Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
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Ich hatte oft von großen Diensten gelesen, die Fürsten und Staaten erwiesen wurden, und wünschte deshalb, die Personen zu sehen, die jene Dienste geleistet hatten. Nach näherer Untersuchung wurde mir aber gesagt, die Namen befänden sich in keiner geschichtlichen Angabe, mit Ausnahme weniger, die man als die schändlichsten Schurken und Verräter dargestellt hatte. Von den übrigen war mir kein einziger Name bekannt. Sie alle erschienen mit gesenkten Blicken und in den schlechtesten Kleidern; die meisten sagten mir, sie seien in Armut und Schande und die übrigen am Galgen oder auf einem Schafott gestorben.
Unter anderen sah ich einen Mann, dessen Fall mir als etwas Besonderes erschien. An seiner Seite stand ein Jüngling von ungefähr achtzehn Jahren. Er sagte mir: Mehrere Jahre lang sei er der Befehlshaber eines Schiffes gewesen; in der Seeschlacht von Actium habe er das Glück gehabt, durch die Schlachtlinie des Feindes zu brechen, drei Hauptschiffe zu versenken und ein viertes zu nehmen. Dieses sei die einzige Ursache von des Antonius Flucht und des daraus sich ergebenden Sieges gewesen; der neben ihm stehende Jüngling sei sein Sohn, der in diesem Kampfe sein Leben verloren habe. Er fügte hinzu: Im Vertrauen auf sein Verdienst sei er nach Beendigung des Krieges nach Rom gegangen und habe am Hofe des August um Beförderung als Befehlshaber eines größeren Schiffes nachgesucht, dessen Kommandeur in der Schlacht gefallen war; die Stelle sei jedoch, ohne Rücksicht auf seine Ansprüche, einem Knaben gegeben, der noch nie das Meer gesehen hatte, dem Sohn einer ehemaligen Sklavin Libertina, der einer Geliebten des Kaisers seine Aufwartung gemacht habe. Als er nun zu seinem eigenen Schiff zurückgekehrt sei, habe man ihm Vernachlässigung des Dienstes zum Vorwurf gemacht; der Befehl über sein Schiff sei einem Lieblingspagen des Vizeadmirals Publicola übertragen worden. Hierauf habe er sich auf ein kleines, von Rom weit entferntes Landgut zurückgezogen und dort sein Leben geendet.
Ich war so neugierig, die Wahrheit dieser Geschichte zu erfahren, daß ich mir erbat, Agrippa, der Admiral in jener Schlacht, möchte heraufbeschworen werden. Dieser erschien und bestätigte mir den ganzen Bericht noch mehr zum Vorteil des Kapitäns, dessen Bescheidenheit einen großen Teil seines Verdienstes vermindert oder verheimlicht hatte.
Ich erstaunte, die Verderbtheit in jenem Reiche durch die Gewalt des eingeführten Luxus so weit und schnell verbreitet zu sehen, weshalb ich mich über mehrere Parallelfälle in anderen Ländern weniger wunderte, wo Laster jener Art weit länger geherrscht haben, wo der ganze Ruhm sowie auch die Beute ausschließlich dem ersten Befehlshaber erteilt wurde, der vielleicht auch nicht den geringsten Anspruch auf eines von beiden hatte.
Da jeder beschworene Geist in der Art vor mir erschien, wie es früher bei ihm im Leben der Fall gewesen war, so erweckte dies bei mir den melancholischen Gedanken, das Menschengeschlecht sei in dem letzten Jahrhundert sehr entartet; die Blattern, unter jeder Benennung und mit allen Folgen, hätten jeden Zug der englischen Physiognomie entstellt, die Größe der Körper vermindert, die Nerven geschwächt, die Spannkraft der Sehnen und Muskeln verringert, eine bleiche Gesichtsfarbe hervorgebracht und das Fleisch schlaff und übelriechend gemacht.
Ich stieg so weit hinunter, daß ich auch einige englische Freisassen vom alten Schlage heraufbeschwören ließ; jene Männer, die wegen der Einfachheit ihrer Sitten, ihrer Lebensart und Kleidung, wegen der Gerechtigkeit in ihrem Verfahren, wegen ihres freien Geistes, ihrer Tapferkeit und Vaterlandsliebe so sehr berühmt waren.
Ich konnte eine gewisse Aufregung nicht unterdrücken, als ich die Toten mit den Lebenden verglich und dabei bedachte, wie alle diese reinen und angeborenen Tugenden von ihren Enkeln für Geld preisgegeben werden, die sich durch den Verkauf ihrer Stimmen und durch ihr Verfahren bei Wahlen jedes Laster und jede Verderbnis erworben haben, die nur an einem Hofe erworben werden können.
