Papa, wie sieht der Mond von hinten aus?. Gerd Samson

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Papa, wie sieht der Mond von hinten aus? - Gerd Samson

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kleinen Möpse an zu wippen fingen. Mia sah toll adrett aus, mit ihrer frisch gebügelten, und gestärkten weißen Kittelschürze. Ich habe mich immer gefreut wenn sie so munter, freudestrahlend und beschwingt durch die große Flügeltür in unseren Wintergarten kam und uns Kindern Obst brachte. Ihr Lachen flatterte hinter ihr her, wie ein Büschel bunter Bänder.

      Einmal im Monat wurde Mia von ihrem Vater besucht. Herr Griebenstroh kam dann, ob Sommer oder Winter, mit dem Fahrrad aus der Nähe vom Dümmer See zu uns. Mit grauen Gamaschen über den Schuhen und mit den blauen runde Knöpfen am der Seite, die ich besonders toll und verlockend fand.

      Da mein Vater seine Zigarren nie bis zum Ende auf rauchte (er hatte ja genug davon), blieb immer ein Drittel der Zigarre übrig.

      „Die Stümmel“

      Ich habe als Kind meinen Vater eigentlich nur mit einer großen glühenden Zigarre im Mund als Selenklempner wahrgenommen. Diese Stümmel wurden in einer leeren Zigarrenkiste gesammelt und von Mia`s Vater dann immer pünktlich abgeholt und auf seinem Fahrrad-Gepäckträger gut und sicher verstaut, mit einer bunten Kordel verschnürt, und Richtung Dümmer transportiert. Sein Name ergab sich automatisch, wir nannten ihn:

      „Der Stümmelmann“

      Auch der Milchmann, der mit Pferd und Wagen jeden Morgen um 10 Uhr bei uns vor dem Haus hielt um aus einem kleinen silbernen blanken Tank auf der Pritsche, die frische Milch für uns in einen großen weißen Becher zu zapften, bekam seine Ration Stümmel. Nur der Bäckerbursche, der jeden Tag in der früh die frischen Brötchen auf die Treppe warf, war noch zu jung, der durfte noch nicht rauchen, dafür bekam er am Wochenende immer einen kleinen Sack mit frischen Eiern für seine Familie.

       Game over

      Leider war ich ein kleiner wehrloser Ritter, für Kämpfe gegen Unrecht, Willkür und beklemmende Schandtat noch nicht so richtig gewappnet. Innerhalb von einer halben Stunde musste der traurige, zornige, unglückselige Ritter, ich war sechs Jahre alt, mit seiner Familie das schöne Haus, kampflos den Siegern, nach dem verlorenem Krieg übergeben. Darum mussten wir, Hals über Kopf, meine Trutzburg verlassen. Wir durften, von unserem Eigentum nur so viel mit nehmen wie wir, auf die Schnelle, in einen kleinen alten Bollerwagen unterbringen und verfrachten konnten. Was sollten wir auch so fluchtartig und in der Eile, so verwirrt wie wir waren einpacken?

      Es gab noch keine Waschmaschine, Kühlschrank oder Fernseher, keinen Computer, Kopierer, oder Toaster, keine Mikrowelle. Es gab noch kein Ultraschallgerät. (Du musstest noch bis zur Geburt eines Babys warten ob du nun ein Brüderchen oder ein Schwesterchen vom Klapperstorch bekommen würdest) Ein wenig Eingemachtes wurde verstaut. Orangen oder Bananen gab es nicht und Olivenöl nur in der Apotheke. Keine Teebeutel, kein Weißbrot, Kartoffelchips oder Tiefkühlkost. Keine kernlose Weintrauben. Und der Kaffee hieß Muckefuck. Spinat fand ich immer schon doof. Keine Antibiotika, kein Knoblauch, keinen Fußball oder Turnschuhe und Faustball war auch früher nur etwas für die älteren Semester. Keine CD`s oder Plastik, keine Coca Cola, kein Kaugummi, keinen „Playboy.“ Und kein Aids. Die Aktentasche war damals ein Statussymbol und gehörte zur Standartausrüsten für Schulmeister, wie bei Herrn Koldewei.

      Wenn du deine Tante vom Zug abholen wolltest musstest du dir früher eine Bahnsteigkarte kaufen und beim Mann am Schalter abstempeln lassen. Wehe, wehe.

      Ich kann mich noch an einen Lumpensammler und an Scherenschleifer erinnern. Schwielen in den Händen vom Arbeiten hat heute keiner mer. Wer war Mc. Donald? Burger King oder Pizza Hut?

