Spurlos Der Fall Orsini. Volker Jochim
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Читать онлайн книгу Spurlos Der Fall Orsini - Volker Jochim страница 2
„Ich habe einen tollen Job. Promotion für ein exklusives Parfüm. Ich habe auch schon eine Anzahlung bekommen. Aber jetzt verschwinde. Ich werde gleich abgeholt. Und kein Wort zu niemandem.“
Ihre Freundin sah sie skeptisch an.
„Schon klar, aber glaubst du wirklich, dass es alles korrekt ist?“
„Sicher und nun geh schon.“
„Pass auf dich auf.“
„Ja, Mamma.“
Eine Minute später fuhr der Mann, der sich Temporini nannte, in einem schwarzen 5er BMW vor und winkte Estella heran.
„Wo fahren wir hin?“
„Nicht so neugierig. Du wirst schon sehen.“
Hatte er sie nun plötzlich geduzt?
Als sie dem Gewirr der kleinen Straßen und Gassen entkommen waren und auf die Viale Daniele Manin einbogen, sah Estella ihre Freundin Vittoria an der Bushaltestelle stehen und winkte ihr zu.
2
Signora Orsini hatte das Abendessen schon bereitet und war dabei den Tisch zu decken. Ihr Mann würde heute nicht zum Essen kommen. Er hatte noch einiges für den Bischof zu erledigen und blieb dann über Nacht in Venedig. Ihre ältere Tochter Valentina ging ihr zur Hand.
„Deine Schwester müsste doch eigentlich schon hier sein, oder?“
Valentina sah auf die große Uhr, die in der Küche an der Wand hinter dem Esstisch hing.
„Eigentlich schon, wenn der Bus pünktlich war. Aber vielleicht war er das nicht, oder sie hat noch jemanden getroffen. Vielleicht hat sie ja auch diesen Job bekommen.“
„Welchen Job?“, fragte Signora Orsini erstaunt.
„Ach, das hatte ich ganz vergessen dir zu sagen. Sie rief mich an, ich glaube das war kurz nach dem Ende ihres Unterrichts und erzählte mir ganz aufgeregt, dass man ihr einen Job angeboten hätte.“
„Was? Das hättest du mir sagen müssen. Was soll das denn sein? Sie ist doch erst fünfzehn.“
Signora Orsini war völlig aufgelöst.
„Irgendeine Promotion Sache für Parfüm, wie ich es verstanden habe.“
„Was? Kannst du das auch in deiner Muttersprache ausdrücken? Du weißt, dass ich solche ausländischen Begriffe nicht leiden kann.“
„Ach Mamma, das heißt nun einmal so, außerdem ist es ja nichts Schlimmes, wenn sie sich ein bisschen Taschengeld dazu verdient.“
„Das sehe ich völlig anders. Zudem bekommt sie ja Taschengeld.“
„Was soll sie denn mit den paar Euro anfangen? Ihre Freundinnen bekommen alle viel mehr.“
„Etwas mehr Demut wäre wohl angebracht. Wir bekamen damals gar nichts.“
„Das ist ja auch schon hundert Jahre her. Heute ist das alles anders“, erwiderte Valentina genervt. „Denk doch nur einmal daran was ein neues Handy kostet."
„Wir hatten damals keins und haben auch gelebt. Außerdem muss man ja nicht jedes Jahr ein neues haben.“
„Dann gehörst du aber nicht dazu. Dann wirst du nicht beachtet, höchstens ausgelacht“, schrie Valentina, knallte den letzten Teller auf den Tisch und verschwand in ihrem Zimmer.
Sie war es leid immer nur zu hören, wie es damals war. Damals ist vorbei. Sie lebten heute. Estella rebellierte offen dagegen, während sie es immer schluckte. Zumindest bisher.
Signora Orsini stand einen Moment wie angewurzelt da. Solch einen Ausbruch hatte sie von ihrer Tochter noch nicht erlebt. Dann schüttelte sie den Kopf und sah auf die Uhr.
In diesem Moment hörte sie, wie die Haustüre aufgeschlossen wurde. Das musste Estella sein. Wurde ja auch Zeit.
Aber es war nicht Estella, es war Patricio, ihr Sohn.
„Patricio, du bist schon da?“
„Ja, wir hatten heute früher Schluss.“
„Dann lege ich dir noch ein Gedeck auf. Hast du Estella gesehen?“
„Nein, warum?“
„Sie ist noch nicht zurück und der Bus müsste schon längst dagewesen sein.“
„Vielleicht hatte er Verspätung. Ich gehe mir nur noch die Hände waschen.“
„Könntest du nicht nochmal kurz zur Bushaltestelle gehen und nachfragen?“
„Och Mamma…na gut.“
„Danke, mein Junge.“
***
Patricio Orsini machte sich missmutig auf den Weg zum Busbahnhof. Er war froh heute einmal etwas früher zu Hause zu sein und hatte obendrein einen Bärenhunger. Seine Mutter machte sich zu viel Sorgen. Estella ist fast sechzehn Jahre alt. In diesem Alter sind die Mädchen heute zu Tage schon etwas anders, etwas reifer als früher. Das sollte Mutter auch langsam einsehen. Seine Schwester war kein kleines Kind mehr.
Am Corso Chiggiato traf er einen Mitarbeiter der ATVO, der Verkehrsgesellschaft dieser Provinz.
Signor Pelozzi war Busfahrer und wohnte in der Via Don Orione, einer Parallelstraße der Via Santo Giuseppe, in der die Orsinis zu Hause waren.
Er hatte seine Schicht beendet, rauchte eine Zigarette und unterhielt sich noch etwas mit ein paar Kollegen.
„Buona sera, Signor Pelozzi.“
„Ah, Patricio. Was treibt dich denn hierher?”
„Könnten Sie mir sagen, ob der Bus aus Portogruaro Verspätung hat?“
„Nein, der war pünktlich.“
„Sind Sie sicher?“
„Sicher bin ich sicher. Den vorletzten habe ich selbst gefahren. Warum fragst du?“
„War meine Schwester Estella mit im Bus?“
„Nein, sie ist nicht mitgefahren.“
„Wann kommt den der nächste?“
„Der ist auch schon hier. Der kam fünfzehn Minuten nach mir hier an und das war auch der letzte Bus aus Portogruaro für heute.“
Patricio war bleich geworden.
„Danke Signor Pelozzi.“
Langsam drehte er sich um und ging nach Hause. Nun machte sich langsam bei ihm doch ein Gefühl der Beklemmung breit. Hoffentlich war seiner Schwester nichts