Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
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Hierauf begaben wir uns in die Sprachschule, wo drei Professoren sich über die zweckmäßigste Methode berieten, ihre Landessprache zu verbessern. Das Projekt des ersten bestand darin, die Rede dadurch abzukürzen, daß man vielsilbige Worte in einsilbige verwandle, daß man Verben und Partizipien auslasse; alle vorstellbaren Dinge seien in Wirklichkeit nur Hauptwörter.
Das Projekt des zweiten bezweckte die Abschaffung aller Wörter, und dies wurde als eine große Verbesserung der Gesundheit wie der Kürze betrachtet. Denn es ist klar, daß jedes von uns gesprochene Wort eine Verminderung unserer Lungen durch Abnutzung bewirkt, folglich auch die Verkürzung unseres Lebens zur Folge hat. Es wurde deshalb folgendes Auskunftsmittel angeboten: Da Worte allein in Zeichen der Dinge bestehen, sei es passender, wenn alle Menschen solche Auskunftsmittel bei sich herumtrügen, die ein besonderes Geschäft bezeichneten, worüber sie sich unterhalten wollten.
Diese Erfindung würde allgemein geworden sein, wenn sich die Weiber nicht mit dem Pöbel und den ungebildeten Menschen verbunden und mit einer Rebellion gedroht hätten, im Fall ihnen nicht die Freiheit ihrer Zungen nach herkömmlicher Weise verbliebe; der Pöbel ist ja ohnehin der unversöhnliche Feind jeder Wissenschaft.
Die Klügsten und Weisesten jedoch befolgen die neue Methode, sich durch Dinge auszudrücken; die einzige Unbequemlichkeit, die sich daraus ergibt, besteht nur darin, daß ein Mann, dessen Geschäft sehr groß und von verschiedener Art ist, ein Bündel auf seinem Rücken mit sich herumtragen muß, wenn er nicht imstande ist, sich einen oder zwei starke Bediente zu halten.
Zwei dieser Weisen habe ich oft unter ihren Bündeln beinahe zusammenbrechen sehen, wie dies bei Hausierern in England wohl der Fall ist. Wenn sie sich in den Straßen begegneten, legten sie ihre Last nieder, öffneten ihre Säcke und hielten ein stundenlanges Gespräch; alsdann füllten sie ihre Behälter aufs neue, halfen sich einander, wenn sie die Last wieder auf den Rücken nahmen, und empfahlen sich.
Für ein kurzes Gespräch mag jeder seinen Bedarf in der Tasche oder unter dem Arme tragen, weil ihm dann weniger genügt. Zu Hause aber kann niemand in Verlegenheit kommen. Deshalb ist ein Zimmer, wo eine in dieser Kunst gewandte Gesellschaft zusammenkommt, mit allen Dingen angefüllt, die Stoff zu diesem künstlichen Gespräch darbieten.
Ein anderer Vorteil, der sich aus dieser Erfindung ergeben muß, besteht darin, daß dadurch eine allgemeine Sprache erfunden würde, die man bei allen zivilisierten Nationen verstände, bei denen Güter und Geräte sich gleichen, so daß man sich leicht in die verschiedenen Gewohnheiten würde finden können. Somit könnten Gesandte mit fremden Fürsten oder Staatsmännern leicht verhandeln, obgleich sie deren Sprache nicht verständen.
Ich war auch in der mathematischen Schule, wo die Lehrer nach einer Methode unterrichten, von der man in Europa kaum einen Begriff hat. Satz und Beweis werden mit gehirnartiger Tinktur auf einer dünnen Oblate aufgezeichnet und durch den Mund eingegeben. Der Schüler muß diese schnell hinunterschlucken und dann drei Tage lang nichts als Brot und Wasser genießen. Ist die Oblate verdaut, so steigt die Tinktur ins Hirn und führt dort einen mathematischen Satz ein. Bisher hat aber der Erfolg sich noch nicht erwiesen, ein Umstand, der teilweise aus einem Fehler in der Quantität oder Komposition folgen mag, teilweise auch aus der Störrigkeit der Knaben, denen diese Medizin so ekelhaft ist, daß sie sich gewöhnlich fortstahlen und sich der Dosis von oben entledigten, bevor sie wirken konnte; auch hat man sie bis jetzt nicht überreden können, so lange zu hungern, wie es bei dem Rezepte notwendig wäre.
Sechstes Kapitel
Fernere Beschreibung der Akademie. Der Verfasser bringt einige Verbesserungen in Vorschlag, die auch mit ehrenvoller Anerkennung angenommen werden.
