Europa - Tragödie eines Mondes. Uwe Roth

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Europa - Tragödie eines Mondes - Uwe Roth

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dieser Gebäude waren so in Gruppen zusammengefasst und bildeten eine Gemeinschaft, die von Schwimmschneisen und Flitzerstrecken getrennt wurde. Unzählige Gemeinschaften von diesen Wohneinheiten bildeten diese Stadt. Zwischen diesen Wohnsiedlungen reihten sich ausgiebige Anpflanzungen an, die sich in der stetigen, gleichmäßigen Strömung dieser Unterwasserwelt in eine Richtung bogen. Zwischen den Gebäuden, am Grund, wuchsen unzählige leuchtende Kristalle in einem hellen Grün. Aus Spalten dieser Kristalle wuchsen die verschiedensten Pflanzen, mit denen die Kristalle eine symbiotische Beziehung eingingen. Darunter eine besonders breitflächige, wuchernde Art, die von dem grünen Licht der Kristalle regelrecht durchleuchtet wurde. Deren schachtelartige Struktur streute anschließend das Licht zu strahlenförmigen Gebilden, die sternförmig das umgebende Wasser erleuchteten.

      Diese gegenseitige Symbiose stellten die hiesigen Wissenschaftler vor ein großes Rätsel. Man hatte Versuche angestellt, diese Pflanzen ohne die Kristalle anzupflanzen, was nicht gelang. Ebenso verhielt es sich mit den Kristallen. Entfernte man die Pflanzen mit den Wurzeln aus den Rissen der Kristalle, verloren diese schnell ihre Leuchtfähigkeit. Man konnte noch nicht herausfinden, was die beiden verband. Über viele Zeitzyklen hinweg, bildeten diese Kristalle mit ihren, in Symbiose lebenden Pflanzen, die einzige natürliche Lichtquelle in dieser Unterwasserwelt. Nun, nachdem sich der technische Fortschritt in Maborien ausbreitete, wurden die Schwimmschneisen und Flitzerstrecken sowie die Wohneinheiten der Bewohner immer mehr elektrisch beleuchtet. Aber diese Vorgehensweise setzte sich nur schleppend durch. Die Natürlichkeit sollte bewahrt werden. Dieses Bild zeigte sich in sämtlichen Schwimmschneisen in den Städten dieser Welt. In sehr alten Stadtgebieten wuchsen diese leuchtenden Kristalle sogar an den alten, aus Muschelplatten bestehenden Fundamenten der Gebäude. Noch ältere breiteten sich bis in die dunkelsten Ecken aus. In den neuen Ansiedlungen setzte man nicht nur auf das moderne elektrische Licht. Man züchtete heutzutage sogar die Kristalle und setzte diese in die Wände der Gebäude ein, damit sie sich von Beginn an mit der Bausubstanz der Gebäude verbinden konnten. In den entstehenden Ritzen fanden die Pflanzen ausreichend Halt, um ihren unaufhörlichen Wuchs zu beginnen. Einige von ihnen umklammerten sogar die unteren Korallenarme, an deren Geäst sie bis hinauf zu den ersten Etagen der Wohneinheiten wuchsen. Damit sollte erreicht werden, dass auch in diesen Bereichen ausreichend natürliche Beleuchtung erfolgte.

      In den äußeren Gebieten wurden sogar künstliche Anbauanlagen errichtet, um den wachsenden Bedarf der Leuchtkristalle zu gewährleisten. Auch wenn man bis heute noch nicht verstand, wie es zu diesem Leuchten kam, konnte man doch eine florierende Industrie etablieren, die genügend Leuchtkristalle produzierte. Wo früher die Ansiedlungen dahin gebaut wurden, wo es ausreichende Leuchtkristalle und deren Pflanzen gab, konnte heutzutage überall gebaut werden.

