DER ÜBERHEBLICHE. Dr. Friedrich Bude
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„Auch wenn wir im Kinderzimmer herumtollten. Seine größere Schwester balgte mit. Ich hätte sie auch gern mal angefasst, traute mich aber nicht. Ein komisches, noch nicht gekanntes Gefühl kam bei diesem Gedanken auf.“
Der Urlaub war schön. Frieder durfte mit Tante Kläre im Zug nach Kreischa fahren, im großen Baggersee baden.
Radabum-radadam, jetzt sitzt ein Polizist ihm gegenüber im kalten Abteil, der grelle Vollmond beleuchtet unwirklich sein schlafendes Gesicht, maskenhaft weiß schimmert es in kalten Lichtstrahlen der gelben Himmelsscheibe. Der Schrecken überzieht seine Arme und Beine mit Gänsehaut.
Erst auf Tante Kläres kuscheligem Sofa - endlich allein - kann Frieder weinen, den erlebten Schock, irreal, wie in einem Kinofilm, begreifen.
29.8.50, Kriegstagebuch der Großmutter
Emstine Bude:
„Ein Marmorkränzchen im Strauchwerk versteckt, ein Hügel mannshoch mit Blumen bedeckt darunter mein Junge, den keiner mehr weckt. Kein Kindslachen, kein zärtliches Wort aus Frauenmunde beglückt ihn hinfort.
Von Bruders Lippen kein froher Scherz, nichts rührt mehr an das stille Herz.
Die Hand, die die seinen so treu umhegt sich nie mehr warm in die meine legt.
Und doch hör ich oft seine lieben Schritte, er weilt doch immer in unserer Mitte.“
Ab jetzt war alles anders!
2.Rückblende
27.05.1940 Kriegstagebuch Ernstine Bude:
Heute wurde Fritz Bude ’s Abend 9 Uhr unter Blitz u. Donner ein kleiner Junge geboren. Fried rich heißt er u. ist das 3.Kind. Er kam ein bißchen voreilig u. infolgedessen entstanden in den 1 ½ Std. da er endgültig unterwegs war allerhand Situationen,über die man nachträglich herzlich lacht. Johanna ist sehr mobil. Der Kleine ist niedlich u. artig.
Heute kam der Heeresbericht, daß die Auflösung des noch vorhandenen franz. u. engl. Heeres nur noch eine Frage der Zeit sei. Heinz liegt jetzt in Wien auf dem größten Truppenübungsplatz Großdeutschlands. Auch Fritz hat sich melden müssen u. ich mache mir um die nächste Zukunft Sorgen. In der Werkstatt ist viel zu tun.
Damals war die kindliche Welt in der Kleinstadt noch in Ordnung. Sieg und Niederlage weit weg.
Das grausame Geschehen des 1. und 2. Weltkrieges mit den vielen Toten der näheren Verwandtschaft, den Selbstmorden während der Inflationszeit, die Überlebenskämpfe der Handwerkerfamilie hat Frieders Großmutter in ihrem sogenannten „Kriegstagebuch“ festgehalten. Dort findet sich auch der erste schriftlich fixierte „Kommentar zur politischen Lage“ des damals Dreijährigen.
Kriegstagebuch Ernestine Bude:
1.6.1943
Kam Heinz aus Russland auf Urlaub, am 22.6. ging er wieder an die Front. … Wann wird endlich das furchtbare Morden enden?
Damals sagte unser kleiner Frieder zu ihm:
„ Onkel Heinz, geh nur nicht wieder bei die alten Russen, geh lieber bei die Feuerwehr.“
Wir haben die Ansicht des Kleinen geteilt, u. sein Ausspruch wird bei uns wohl zum geflügelten Wort werden.
„Fritz!“ - wie ein Pistolenschuss, kurz und hell, schallte es über den Hof, wenn Mutter unseren Vater rief. Alle nannten ihn so. Laut Geburt und Taufe durfte er dagegen den etwas hochtrabenden „Friedrich“ beanspruchen. Mutter war diese Verkürzung ein Dorn im Auge. Sie bestand erneut auf diesem königlich-preußischen Taufnamen. Aber auch das Sonntagskind Friedrich II. von Budes Gnaden verlor durch die kindgemäße namentliche Verniedlichung über Friederlein zu Frieder seinen adligen Glanz.
