Stille, Ekstase, Glück. Armin Heining

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Stille, Ekstase, Glück - Armin Heining

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lacht leise.

      »Oh. Habe ich ihn verärgert?« Das wollte ich nicht.

      »Nein, schon in Ordnung, er trägt dir nichts nach. Er hat’s nur nett gemeint. Wir wollen alle, dass du dich wohlfühlst. Jeremias kann ja nicht wissen, dass du lieber für dich bist.« Ich seufze erleichtert. Dann muss ich mir wenigstens darüber keine Gedanken machen.

      »Erzähl ihm bitte auch nichts von diesem Gespräch. Ich möchte, dass unter uns bleibt, was ich mir von der Seele reden musste. Das ist mir wirklich wichtig«, sage ich so flehentlich, dass es mir beinahe unangenehm ist. Aber ich bin es nicht gewohnt, jemandem so tiefe Geheimnisse anzuvertrauen, den ich erst seit wenigen Tagen kenne. Ich will nicht schwach wirken.

      »Keine Sorge, Armin. Ich bin keine Petze.«

      Ein Seufzer tiefer Erleichterung kommt aus meiner Brust. Ulrich findet immer die richtigen, unterstützenden Worte. Welch eine Last ist von meinen Schultern genommen. Ich fühle mich wie befreit, nehme auch meine Umgebung gleich ganz anders wahr.

      Sogar die schwere klösterliche Stille drückt nicht mehr wie bisher auf meine Stimmung. Jene Ängste, die ich loslassen konnte, sind zuerst einmal fort und lauern mir nicht mehr in der Grabesstille der Klostergänge auf. Als habe sich in meinem Geist eine lang geschlossene Tür geöffnet, spüre ich nun, wie diese unerschütterliche Ruhe in mich eindringt und einen besonders weiten und lichten Raum schafft für die Begegnung mit Gott. Jetzt bin ich bereit, einzuschwingen in die gregorianischen Gesänge und den Weihnachtsjubel der Psalmengebete. In den Lobgesängen und biblischen Geschichten erkenne ich einen Spiegel für meine eigenen Gefühle: geklärt, froh und für meine Verhältnisse hoch gestimmt.

      Sich in die Stille zurückzuziehen, im Schweigen zu verharren wird kurz vor Ende meines Besuchs eine zentrale Bedeutung zugemessen. Sogar die alltäglichen Arbeiten werden auf ein Minimum reduziert, um sich auf das Hochfest der Heiligen Drei Könige einstimmen zu können. Mit dem Eintritt in das tiefe Schweigen entledigen wir uns der schnöden Gedanken und kleiden uns in das Gewand, in dem wir uns voller Demut auf die Nähe Gottes vorbereiten.

      Um neun Uhr am Vormittag beginnt das feierliche Pontifikalamt. Mir war bis dahin nicht bewusst, dass Abt Berthold, der im Rang eines Bischofs der Klostergemeinschaft vorsteht, auch mit den Insignien eine Bischofs ausgestattet ist: die Mitra auf dem Kopf, der Hirtenstab in der Hand und das Kreuz über seiner Brust. Unter aufbrausendem Orgelspiel zieht er vom hinteren Eingang des Kirchenschiffs in die Kirche ein. Ihm voraus die Mönche und Priester. Ich nehme in der vordersten Bank Platz, um die zeremoniellen Handlungen aus nächster Nähe verfolgen zu können. Die erhabene Stimmung hebt mich nicht nur empor und rührt mich zu Tränen, sie lässt mich auch glauben, hier könnte es einen Platz für mich geben. Dies könnte die Gemeinschaft sein, zu der ich gehören will.

      Schweren Herzens packe ich am 7. Januar meine Tasche. Ein letztes Mal gehe ich mit Abt Berthold, dem dynamisch wirkenden Klostervorsteher, zu dem eindrucksvollen Torbogen am Ende des Kreuzganges. Dieses eiserne Gitter trennt den inneren Klausurbereich des Klosters von der Welt. Noch ein Mal erlebe ich, wie der Abt ohne Schlüssel oder sichtbare Drehung des Knaufs den Durchgang öffnet, sodass mit einem lauten Knacken die schwere Tür zur Seite schwingt. »Schön, dass du da warst, Armin. War nett, dich kennenzulernen.«

      »Danke für die beeindruckende Zeit.«

      Abt Berthold nickt freundlich und reicht mir die Hand zum Abschied.

      Dann fällt die eiserne Tür hinter mir ins Schloss. Mir rieselt ein leichter Schauer den Rücken hinunter: Mein beschauliches Leben in der Mönchsklausur ist ausgesperrt.

