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Der 11-jährige Frieder stellte dem Lehrer vor versammelter Klasse eine blöde Frage. Der schmunzelt und antwortet: „Das wäre das Gleiche, als wenn wir Dich Edub nennen würden!“ Die Klasse hat den Familiennamen gleich rückwärts erkannt, sich ausgeschüttet vor Lachen – von da an hieß er nur noch „Edub“.
Mit dem Namen Bude hatte Frieder immer Schwierigkeiten: Alte Bude, Zuckerrute, alte Schnute! - der Name war als Kind ein Grauen.
Dann kam noch der Beschiss mit der Bio-Note! In der zweiten Bankreihe saß der dicke Burkhardt, anerkannt stärkster der Klasse. Der Hüne sollte Erbe der Lederfabrik am Flüsschen Sprotte, direkt neben dem Freibad, werden. In solchen Kreisen durfte man nicht sitzenbleiben. Der Biologie-Lehrer bekam eine wertvolle Ledertasche geschenkt und Lederburkhardt in Bio eine Zwei. Das war zuviel! Vorlaut, in die erste Reihe gesetzt, verhöhnt, provoziert „Edub“ den Dicken hinterlistig. Irgendwann hat der den Lästerer auf dem Heimweg geschnappt, ausgerechnet vor der Polizeiwache an der Hauswand hochgezogen. Ein Auge des Gesetzes, nicht untätig, befreite den Bedrängten, nahm beide mit aufs Revier.
Nach Protokoll soll Edub durch die Strangulierung blau im Gesicht angelaufen sein. So bekam dieser den weiteren Zusatz „Blauer Edub“.
Hundertfünfzig Meter lang, über 30 Meter breit: der Marktplatz. In dessen Zentrum das Haus mit Turm. Blickpunkt dort, zwei ca. 100 Meter voneinander entfernte „Kandelaber“, Beton-Poteste mit großem dicken Mast und zwei breiten Beleuchtungsarmen in sieben Metern Höhe - der Blickpunkt des Platzes. Der Asphalt war spiegelglatt. Der Krieg hatte die Kleinstadt komplett verschont.
Ideal, wenn Edub mit Freund in den sommerlichen Abendstunden unter den wohlwollenden Blicken der Markbewohner, mit Kissen an den Fenstern hockend, die Kandelaber umrundeten. Mit Rollschuhen, Luxusbesohlung der Vorkriegszeit, die nur wenige Schmöllner Kinder besaßen.
5. März 1953, mit 73 Jahren stirbt Partei- und Regierungschef Josef Stalin an den Folgen eines schweren Schlaganfalls.
Betretene Aufregung in der Schule. Auf dem Markt ist ein großes Stalin-Bild vorm Kandelaber mit dem Hintergrund unserer herrlichen Kirche „Sankt Nikolai“ aufgebaut.
Mann, war mir das peinlich! Wir Jungen Pioniere“ mussten Ehrenwache stehen. Und ich war einer der Auserwählten.
Ich hatte Mutti genervt dort mitmachen zu dürfen. Gegen ihren Willen, und vor allem dem meines Vaters, der sich dann doch breitschlagen ließ. Fast alle wollten bei den Spielen und Ausflügen der „Pioniere“ mitmachen.
Vier Pioniere mit blauem Halstuch, 20 Minuten still stehen neben einem Bild! Der Marktplatz war menschenleer. Am Bürgersteig wacht unser Pionierleiter, einige Erwachsene stehen daneben, beobachten, wie zufällig. Ich wusste vor Aufregung nicht, wohin mit den Augen, stierte verbissen geradeaus, zählte die Sekunden. Das Unangenehmste war nicht das Strammstehen. Aber direkt vor unsrem Haus! - der missgünstige Blick der Mutter, hinter der Fensterscheibe des 3.Turmes der Stadt! Mir stand die Schamröte im Gesicht, wäre am liebsten im Boden versunken!
Warum der Pionierleiter ausgerechnet den bürgerlichen Bude ausgewählt hatte? Wahrscheinlich sollte demonstriert werden, dass alle Bevölkerungsschichten dem großen Führer huldigen!
4. Der 17.Juni 1953
Die Versorgungslage spitzt sich zu. Otto Grotewohl, der Ministerpräsident, fordert alle Werktätigen zu strengster Sparsamkeit auf. Das ZK der SED beschließt eine Erhöhung der Arbeitsnormen um mehr als zehn Prozent.
