Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
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Читать онлайн книгу Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten - Jonathan Swift страница 56
In meiner Not bemerkte ich jedoch, wie sie plötzlich alle so schnell wie möglich davonliefen. Hierauf wagte ich es, den Baum zu verlassen und meinen Weg weiterzuverfolgen, voll Neugier, was jene Tiere erschreckt haben könnte. Als ich aber linkshin blickte, sah ich ein Pferd, das langsam auf dem Felde spazierenging; dies war aber die Ursache, weshalb meine Angreifer flohen, als sie dies Tier erblickt hatten. Das Pferd fuhr ein wenig zurück, als es mich erblickt hatte, erholte sich jedoch bald von seinem Schrecken und sah mir mit deutlichen Zeichen des Erstaunens ins Gesicht. Es besah meine Hände und Füße und ging mehrere Male um mich herum. Ich wollte meinen Pfad weiterverfolgen; es stellte sich mir jedoch in den Weg, blickte mich freundlich an und zeigte nicht die geringste Neigung zur Gewalttätigkeit. Wir blieben stehen, indem wir einander eine Zeitlang ansahen; zuletzt war ich so kühn, meine Hand zu seinem Halse zu erheben, in der Absicht, es zu streicheln, und pfiff dabei, wie dies Reitknechte zu tun pflegen, wenn sie ein fremdes Pferd behandeln müssen. Das Tier aber schien meine Höflichkeit mit Verachtung aufzunehmen, schüttelte sein Haupt, senkte seine Brauen und erhob ruhig seinen Vorderfuß, um meine Hand zu entfernen. Dann wieherte es drei- oder viermal, jedoch in so verschiedenem Ton, daß ich auf den Gedanken kam, es spreche mit sich selbst in einer ihm eigentümlichen Sprache.
Als wir beide uns auf diese Weise miteinander beschäftigten, kam ein anderes Pferd hinzu. Dies begann in einer etwas förmlichen Weise sich an das erstere zu wenden; dann berührten sie leicht ihre Vorderhufe, wieherten abwechselnd mehrere Male und veränderten dabei den Ton, so daß dies beinahe gesprochen zu sein schien. Sie gingen einige Schritte zurück, als wollten sie sich miteinander beraten, spazierten nebeneinanderher, rückwärts und vorwärts, wie Personen, die sich über eine wichtige Angelegenheit unterhalten, wobei sie häufig ihre Blicke auf mich hinwendeten, als wollten sie mich bewachen, damit ich nicht entwische. Ich staunte, ein solches Benehmen bei unvernünftigen Tieren zu bemerken, und dachte bei mir selbst, wenn die Einwohner dieses Landes einen entsprechenden Grad von Vernunft besitzen, so müssen sie das weiseste Volk der Erde sein. Dieser Gedanke gab mir so viel Trost, daß ich weiterzugehen beschloß, bis ich ein Haus oder ein Dorf entdecken oder mit den Eingeborenen zusammentreffen könnte, indem ich die beiden Pferde sich nach Belieben miteinander unterhalten ließe. Das erste Pferd jedoch, das eine scheckige graue Farbe hatte, wieherte, als ich mich fortstehlen wollte, in so ausdrucksvollem Tone, daß ich seinen Willen zu verstehen glaubte; deshalb drehte ich mich um und ging darauf zu, um seine weiteren Befehle zu erwarten, indem ich jedoch meine Furcht soviel wie möglich zu verbergen suchte. Ich begann nämlich Besorgnis zu fühlen, wie dies Abenteuer enden würde, und der Leser wird sich leicht denken können, daß ich mit meiner gegenwärtigen Lage nicht sehr zufrieden war.
Die beiden Pferde kamen mir näher und besahen sehr ernsthaft mein Gesicht und meine Hände. Das graue berührte meinen Hut mit dem Vorderhuf und verschob ihn so sehr, daß ich genötigt war, ihn abzunehmen, um ihn besser wieder aufzusetzen, worauf beide (das andere Pferd war kastanienbraun) sehr erstaunt schienen. Das letztere befühlte meinen Rockschoß, und als es fand, daß dieser lose um mich herumhing, sahen mich beide mit neuen Zeichen der Verwunderung an. Es streichelte meine rechte Hand und schien ihre Zartheit und Farbe zu bewundern, drückte sie aber so stark zwischen den Huf und das Fesselgelenk, daß ich aufzuschreien genötigt wurde. Sie kamen auch sehr in Verlegenheit über meine Schuhe und Strümpfe, die sie oft befühlten, worauf sie einander mit verschiedenen Bewegungen zuwieherten, die denen eines Philosophen glichen, wenn er ein neues und schwieriges Phänomen lösen will.
Im ganzen war das Benehmen dieser Tiere so ordentlich und vernünftig, so scharfsinnig und klug, daß ich zuletzt daraus schließen mußte, es seien Zauberer, die sich zu irgendeinem Zweck verwandelt und beschlossen hätten, sich an einem Fremden zu belustigen, den sie unterwegs anträfen; oder vielmehr, die über den Anblick eines Menschen wirklich erstaunten, der in Kleidung, Gesichtszügen und Farbe von den übrigen Menschen, die in einem so entfernten Klima wohnen könnten, so verschieden sei. Infolge dieses Schlusses hielt ich an sie folgende Anrede: »Meine Herren, wenn Sie Zauberer sind, wie ich zu vermuten die Ursache habe, so müssen Sie jede Sprache verstehen können. Ich bin darum so frei, Euer Gnaden wissen zu lassen, daß ich ein armer Engländer bin, der durch ein Unglück an dieses Land verschlagen wurde. Deshalb bitte ich einen von Ihnen, mich auf seinem Rücken reiten zu lassen, als wären Sie wirkliche Pferde, und mich zu einem Hause oder zu einer Stadt zu bringen, wo ich werde Hilfe finden können. Als Belohnung für diese Gefälligkeit werde ich Ihnen dies Messer und dieses Armband geben.« (Ich hatte beide zuvor aus meiner Tasche gezogen.) Die beiden Geschöpfe schwiegen, während ich sprach, schienen jedoch mir mit großer Aufmerksamkeit zuzuhören; als ich geendet hatte, wieherten beide sich häufig zu, als wären sie in ein ernsthaftes Gespräch vertieft. Ich bemerkte deutlich, daß ihre Sprache die Leidenschaften sehr gut ausdrückte und daß die Worte in ein Alphabet gebracht werden könnten, das bei weitem einfacher als das chinesische sein müßte.
Ich konnte häufig das Wort Yähu unterscheiden, das mehrere Male von ihnen wiederholt wurde, und obgleich es mir unmöglich war, die Bedeutung zu erraten, so bemühte ich mich, während die beiden Pferde sich