In der Schule der politischen Projektemacher habe ich mich nur schlecht unterhalten, denn die Professoren schienen verrückt zu sein, und eine solche Szene machte mich immer sehr melancholisch. Diese unglücklichen Leute brachten Entwürfe in Vorschlag, die Monarchen dahin zu überreden, daß sie ihre Günstlinge nur nach Weisheit, Fähigkeit und Tugend wählen; daß Minister belehrt würden, nur das Wohl des Staates in Betracht zu ziehen, Verdienst, Fähigkeit und Dienste zu belohnen; sie suchten die Fürsten über ihr wahres Interesse aufzuklären, so daß sie dieses auf derselben Grundlage wie das Volk beruhen ließen und daß sie für Ämter nur geeignete Personen wählten. Es fanden sich darunter noch mehrere wilde und unausführbare Hirngespinste, die kein Mensch bisher begreifen konnte und die mich von der Wahrheit jener alten Bemerkung überzeugten, es gäbe keine so ausschweifende und unvernünftige Meinung, die nicht von einzelnen Menschen als Wahrheit aufgestellt worden sei.
Hier muß ich jedoch diesem Teil der Akademie in sofern Gerechtigkeit erweisen, als ich eingestehe, nicht alle Mitglieder seien so sehr zu Visionen geneigt gewesen. Unter anderen machte ich die Bekanntschaft eines Arztes, der mit der Natur und dem System des Regierens vollkommen bekannt zu sein schien. Diese ausgezeichnete Person richtete ihre Studien auf einen sehr nützlichen Zweck, nämlich auf die Erfindung von Mitteln, die allen Krankheiten und Verderbnissen der Staatsverwaltung abhelfen werden, denen diese durch Laster und Schwächen der Regierenden sowie durch Zügellosigkeit der Gehorchenden unterworfen ist. Zum Beispiel, da alle Schriftsteller und Philosophen einstimmig zugestehen, es finde sich eine Ähnlichkeit zwischen dem natürlichen und dem politischen Körper, so ist es klar, daß die Gesundheit beider erhalten und die Krankheit beider durch dieselben Rezepte kuriert werden muß. Es ist bekannt, daß große Versammlungen häufig durch überflüssige, aufbrausende und andere schädliche Säfte belästigt werden, daß man Krankheiten des Kopfes und noch häufiger des Herzens bei ihnen beobachtet; daß starke Konvulsionen der Nerven und Sehnen in beiden Händen, besonders aber in der rechten Faust, bei ihnen stattfinden; daß sie an Spleen, an Blähungen, Schwindel und Delirien leiden; daß sie skrofulöse Geschwülste mit fauler Materie enthalten; daß sie an saurem und stinkendem Aufstoßen, an Unverdaulichkeit und anderen Übeln krank sind, deren Erwähnung hier unnötig sein würde. Der Doktor machte deshalb den Vorschlag, sobald man im Senat zusammenkomme, sollten Ärzte bei den ersten drei Versammlungen gegenwärtig sein und nach dem Schlusse einer jeden Sitzung den Puls der Senatoren fühlen; nachdem sie hierauf die Natur der Krankheit und die Gegenmittel reiflich beraten hätten, sollten sie am vierten Tage, vom Apotheker begleitet, der die passende Medizin mitbringen würde, in den Versammlungssaal zurückkehren. Bevor dann die Sitzung beginne, sollten den Parlamentsmitgliedern Abführungsmittel, Brechmittel, Corrosiva, Adstringentia, Palliativa, Acustica usw. gereicht werden, wie dies die besonderen Fälle erforderten; nach der Wirkung dieser Medizin sollten diese Mittel dann bei jeder Sitzung vermehrt, verändert oder fortgelassen werden. Dies Projekt würde nicht viel Geld kosten und müßte nach meiner demütigen Meinung einen schnelleren Geschäftsgang in den Ländern bewirken, wo die Parlamente Anteil an der gesetzgebenden Gewalt besitzen. Die Einstimmigkeit würde dadurch befördert, die Debatte abgekürzt. Mancher jetzt geschlossene Mund erhielte dadurch Flüssigkeit der Rede, ein anderer, der sich öffnete, würde dadurch geschlossen werden; der Mutwille der jungen Parlamentsmitglieder würde dadurch wegpurgiert und das Phlegma der älteren vermindert werden; der Dumme würde dadurch aufgeweckt und der Impertinente in seiner Hitze gemäßigt.
Ferner: da die Klage allgemein ist, daß Günstlinge der Fürsten ein schwaches und kurzes Gedächtnis besitzen, sollte jeder, der bei einem Ersten Minister Audienz habe, nachdem er sein Geschäft mit der größten Kürze und Deutlichkeit vorgetragen, wenn er wieder gehe, dem Minister einen Nasenstüber oder einen Schlag auf den Bauch geben oder ihn auf einen Leichdorn treten oder ihn dreimal am Ohr zwicken oder eine Nadel in seine Beinkleider stecken oder seinen Arm braun und blau kneipen. Um ferner Vergeßlichkeit zu verhindern, müsse die Operation bei jeder Audienz wiederholt werden, bis das Gesuch erfüllt oder gänzlich abgeschlagen wäre.
Der Doktor gab ferner den Rat: Jeder Deputierte einer Nationalversammlung solle, nachdem er seine Meinung ausgesprochen und verteidigt habe, seine Stimme für die entgegengesetzte Behauptung abgeben. Geschehe dies, so würde das Resultat