DDR-Rückblick 1953
Früher Nachmittag. Auf dem drehbaren Klavierhocker im schönen Erkerzimmer am Markt sitzend, versucht der 13-Jährige an einer Czerny-Etüde, sich die Finger verrenkend, den Lehrer von seinen Klavierkünsten zu überzeugen.
Bruder Albrecht hat Schuld, dass er heute nach Noten spielen kann.
Bewundert hat er seinen Bruder Albrecht, wenn der sich bei Besuchen im Osten ans Klavier setzte, ohne Noten alle möglichen Schlager spielte - nur mit dem kleinen linken Finger, zwei Fingern der rechten Hand: „In the mood, Chattanooga choo choo“ und andere amerikanische Schlager.
Was „der Kleene“ nicht wusste: Der Große konnte nur improvisieren, die Tasten mit rechts zu Melodien, die Bässe mit dem linken kleinen Finger per Gehör so schlecht und recht zusammensuchen. Als Kind keine Geduld für den Unterricht, durfte Albrecht mit Klavierüben aufhören, sich sein Leben lang darüber ärgern: „Mutti, der Kleene muss richtig Klavier lernen. Wenn das Geld nicht reicht, schicke ich paar West-Päckchen mehr. Fehler, wie ich sie gemacht, sollen sich bei dem nicht wiederholen!“
So musste der kleine Frieder üben. Bankwitzens mit dem Haushaltwarengeschäft auf der anderen Marktseite, seit dem Auszug der Russen statt Zahnarzt Pauling unter ihnen wohnend, klingelten oft entnervt: „Das kann man ja nicht aushalten. Muss der Junge denn immer das Gleiche spielen? Und dann noch um die Mittagszeit!“
Eigentlich tat er nur das Nötigste.
Erst am Vortag des wöchentlichen Klavierunterrichtes begann das intensive Üben. Sein mäßiges Können wurde vom Lehrer geduldig ertragen, die Klavierstücke seinem Niveau angepasst. Arbeitslos, als von der neuen Gesellschaft entlassener Lehrer, war er auf dieses geringe Zubrot angewiesen. Einer der vielen Altlasten des kommunistischen Neulehrersystems, verdingte sich mit Privatunterricht, spielte zu Tanzstunden auf.
Einmal, voller Neugier, ob er das merkt, lauerte der Klavierschüler dem Lehrer am Erkerfenster auf, als der unter dem gegenüber der Hausfront vorstehenden Turm vorbeiging. „Dem kann ich ja direkt auf den Kopf spucken - nee, das geht nicht. Der Wind weht alles weg!“ Mit einer vollen Tasse Wasser zielt er, schließt schnell das Fenster. - Es klingelte, der Lehrer muss sich beschwert haben. Außer Schimpfe gab es aber zum Glück von Muttern nichts. Der Lehrer brauchte diesen Job, hat sich beim Schüler nie was anmerken lassen.
Am bewussten 17. Juni 1953 stümpert Edub diesem gerade sein Geübtes vor, als vom Markt laute Rufe und Sprechchöre ins Wohnzimmer schallten. Natürlich wird Edub unruhig, begehrte auf, machte darauf aufmerksam.
Jetzt Pause machen und die Stunde ist schneller vorbei!
Neugierig rennt er ans Fenster. Vor dem Rathaus, ein Pulk von Menschen. Über die gesamte Marktbreite. Immer neue kamen hinzu, das Podest vom Kandelaber war besonders dich besetzt. Plakate wurden hochgehalten. Jetzt wurde aus dem Rufen ein Chor: „Butter und Brot statt höhere Normen!“
Auf das Rathausportal über dem Torbogen des früheren Ratskellers führt eine Treppe. Dort oben hält jemand eine Rede. Auch das Portal ist voller Leute.
Immer wieder neue Redner. Die Menschen auf dem Markt schreien durcheinander, sich gegenseitig an.
So was gab es doch noch nie!
Sonst wurde nur „Hurra“ rufend marschiert, gesungen, wurden Plakate und Fahnen geschwenkt. Vor dem Haus, direkt unterm Schlafzimmerfenster, war dann eine Tribüne aufgebaut. Dort stand der Bürgermeister mit vielen anderen wichtigen Leuten, winkte den Demonstranten zu. Marschmusik schallte schon früh um Sieben über den Marktplatz, so dass zeitig geweckt wurde.
Oben auf dem Rathausportal hatte aber noch nie etwas stattgefunden.
Der Klavierlehrer wohnte auf der unteren Marktseite. Besorgt wegen der Massen vor seinem Haus verabschiedet er sich.
Klasse, dass der ging!