In früher Kindheit entdeckte der kleine Frieder in Muttis Nachttisch einen dicken hölzernen Stab mit aufgezogenen Vierecken, Sternen, Rollen und Kugeln. Die konnte man drehen, hin- und herschieben, an der Wand oder am hohen Kopfteil der glänzenden Mahagonibetten abrollen. Was aber langweilig war - bis auf die kleinen winzigen Kratzer, die auf der Holzpolitur entstanden. Sie waren kaum zu sehen: Kreise, und Schlaufen, Haken und krumme Linien, immer waren sie anders.
Einmal sah der Vierjährige, wie Mutti sich mit dem rollenden Stab den Rücken rieb, wagte aber nicht zu fragen, ob dort auch Kratzer gemacht werden sollten?
Mehr Spaß machten schon die kleinen dehnbaren durchsichtigen Röllchen aus Vatis Nachttisch. Wozu braucht der die denn? - Heißa! Die konnte man aufrollen, den Finger hinein stecken und lang ziehen. Wurde damals schon Frieders Entdecker- und Erfinderveranlagung geweckt?
Mit großer Mühe zerrt er, als Mutter nicht im Haus, einen Stuhl bis zum eisernen becherförmigen Ausguss der Küche, klettert auf den Sitz, um kniend das auf zwei Finger aufgezogene Gummibeutelchen über den Wasserhahn zu stülpen.
Wasser marsch! - Der Beutel wird immer größer.
„Wau!“ - fast so groß wie das Becken war jetzt der schwere Sack. Seine Hände können das wabbelnde Gebilde nicht mehr halten:
Patsch, kaputt, Stuhl nass, der Küchenboden voller Pfützen.
Also, dafür waren die kleinen Gummiringe nicht gedacht.
Aber Aufblasen konnte man sie ohne Mühe! Vorn bildete sich ein klitzekleines Köpfchen, dann blähte sich eine dicke wellige Wurst auf, noch mehr blasen, wurde die Wurst ein richtiger langer Luftballon, nur das Köpfchen wurde nicht viel größer. Man konnte damit herumrennen. Bis die Nachbarin, Frau Hoffmann, dem Kind im Hofgang eindringlich dies verbot, die restlichen Gummis seiner Hosentasche einkassiert hat.
„Wozu braucht denn Vati die Gummiröhrchen im Schlafzimmer!“
Am 16. April 1945 eroberten die amerikanischen Soldaten von General Patton Ostthüringen und befreiten damit ganz Thüringen von der nationalsozialistischen Herrschaft. Nur 100 Tage dauerte die amerikanische Besatzung.
„Die Amis kommen!“ In wenigen Minuten flüchteten alle Hausbewohner in den Keller, ausgebaut als „Luftschutzbunker“. Dass heißt, es wurden Fensteröffnungen zu ebener Erde eingebaut, welche nur so hoch waren, dass jeder mühsam heraus kriechen konnte. Die Luftschutzübung war damals spannend, Leiter anlegen – hochsteigen – raus kriechen. Und die Erwachsenen hatten schon da erhebliche Schwierigkeiten.
Großes Gedränge am Fenster, als die ohrenbetäubenden Geräusche den Marktplatz erschütterten. Plötzlich und nur Sekunden ratterten und quietschten direkt vor dem Fenster bullige Räder mit Ketten vorbei. Mehr war nicht zu sehen, nur drei Meter entfernt lärmen die amerikanischen Panzer.
Als der Spuk vorbei war, zeigte der Vater seines Freundes Peter, Zahnarzt im 1 .Stock, den Kindern zwei Patronen. Nach Kriegsverletzung wieder als Mediziner tätig, hatte der den Einmarsch am Markt durch die drei Erkerfenster voll überblicken können, ist von den Scharfschützen auf dem Panzerturm auch erkannt worden. Die Einschusslöcher in der Glasscheibe waren einzige langfristige Zeugen militärischen Geschehens am Markt der Stadt.
Sie haben ihr Lager aufgeschlagen unterhalb