine Familie werden von einem etwas sonderbaren Gesinde bedient. Durch seine Geschicklichkeit in der Zauberkunst wird er in den Stand gesetzt, jede Person von den Toten zu zitieren und ihren Dienst auf vierundzwanzig Stunden, jedoch nicht länger, in Anspruch zu nehmen; auch darf er dieselbe Person erst nach drei Monaten wieder zitieren, wenn sich nicht eine ganz außerordentliche Gelegenheit darbietet.
Als wir gegen elf Uhr morgens an der Insel gelandet waren, ging einer der Herren, die mich begleiteten, zum Gouverneur und bat um Audienz für einen Fremden, der zu dem Zwecke gekommen sei, um diese Ehre von Seiner Hoheit zu erlangen. Die Bitte wurde sogleich gewährt, und wir gingen alle drei in das Hoftor durch eine Reihe von Garden, die nach sehr altmodischer Weise gekleidet und bewaffnet waren und einen Schauder in mir erweckten, den ich nicht auszudrücken vermag. Wir kamen durch mehrere Zimmer, wo sich Diener derselben Art befanden, die reihenweise aufgestellt waren, bis wir in den Audienzsaal gelangten. In diesem wurde uns nach drei tiefen Verbeugungen und einigen allgemeinen Fragen die Erlaubnis erteilt, uns auf drei Stühlen neben dem Throne Seiner Hoheit niederzusetzen.
Dieser Fürst verstand die Sprache von Balnibarbi, obgleich sie von der dieser Insel verschieden war. Er bat mich, ihm einen Bericht von meinen Reisen zu geben; und um mir zu zeigen, daß er sich mit mir auf vertrauten Fuß stelle, entließ er alle seine Begleiter mit einem Winke seines Fingers, die denn auch augenblicklich verschwanden wie Visionen eines Traumes. Einige Zeitlang war ich sehr bestürzt, bis mir der Gouverneur die Versicherung gab, ich werde keinen Schaden erleiden; und als ich nun auch bemerkte, daß meine beiden Gefährten, die schon oft in dieser Art unterhalten worden waren, durchaus gleichgültig blieben, fing ich an, wieder Mut zu fassen, und erzählte Seiner Hoheit meine Abenteuer; jedoch hatte ich noch immer Bedenken und sah mich häufig nach dem Platz um, wo ich die gespenstischen Bedienten erblickt hatte.
Ich hatte die Ehre, mit dem Gouverneur zu speisen, wo dann eine neue Reihe Geister das Essen auftrug und bei Tische aufwartete. Jetzt bemerkte ich schon, daß ich weniger erschrak als am Morgen. Ich blieb bis Sonnenuntergang und bat untertänig, Seine Hoheit möge entschuldigen, wenn ich seine Einladung, im Palaste zu schlafen, nicht annehmen könne. Meine Freunde schliefen mit mir in einem Privathause der nahen Stadt, welche die Hauptstadt dieser kleinen Insel ist. Am nächsten Morgen nahmen wir uns aber die Freiheit, dem Gouverneur wieder unsere Aufwartung zu machen, wie er die Güte gehabt hatte, uns zu befehlen.
Auf diese Weise blieben wir zehn Tage auf der Insel, indem wir beinahe täglich beim Gouverneur und des Nachts in unserer Wohnung waren. Ich wurde bald mit dem Anblick der Geister so vertraut, daß sie nach dem dritten- oder viertenmal durchaus keinen Eindruck mehr auf mich machten, oder wenn dies auch noch stattfand, so war meine Neugier doch zuletzt überwiegend. Seine Hoheit befahl mir nämlich, alle Personen in beliebiger Zahl unter allen Toten von Anfang der Welt bis gegenwärtig, wie es mir gerade einfiel, zu nennen. Er werde ihnen befehlen, alle Fragen, wozu ich Lust hätte, zu beantworten, unter der Bedingung, daß die Fragen auf die Zeit, worin jeder Tote gelebt hätte, beschränkt blieben. Ich könne mich auf eins genau verlassen, daß sie mir die Wahrheit sagen würden, da das Lügen in der anderen Welt durchaus nichts helfe.
Ich dankte Seiner Hoheit auf die verbindlichste Weise für eine so große Gnadenbezeigung. Wir befanden uns in einem Zimmer, von wo wir eine schöne Aussicht in den Park genossen. Weil nun meine erste Neigung dahin zielte, mich mit Szenen des Pompes und der Pracht unterhalten zu lassen, so wünschte ich, Alexander den Großen an der Spitze seines Heeres nach der Schlacht bei Arbela zu sehen, der denn auch sogleich auf eine Bewegung des Fingers von seiten des Gouverneurs unter dem Fenster, wo wir standen, erschien.
Alexander ward in das Zimmer zitiert, und nur mit einiger Schwierigkeit verstand ich sein Griechisch, ebenso wie er auch von dem meinigen nicht viel verstehen konnte. Er gab mir sein Wort, er sei nicht vergiftet worden, sondern an einem Fieber gestorben, das infolge eines heftigen Katzenjammers entstanden sei.
Hierauf sah ich, wie Hannibal die Alpen passierte. Dieser sagte mir, er habe keinen einzigen Tropfen Essig in seinem Lager gehabt.8
Dann wurden mir Cäsar und Pompejus an der Spitze ihrer Truppen vorgeführt, und zwar in dem Augenblick, als sie im Begriff waren, die Schlacht von Pharsalus zu liefern. Ersteren sah ich auch in seinem letzten großen Triumph. Ich wünschte, der römische Senat möge in einem großen Zimmer und eine moderne Repräsentativversammlung in einem anderen vor mir erscheinen. Der erstere erschien mir als eine Versammlung von Helden und Halbgöttern; die andere als ein Zusammenlauf von Krämern, Taschendieben, Räubern und Renommisten.
Der Gouverneur gab auf mein Verlangen Cäsar und Brutus ein Zeichen, zu uns heranzutreten. Beim Anblick des Brutus ward ich von höchster Ehrerbietung erfüllt und konnte in jedem Zuge seines Gesichts die strengste Tugend, die größte Unerschrockenheit und Seelenfestigkeit, die reinste Vaterlandsliebe und allgemeines Wohlwollen gegen die ganze Menschheit sehr leicht erkennen.
Ich bemerkte mit vielem Vergnügen, daß diese beiden Personen in gutem Einverständnis miteinander standen, und Cäsar gestand mir freimütig, die großen Handlungen seines eigenen Lebens seien um viele Grade nicht vergleichbar mit dem Ruhme seiner Ermordung.
Ich hatte die Ehre eines langen Gesprächs mit Brutus und erfuhr von ihm, sein Vorfahr Junius, Sokrates, Epaminondas, Cato der Jüngere, Sir Thomas More und er selbst befänden sich in immerwährender Gesellschaft, ein Verein von sechs Männern, zu dem alle Zeitalter der Welt den siebenten nicht hinzufügen könnten.
Ich würde dem Leser Langeweile erwecken, wollte ich die ungeheure Anzahl aller erlauchten Personen hier anführen, die zur Befriedigung meines unersättlichen Verlangens, die Welt in jeder Periode des Altertums zu erblicken, von dem Gouverneur herbeizitiert wurden. Ich weidete meine Augen hauptsächlich an den Vernichtern der Tyrannen und Usurpatoren und an den Helden, welche die Freiheit unterdrückter und gemißhandelter Nationen wiederherstellten. Es ist mir jedoch unmöglich, das Vergnügen meines Herzens so zu beschreiben, daß der Leser einen Begriff davon erhält.