Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
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Hier fügte ich auch noch eine andere Bitte hinzu: Aus Rücksicht auf meinen Beschützer, den luggnaggischen König, möge Seine Majestät die Herablassung zeigen, mir die meinen Landsleuten auferlegten Zeremonien zu erlassen, wonach sie das Kruzifix mit Füßen treten müßten. Ich sei ja, ohne Absicht Handel zu treiben, durch Unglück in dies Reich geraten. Als diese letzte Bitte dem Kaiser übersetzt worden war, schien er ein wenig erstaunt und äußerte: Ich sei der erste meiner Landsleute, der in diesem Punkte Bedenken geäußert habe; somit hege er Zweifel, ob ich ein wirklicher Holländer, und Verdacht, daß ich ein Christ sei. Wegen der Gründe, die ich angeführt, vorzüglich aber, um dem König von Luggnagg durch eine besondere Gunstbezeigung gefällig zu sein, werde er sich bei meiner besondern Laune nachgiebig erweisen. Die Angelegenheit müsse jedoch mit Geschicklichkeit ausgeglichen werden; seine Offiziere würden Befehl erhalten, mich passieren zu lassen, als sei dies durch Vergeßlichkeit geschehen. Er könne mir die Versicherung geben, daß meine Landsleute, die Holländer, mir unterwegs den Hals abschneiden würden, wenn sie dies Geheimnis entdeckten. Ich dankte durch meinen Dolmetscher auf die verbindlichste Weise für eine so außerordentliche Gunstbezeigung. Da nun damals einige Truppen nach Nagasaki marschierten, so erhielt der kommandierende Offizier Befehl, mich dorthin in Sicherheit zu bringen, und außerdem noch besondere Instruktionen im Hinblick auf das Kruzifix.
Am 9. Juni 1709 war ich nach einer langen und verdrießlichen Reise in Nagasaki angelangt und machte bald Bekanntschaft mit einem holländischen Matrosen der »Amboyna« von Amsterdam, einem starken Schiff von vierhundertundfünfzig Tonnen.
Ich hatte lange in Holland gelebt, weil ich früher in Leyden studierte, und verstand deshalb die Sprache. Die Matrosen erfuhren bald, woher ich zuletzt gekommen war; sie erkundigten sich neugierig nach meinen früheren Reisen und nach meinem Lebenslauf. Ich brachte deshalb eine Geschichte, so kurz und wahrscheinlich wie möglich, zusammen, verschwieg jedoch das meiste aus meinem Leben. Ich kannte in Holland viele Personen und konnte leicht Namen für Verwandte erfinden, von denen ich vorgab, sie beständen aus Leuten niederen Stande in der Provinz Geldern.
Ich hätte dem Kapitän Theodor Vangrult sehr gern bezahlt, was er mir für die Reise nach Holland abgefordert haben würde. Als er aber erfuhr, ich sei Wundarzt, so begnügte er sich, mir die halbe Taxe der Überfahrt abzuverlangen unter der Bedingung, daß ich ihm in meinem Berufe diente. Ehe wir unter Segel gingen, wurde mir von einigen aus der Schiffsmannschaft die Frage vorgelegt, ob ich die erwähnte Zeremonie bereits ausgeführt hätte. Ich wich dieser Frage durch die allgemeine Antwort aus, ich habe den Kaiser und seinen Hof in jeder Hinsicht zufriedengestellt. Ein boshafter Schurke von einem Bootsknecht ging aber zu einem Offizier und sagte diesem, indem er auf mich zeigte, ich wäre noch nicht auf das Kruzifix getreten; der Offizier jedoch, der Instruktionen hatte, mich durchzulassen, gab dem Schurken zwanzig Hiebe mit einem Bambusrohr, worauf ich dann auch nicht weiter mit solchen Fragen belästigt wurde.
Auf dieser Reise ereignete sich nichts Erwähnenswertes. Wir segelten mit gutem Wind zum Kap der Guten Hoffnung, wo wir nur anlegten, um frisches Wasser einzunehmen. Am 10. April 1710 kamen wir wohlbehalten in Amsterdam an, nachdem wir auf der Reise drei Mann durch Krankheit und einen vierten durch einen Fall vom Vormaste verloren hatten. Von Amsterdam segelte ich bald darauf in einem Schiffe aus jener Stadt nach England.
Am 16. April ankerten wir in den Dünen. Ich landete am nächsten Morgen und sah mein Vaterland nach einer Abwesenheit von fünf Jahren und sechs Monaten wieder. Ich ging geradewegs nach Redriff, wo ich an demselben Tage um zwei Uhr nachmittags eintraf und meine Frau und meine Familie in bester Gesundheit vorfand.
Reise in das Land der Hauyhnhnms
Erstes Kapitel
Der Verfasser segelt als Kapitän eines Schiffes ab. Seine Leute verschwören sich gegen ihn, verschließen ihn längere Zeit in seiner Kajüte und setzen ihn in einem unbekannten Lande ans Ufer. Er reist in das Innere des Landes. Beschreibung des Yähu, eines sonderbaren Tieres. Der Verfasser begegnet zwei Hauyhnhnms.