      Und abends fuhr ein Mann mit einem alten, klapprigen Fahrrad und einer langen Holzstange mit einem Haken am Ende, durch die dunklen Gassen und zündete das Licht in den Gaslaternen, auch vor unserem Haus an, damit die älteren Kinder die Erkenntnis hatten, daß sie nach Hause mussten. Im Winter trugen die Laternen auf ihren Köpfen kleine Schneemützen.

      Es gab noch keine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Allerdings war in unserer kleinen liberalen, humanistisch geprägten Familien nichts davon zu spüren.

      In diesen Jahren gab es viele Schneereiche Winter. Die Klimaforscher fürchteten eine neue Eiszeit könnte beginnen. Und sie warnten eindringlich vor der Kälte.

      Später 1954 geschah das Wunder von Bern und Fritz Walter wurde mit seinen noch bescheidenen Sport-Kameraden Weltmeister im Fußball.

      Erst am 1. Juli 1958 ging der Bevölkerung speziell den Frauen in Deutschland gesetzlich ein Licht auf und es wurde merklich heller und liberaler in unserem Land. Artikel 3 im Grundgesetz bestätigte die Abschaffung Würdelosigkeit.

      Frauenwahlrecht gab es allerdings bereits seit 1918, nach dem Ende des ersten Weltkrieges, nach dem Ende des Kaiserreiches, mit dem Beginn der Demokratie in Deutschland. Weit über 90 % der Frauen haben von dem ersten Wahlrecht 1918 Gebrauch gemacht.

      Die Todesstrafe wurde allerdings erst 1949, nach dem verloren zweiten Weltkrieg abgeschafft. Westdeutschland hatte von Toten, verständlicherweise, die Schnauze gestrichen voll.

      Mein Vater hatte den ganzen Schlamassel, mit dem Ausgang des Krieges geahnt und vorsichtshalber ein Teil unsere wertvollen und besonders geschätzten Möbel bei seinem besten Freund, J. Meyer zu Spradow, in dessen Bauernhof auf dem Lande untergebracht, ausgelagert, versteckt. Sein Sohn Ferdinand und mein Cousin Günter haben dabei tatkräftige Unterstützung geleistet.

      Denn es war ja nur das Nötigste, was wir bei dem plötzlichen Eindringen, der Beschlagnahme und Annektierung unseres Hauses, schnell in der kurzen Zeit, in dem kleinen alten Bollerwagen zusammen klauben konnten.

      Das war eine große, grauselige Zäsur und der erste Einbruch in mein junges, behütetes, schönes Leben.

      Die wunderbare Jungend war vorbei, von jetzt auf gleich.

      Ich hatte mich so wohl gefühlt in der Umgebung, bei uns zu Hause, es war so schön eingerichtet. Das Inventar mit den antiken Möbeln. Es war alles so harmonisch in unserer Oase! In der Eile und der Aufregung habe ich das für mich wohl Wichtigste und Wertvollste vergessen. Meinen so heiß und innig geliebten Teddybär. Wer einmal Kind war, also eigentlich jeder, kann den großen, leidvollen Schmerz verstehen.

      Es wurde Alles von der Besatzungsmacht, den Engländern, einfach so beschlagnahmt, einfach so konfisziert. Da halfen auch keine bitteren Tränen eines stolzen Ritters, eines kleinen blonden Jungen, und an Beten hat in dieser aufregenden Zeit sowieso keiner gedacht. Warum auch? Wie ein Luftballon entschwebte das schöne Wunder, meinen Kindertraum im Schlepp. Die ganze Tragweite der Ereignisse habe ich natürlich erst später richtig begriffen und wahrgenommen.

      Einen kleinen Teil von unseren Möbeln haben wir nach Jahren, beschädigt und verhunzt, nach dem Ende der Besetzung, wiederbekommen. Aber die meisten wertvollen antiken Erbstücke meiner Mutter und meiner Großeltern waren für immer verloren.

      Sie wurden in großen Überseekoffern von einem Arzt-Major versammelt, ja das ist der richtige Ausdruck, und nach England verschifft. Selbst für das Stöckchen des Majors war in den riesigen großen Überseekoffern kein Platz mehr. Darum stolzierte er weiter mit dem Stab unter dem Arm, wie ein stolzer Gockel durch unser Haus und beaufsichtigte den Abtransport unseres Eigentums Richtung England.

      Was ich damit sagen will………….Wir haben den Krieg verloren.

      Aber alle anderen auch.

      Unser Haus, meine Burg, wurde das „Medical Center“ für die englischen Offiziere.

      Hass? Nein. Wut? Ja. Verständnis, womöglich. Es hat mich tieftraurig bewegt, ja!

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