Die Coltschwinger kommen: Extra Western Sammelband 7 Romane. Pete Hackett
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„Chad!“, schrie die Frau wieder.
Ihre Gegenwehr erlahmte allmählich. Entsetzen flackerte in ihren mandelförmigen braunen Augen.
„Schrei nur!“, keuchte der Halunke, während er ihre Arme nach hinten zwang. „Er hört dich ja doch nicht. Er ist irgendwo weit draußen auf der Weide. Seine verdammten Rinder gehen ihm ja über alles, genau wie meinem Oldman. Gib es auf, Puppe! Hier sind wir ganz allein und niemand.
„Irrtum, Will! Wenn du sie nicht auf der Stelle loslässt, schieße ich dir eine Kugel durch den Kopf, ohne dass es mir hinterher leid tut!“
Die metallisch klingende Stimme riss Tom Bancrofts zweitältesten Sohn herum. Der große, breitschultrige Mann, dessen wettergegerbtes Gesicht auf kein bestimmtes Alter schließen ließ, war lautlos wie ein Indianer zwischen den Kreosotbüschen an der Hüttenecke aufgetaucht. Das gleißende Sonnenlicht versilberte den langläufigen Frontiercolt in seiner rechten Faust. Der Mann stand so unbeweglich wie ein Felsblock, und genauso hart und unerschütterlich wirkte er auch. Eiseskälte schimmerte in seinen blauen Augen.
„Du hast geglaubt, ich merke nicht, wie du schon seit Tagen hinter mir her spionierst, Will, was? Als ich heute deine Fährte auf meinem Land entdeckte, da wusste ich, wohin du reiten würdest. Ich kenne dich doch, dich und deine Brüder! Weiß Gott, euer Vater hätte bessere Söhne verdient! Lass Conchita endlich los, wenn du nicht willst, dass ich abdrücke!“
Will Bancroft wirbelte halb herum, so dass die Frau, die er noch immer festhielt, zwischen ihm und dem Mann mit dem Colt stand. In seinem hageren Gesicht zuckte es.
„Das wagst du nicht, Kelly!“, keuchte er. „Du kennst meinen Vater. Er würde dich am nächstbesten Ast aufknüpfen lassen, auch wenn ihr mal Seite an Seite geritten seid. Steck das verdammte Schießeisen weg, Kelly. Du erreichst ja doch nichts damit.“
Chad Kelly atmete tief durch. Das schweißüberströmte verkniffene Gesicht des Schurken, der die junge Mexikanerin als Schutzschild vor sich hielt, brannte sich unauslöschlich in sein Gehirn. Die backofenheiße Stille über der kleinen Ranch wurde zur drückenden Last. Mit einer zähflüssigen Bewegung schob Chad den 45er Colt ins Holster, das er wie die meisten Rindermänner hoch an der Hüfte trug.
„Du hast recht, Will“, sagte er schwer. „Du bist es nicht wert, dass deinetwegen meine Freundschaft mit Tom in die Brüche geht. Ich brauche keinen Colt, um mit dir fertig zu werden.“
Mit steinerner Miene ging er langsam auf den jungen Bancroft zu. So groß und schwer er auch wirkte, seine Bewegungen besaßen die Geschmeidigkeit eines Löwen. Statt der landesüblichen hochhackigen Boots trug Chad Kelly Stiefel mit flachen Absätzen ohne Sporen. Eine Weile war nur das Malmen des heißen Sandes unter seinen Sohlen zu hören. Will stieß die Frau plötzlich heftig zur Seite. Seine Rechte senkte sich klauenartig über den Revolverkolben. Die Waffe hing tief auf seinem Oberschenkel, genau wie bei seinen Brüdern Jess und Larry. Chad wusste, dass Bancrofts Söhne sich nicht zu Unrecht eine Menge auf ihre Schießfertigkeit einbildeten. Aber das zählte jetzt nicht, nicht nach allem, was hier geschehen war. Unbeirrt ging er weiter auf den langsam Zurückweichenden zu.
„Mach keinen Quatsch, Kelly! Bleib stehen! Ich warne dich!“
Die Worte schienen an einem Felsen abzuprallen. Nie hatte Will Bancroft ein so steinernes, unheimliches Antlitz gesehen. Ob er wollte oder nicht, er wich vor dem Herankommenden immer weiter zurück, bis er das Rundholz eines Stützpfeilers zwischen den Schulterblättern spürte. Da erst erwachte Will aus seiner Trance.
„Zum letzten Mal, Kelly: Bleib mir vom Leib!“ Seine Rechte schraubte sich um den Revolvergriff.
„Chad!“, rief Conchita mit zitternder Stimme. Sie wollte zu ihrem Mann laufen.