Ich blieb ungefähr fünf Monate bei meiner Frau und meinen Kindern, und zwar unter sehr glücklichen Umständen; hätte ich nur einsehen können, daß ich in Wahrheit glücklich war! Ich verließ meine Frau guter Hoffnung und nahm ein vorteilhaftes Anerbieten an, Kapitän des »Abenteurers« zu werden, eines großen Kauffahrers von dreihundertundfünfzig Tonnen. Ich war nämlich der Nautik vollkommen kundig und der Beschäftigung eines Wundarztes, die ich nur gelegentlich zur See ausübte, müde geworden. Deshalb nahm ich einen geschickten jungen Mann dieses Berufes, Robert Purefoy, in mein Schiff auf. Wir segelten von Portsmouth am 7. September 1710 ab und trafen am 14. bei Teneriffa Kapitän Pocock aus Bristol, der nach der Campeche-Bay segelte, um Bauholz zu fällen. Am 16. wurde er durch einen Sturm von uns getrennt; ich habe später gehört, daß er scheiterte und daß die ganze Mannschaft mit Ausnahme eines Schiffsjungen zugrunde ging. Er war ein ehrlicher Mann und seines Handwerks vollkommen kundig, allein zu hartnäckig in seinen Meinungen, und dies war der Grund seines Untergangs wie bei vielen anderen. Wäre er meinem Rate gefolgt, so säße er jetzt in derselben Sicherheit wie ich bei seiner Familie.
Mehrere Leute auf meinem Schiffe waren an hitzigen Fiebern der tropischen Gegenden gestorben, so daß ich genötigt war, Matrosen in Barbados und auf den Inseln unter dem Winde anzuwerben, wo ich nach dem Auftrage der Schiffsherren anlegen mußte. Bald aber hatte ich Grund, dies zu bereuen, denn ich fand nachher, daß die meisten Bukanier11 waren. Ich hatte fünfzig Mann unter meinem Befehl und Auftrag, mit den Indern der Südsee Handel zu treiben und alle nur möglichen Entdeckungen zu machen. Jene Schurken, die ich aufgenommen hatte, verführten meine anderen Leute, und alle bildeten eine Verschwörung, sich des Schiffes zu bemächtigen und mich beiseite zu schaffen. Dies geschah eines Morgens. Alle stürzten in meine Kajüte, banden mich an Händen und Füßen und drohten, mich über Bord zu werfen, wenn ich mich wehre. Ich sagte ihnen, ich sei Gefangener und werde mich unterwerfen. Dann nahmen sie mir hierüber einen Eid ab, banden mich los, fesselten meine Füße mit einer Kette an mein Bett und stellten an meine Tür eine Schildwache mit geladenem Gewehr und dem Befehl, mich zu erschießen, sobald ich mich zu befreien versuchte. Sie schickten mir Lebensmittel und Getränk herunter und übernahmen selbst den Befehl meines Schiffes. Es war ihre Absicht, Piraten zu werden und die Spanier zu plündern, was sie jedoch nicht eher ausführen konnten, als bis sie mehr Leute angeworben hatten. Zuerst aber beschlossen sie, die Güter aus dem Schiffe zu verkaufen. Dann wollten sie nach Madagaskar segeln, um Rekruten zu werben, da mehrere von ihnen seit meiner Gefangennahme gestorben waren. Sie segelten mehrere Wochen lang und handelten mit den Indern; ich wußte aber nicht, welche Richtung sie einschlugen, da ich als Gefangener in der Kajüte eingeschlossen war und stets ermordet zu werden fürchtete; eine Drohung, die mir häufig gemacht wurde.
Am 9. Mai 1711 kam ein gewisser James Welch in meine Kajüte und sagte, er habe vom Kapitän Befehl, mich ans Ufer zu setzen. Ich machte ihm Vorstellungen, jedoch vergeblich. Er wollte mir nicht einmal sagen, wer denn der neue Kapitän sei. Man zwang mich, das lange Boot zu besteigen, erlaubte mir, meinen besten Anzug anzulegen, der noch so gut wie neu war, ein Bündel Wäsche, aber keine Waffen mitzunehmen, mit Ausnahme meines Hirschfängers. Auch erwies man mir die Höflichkeit, meine Taschen nicht zu durchsuchen, worin ich mein Geld und kleine Bedarfsgegenstände trug. Die Empörer ruderten ungefähr eine Stunde und setzten mich dann an einem Strande aus. Ich bat sie, mir zu sagen, in welchem Lande ich mich befände. Sie schwuren jedoch, dies ebensowenig zu wissen wie ich. Der Kapitän (wie sie ihn nannten) habe beschlossen, sobald die Ladung verkauft sei, sich meiner sogleich zu entledigen, wenn man Land entdeckte. Sie stießen ab, rieten mir, mich zu beeilen, damit ich von der Flut nicht überrascht würde, und sagten mir Lebewohl.
In diesem traurigen Zustande ging ich vorwärts und kam bald auf festen Boden, wo ich mich auf einer Erhöhung niedersetzte, um auszuruhen und zu überlegen, was ich am zweckmäßigsten beginnen könne. Als ich mich ein wenig erholt hatte, ging ich in das Innere des Landes und beschloß, mich den ersten Wilden zu ergeben, die ich anträfe, und mit Armbändern, Glasringen