9 Newtons Lehre.
10 Kein Mann ist tapfer, keine Frau keusch.
Neuntes Kapitel
Der Verfasser kehrt nach Maldonado zurück und segelt nach dem Königreich Luggnagg. Er wird eingesperrt und an den Hof gebracht. Die Art, wie er Audienz erhält. Des Königs Milde gegen seine Untertanen.
Lange genug war ich auf der Insel gewesen. Ich nahm deshalb Abschied von Seiner Hoheit, dem Gouverneur, und kehrte mit meinen beiden Reisegefährten nach Maldonado zurück. Als ich vierzehn Tage lang gewartet hatte, war ein Schiff nach Luggnagg segelfertig; die beiden Herren und einige andere waren so liebenswürdig, mich mit Lebensmitteln zu versehen und mich an Bord zu geleiten. Auf dieser Reise brachte ich einen Monat zu. Wir überstanden einen heftigen Sturm und mußten westwärts steuern, um in einen regelmäßigen Wind zu kommen, der auf einem Striche von mehr als sechzig Stunden in einer Richtung weht. Am 21. April 1708 fuhren wir in den Fluß Clumegnig ein, wo eine Hafenstadt an der südöstlichen Spitze von Luggnagg liegt. Wir warfen eine Stunde von der Stadt entfernt Anker und signalisierten nach einem Lotsen. Zwei von ihnen kamen nach einer halben Stunde an Bord und führten uns dann durch Bänke und Felsen, welche die Durchfahrt sehr gefährlich machten, in ein breites Becken, wo in der Entfernung einer Kabellänge von der Stadtmauer eine ganze Flotte mit Sicherheit ankern kann.
Einige unserer Matrosen hatten aus Verräterei oder aus Unvorsichtigkeit den Lotsen gesagt, ich sei ein großer Reisender. Deshalb wurde ich von einem Zollbeamten bei meiner Landung sehr genau ins Verhör genommen. Dieser Beamte redete mit mir in der Sprache von Balnibarbi, die wegen des starken Handels in dieser Stadt von den meisten, hauptsächlich aber von Seeleuten und Zollbeamten, verstanden wird. Ich gab ihm einen kurzen Bericht von einigen Einzelheiten und erzählte meine Geschichte so deutlich und konsequent wie möglich. Ich hielt es jedoch für notwendig, mein Vaterland zu verschweigen und mich als Holländer auszugeben, weil ich nach Japan reisen wollte und weil ich wußte, daß die Holländer die einzigen Europäer seien, die in dieses Land gelangen könnten. Ich sagte deshalb dem Beamten: Nachdem ich an der Küste von Balnibarbi Schiffbruch erlitten und auf einen Felsen geworfen worden sei, habe man mich in Laputa oder der schwebenden Insel aufgenommen (wovon der Beamte gehört hatte), und ich wollte jetzt nach Japan, um dort eine Gelegenheit zur Rückkehr in mein Vaterland zu finden. Der Beamte sagte: Ich müsse verhaftet werden, bis er Befehle von seinem Hofe erhalten habe; er werde sogleich dorthin berichten und hoffe, in vierzehn Tagen eine Antwort zu bekommen. Hierauf wurde ich in eine passende Wohnung gebracht und eine Schildwache vor meiner Tür aufgestellt; ich konnte jedoch einen großen Garten zu Spaziergängen benutzen und wurde mit aller Menschlichkeit behandelt; meine Ernährung geschah auf Kosten des Königs. Auch erhielt ich Besuche von mehreren Personen, und zwar aus Neugier, weil man berichtete, ich sei von sehr entfernten Ländern gekommen, von denen man bisher noch nichts gehört habe.
Ich mietete mir einen jungen Mann, der mit mir in demselben Schiff die Überfahrt gemacht hatte, als Dolmetscher. Er war in Luggnagg geboren, hatte aber mehrere Jahre in Maldonado gelebt und besaß eine genaue Kenntnis beider Landessprachen. Dadurch war es mir möglich, mich mit denen, die mich besuchten, zu unterhalten; das Gespräch bestand jedoch allein aus ihren Fragen und meinen Antworten.
Die Depesche kam vom Hofe zu der erwarteten Zeit. Sie enthielt einen Verhaftsbefehl, mich und mein Zubehör nach Traldragdubh oder Trildrogdrib (soweit ich mich erinnere, wird das Wort in beiderlei Arten ausgesprochen) mit zehn Mann Kavallerie zu transportieren. Mein ganzes Zubehör bestand aber aus dem armen Burschen von Dolmetscher, den ich überredet hatte, in meinen Dienst zu treten; und auf mein demütiges Gesuch erhielten wir beide als Reittiere zwei Maulesel. Ein Bote wurde