      Kurz darauf trete ich meine umständliche Heimfahrt an, mit der Bockerlbahn von Metten nach Deggendorf, weiter über Plattling, Regensburg und Schwandorf zurück nach Cham. Die mehrstündige Reise gibt mir ausreichend Zeit, meine abschweifenden Gedanken zu ordnen. Während draußen die verschneiten Häuser und Wiesen vorbeihuschen, denke ich daran zurück, wie nett es von Ulrich gewesen ist, mir freundliche Worte mit auf den Weg zu geben. Mich stimmte es traurig, das Kloster bereits wieder verlassen zu müssen. Wie im Flug ist die knappe Woche vergangen. Es sollen erst sechs Tage her sein, dass ich Frater Ulrich erstmals in seiner Mönchszelle aufsuchte?

      Ich kann mich noch erinnern, wie ich die Atmosphäre und jedes Detail in mich aufgenommen habe, um später ja nichts zu vergessen und diese ersten Eindrücke in meiner Erinnerung zu konservieren: Wie ich mit ihm gemeinsam durch das kalte Gewölbe im Erdgeschoss ging, die imposante steinerne Stiege hinauf in den ersten Stock des barocken Klausurganges. Ein roter Sisalläufer auf weißem Marmorboden weist hier den Weg zu den Zellen der älteren Mönche. Lauter kleine gedrungene Türen mit schmiedeeisernem Schloss und Klinke, umrandet von marmornen Verzierungen in zartem Pastellrosa und frischem Weiß, aneinandergereiht in diesem weitläufigen Klostergang. Zu Ulrichs Zimmer führt der Weg eine modernere Treppe hinauf in den zweiten Stock. Hier liegt ein schlichter brauner Läufer auf dem knarrenden Holzboden. Nur die Namensschilder sind genauso hübsch anzusehen wie unten.

      So eine Mönchszelle beherbergt ja auch nur das Nötigste: Bett und Schrank, auch ein Schreibtisch und ein Besucherstuhl finden gerade einmal Platz. Heimelig ist es trotzdem. Was vielleicht auch mit Ulrichs mitfühlender Art zu tun hat; sie bestimmt die Atmosphäre.

      »Hat es dir denn gefallen bei uns, Armin?«

      »So gut wie jetzt ging es mir schon lange nicht mehr: Ich spüre Verbindung mit mir und bin mit dem lieben Gott im Reinen. Ich freue mich, euch alle kennengelernt und Kontakte geknüpft zu haben. Selten habe ich mich irgendwo so zu Hause gefühlt wie hier, als sei dies der Ort, an den ich gehörte. Anders als in meiner Familie.«

      »Die klösterliche Lebensgemeinschaft ist eben eine komplett andere Lebensform als die einer Familie«, gab Ulrich zu bedenken.

      »Vor allem ist es eine Art, gemeinsam zu leben, die zu mir passen könnte.«

      Und ich vertraute ihm einen Gedanken an, der mir selbst noch ganz neu war: »Ehrlich gesagt konnte ich mir bisher nie vorstellen, eine eigene Familie zu gründen, mit Frau, Kindern, allem Drum und Dran. Ich glaube nicht, dass ich so leben will.«

      Die Ruhe des klösterlichen Schweigens hatte mich auf ganz neue Einsichten gebracht und mir ungeahnte Perspektiven eröffnet.

      »Das ist gut möglich. Vielleicht bist du der geborene Mönch«, meinte er ernst.

      »Weißt du was?« Ich nahm nach einer Weile den Gesprächsfaden wieder auf.

      »Sag’s mir«, sagte er mit einem kleinen Lächeln.

      »Ich komme mir nicht mehr so komisch vor wie früher, sondern als wäre nun alles am rechten Platz.«

      »Ich würde mir für dich wünschen, dass es auch zu Hause dabei bleibt.«

      Ulrichs Lächeln ist herzerwärmend.

      Ein buchstäblich frommer Wunsch. Denn ich weiß, dass es anders kommen wird. Ich weiß um den langen Schatten, der über meinem Leben hängt und mühelos die vielen Kilometer überwinden kann, die zwischen meiner Heimatstadt und der Aussicht auf ein neues Leben liegen. Ulrich hat davon absichtlich nichts erfahren. Weil ich nicht zugeben mochte, wie es wirklich um mich bestellt ist. Aus diesem Grund ist natürlich auch der Name ›Arnulf‹ nie gefallen, obwohl meine Gedanken regelmäßig um ihn kreisen.

      Arnulf ist genauso schlecht in der Schule wie ich, in der gleichen Jugendgruppe der Katholischen Studierenden Jugend wie ich, gläubig und empfindsam wie ich. Auf vielerlei Weisen fühle ich mich zu ihm hingezogen und von ihm angezogen. Ich genieße es, ihm nahe zu sein, ihn

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