„Bleib, wo du bist!“ Der ungewohnt scharfe Ton bannte sie fest. Für einen Augenblick hatte sie das Gefühl, dass dort ein Fremder auf Will Bancroft zumarschierte, ein Mann ohne Nerven, ohne Mitleid, eine furchteinflößende Gestalt.
„Narr, verdammter!“, knirschte Will. Sein Sixshooter flog aus dem Holster, so schnell, dass das Auge kaum folgen konnte.
Chad war schneller. Aus dem sonst eher ein wenig schwerfälligen Smallrancher war plötzlich ein katzenhaft geschmeidiger Kämpfer geworden. Sein Colt blieb an seinem Platz. Stattdessen zuckte Chads linke Stiefelspitze hoch und erwischte Wills Handgelenk. Der Ranchersohn brüllte, mehr vor Wut, als vor Schmerz, als seine Waffe in hohem Bogen davonwirbelte. Dann blieben ihm die Flüche in der Kehle stecken. Chad war bei ihm, und seine schwieligen, harten Fäuste besaßen die Wucht von Dampfhämmern.
Bancroft flog wie ein Stoffbündel mehrere Schritte weit in den Sand des Ranchhofes. Keuchend wälzte er sich herum, kam mit hassverzerrter Miene auf die Beine – und wurde schon wieder getroffen, dass ihm Hören und Sehen verging. Als er diesmal mühsam den Kopf hob, waren Chads staubverkrustete Stiefel dicht vor ihm. Langsam tastete sich Wills flackernder Blick an der reglosen Gestalt seines Feindes hoch.
„Nur weiter!“, sagte Chad kalt. Nicht einmal sein Atem ging schneller, und seine Fäuste hingen locker herab. „Wenn ich mit dir fertig bin, du Lump, wirst du dich hüten, jemals wieder deine dreckigen Pfoten nach meiner Frau auszustrecken. Los, worauf wartest du? Wolltest du mich nicht töten?“
Wills Revolver lag nur wenige Schritte entfernt am Boden. Bancrofts Sohn schleuderte sich herum, streckte die Hand nach der Waffe aus. Mordgier glühte in seinen Augen. Wieder kam Chad ihm zuvor. Sein Stiefeltritt warf Will über den im Staub liegenden Revolver. Im nächsten Moment hatten sich Chads Hände in das Baumwollhemd des jungen Burschen gekrallt. Scheinbar ohne jede Mühe riss er ihn hoch. Ihre Gesichter waren einander ganz nahe. In diesem Augenblick war Will nahe daran, vor Schreck laut aufzuheulen.
Da klang dumpfer Hufschlag hinter dem Smallrancher auf. Conchita stieß einen leisen Schrei aus. Bancroft krächzte: „Jetzt bist du geliefert, Kelly! Jube, Ben, Cole, los zum Teufel, schnappt ihn euch! Macht ihn fertig!“
Chad Kelly stieß Will so hart zurück, dass er wieder im Staub landete. Geduckt fuhr der breitschultrige Rinderzüchter herum. Reiter mit breitrandigen Hüten, dornenzerkratzten Chaps und flatternden Halstüchern jagten auf zottigen Pferden heran, als wollten sie ihn unter den Hufen zermalmen. Zweien von ihnen konnte Chad ausweichen, der Gaul des dritten rammte ihn. Chad stürzte, spürte Sandkörner zwischen den Zähnen und einen dumpfen Schmerz an der rechten Schulter. Er wollte hoch, aber da waren sie schon über ihm. Wie Raubkatzen waren sie von den Sätteln auf ihn herabgesprungen.
Ringsum wallte Staub, stampften Hufe, wieherten Pferde. Chad sah die verzerrten rauen Gesichter wie durch Nebelschwaden. Wütend schlug er um sich. Conchita schrie, doch ihre Stimme wurde von Wills hasserfülltem Gelächter übertönt.
„Nur nicht so zimperlich, Jungs! Gebt es ihm tüchtig! Er hat‘s verdient!“
„Schluss, verdammt nochmal!“ Die peitschende befehlsgewohnte Stimme trieb die Kerle auseinander. Hufe schaufelten näher. „Will, zum Teufel, was geht hier vor?“
Chad blutete aus mehreren Schürf- und Platzwunden, aber er fühlte keinen Schmerz. Seine zornige Erregung klang nur langsam ab. Er musste sich erst den Staub und Schweiß aus den Augenwinkeln wischen, ehe er den hageren, hoch im Sattel aufgerichteten Mann richtig sah. Tom Bancrofts Söhne hatten mit ihrem Vater nur der Gestalt