      In einer dieser Siedlungen erwachte gerade die Wissenschaftlerin Zeru. Nur langsam, erst zu zwei dünnen Schlitzen, öffnete sie ihre großen, ovalen Augen, die von dem schwachen grünen Licht der Kristalle durchdrungen wurden. Erst als sich ihre Netzhaut an das Licht gewöhnt hatte, zwang sie sich dazu, ihre Augen gänzlich dem frühmorgendlichen Licht auszusetzen. Sie würde am liebsten noch ein wenig weiterschlafen. Diese modernen Schlafnischen der neuen Siedlung erwiesen sich als so bequem, dass sie am liebsten noch ein wenig liegen bleiben würde. Sie rekelte sich noch eine Weile in ihrer Schlafnische. Nachdem sie aber argwöhnisch den Zeitmesser betrachtet hatte, schaltete sie den automatischen Schlafnischenerneuerer ein und schwamm zur Körperreinigungsdusche. Bevor sie sich für die Fahrt zum Wissenschaftskomplex aufmachen konnte, musste sie noch ihre tägliche Körperreinigung über sich ergehen lassen. Jedes Mal, wenn sie das tat, musste sie an Darimar denken. An die Stadt, die nur wenige Schwimmstunden von hier entfernt lag und vor nicht mal zwei Zeitzyklen von einer grauenvollen Katastrophe heimgesucht worden war. Dieser Katastrophe verdankte sie es, dass sie nun jeden Morgen diese lästige Körperreinigungsdusche über sich ergehen lassen musste. Seit dieser Katastrophe herrschte in dieser Welt eine so starke Verschmutzung mit Algen, dass die Gefahr einer Veralgung nur durch diese tägliche Prozedur abgewendet werden konnte. Aber dennoch war sie froh, dass nicht ihre Stadt von dieser Befallskatastrophe heimgesucht wurde. Eine glückliche Verspätung jener Strömung, die immer zur selben Zeit über Lorkett hinwegfegte, ließ damals diese Befallskörper an ihrer Stadt vorbeiziehen. Eigentlich sollte die Strömung schon vor einigen Zyklen über Lorkett hinwegfegen, wie sie es jeden Zeitzyklus tat. Aber diesmal verspätete sie sich um die glücklichen 16 Zyklen. Schon seit langem stellte man in Maborien fest, dass die starken Strömungen, die sich zyklisch in den verschiedensten Höhen in sämtliche Richtungen fortbewegten, immer unregelmäßiger stattfanden. Einige blieben sogar ganz aus. Andere wiederum verspäteten sich nicht nur, sie nahmen neue, unerwartete Routen ein, die verheerende Auswirkungen in der Unterwasserwelt von Maborien auslösten.

      Auch wenn sie froh war, damals verschont worden zu sein, trauerte sie doch um die vielen Opfer, die vor zwei Zeitzyklen in Darimar dieser Katastrophe zum Opfer gefallen waren. Wissenschaftliche Untersuchungen stellten danach fest, dass dieser Befallsstrom vermutlich aus dem oberen Schleier gekommen war, und, kurz bevor er den Grund erreichte, durch diese Strömung in Richtung Darimar abgelenkt worden war. Hätte es diese verspätete Strömung nicht gegeben, würde Lorkett, Zerus Wohnort, nun Schauplatz der Katastrophe sein.

      Nach diesen zwei Zeitzyklen begann für Maborien eine Zeit, die mit Entbehrungen und Katastrophen verbunden war. Wie doch die Zeit verging, wunderte sich Zeru. Nun waren schon wieder zwei Zeitzyklen vergangen. Das waren 648 Zyklen, die Zeru hier in ihrer Wohnung ungehindert verbringen konnte. Wo würde sie jetzt wohl wohnen, wenn diese Katastrophe über ihre Stadt herniedergegangen wäre. Sie wusste es nicht und wollte es auch nicht wissen. Sie verfolgte seitdem jeden Bericht, der über diese Katastrophe verfasst wurde. Ein gewaltiges Beben und dessen gewaltige Welle hatte demnach damals Maborien überrannt. Aber nicht dieses Beben hatte unmittelbar darauf die größten Schäden verursacht, sondern dessen Folgen, die im Laufe der zwei Zeitzyklen immer bedrohlicher geworden waren. Darimar war zum Katastrophengebiet erklärt und weiträumig abgesperrt worden. Die wenigen Überlebenden hatte man auf die übrigen Städte Maboriens aufgeteilt. Dieses Beben und die anschließende Befallskatastrophe betrachtete man zuerst wie eine vorübergehende Laune der Natur.

      Niemand konnte sich so recht erklären, woher diese dunklen Gesteinsbrocken stammen sollten. Wissenschaftler sprachen davon, dass sich eventuell durch dieses Beben irgendwo diese Felsbrocken gelöst haben könnten und schließlich durch eine starke Strömung nach oben gerissen wurden. Nachdem diese Strömung nachgelassen hatte, ergossen sich diese Partikel über ihre Welt. Aber nach wissenschaftlichen Analysen der Gesteinsbrocken wurde festgestellt, dass sie keiner Gesteinsart ihrer Welt entsprachen.

      Nur langsam begann man damit, die Stadt von diesem Befall zu befreien. Aber diese schwarze Substanz erwies sich als so hartnäckig, dass man nicht so recht damit vorankam. Als sich schließlich auch die wenigen verbliebenden Bewohner und die Reinigungstrupps über einen merkwürdigen Algenbefall beklagten, der nicht nur die Gebäude, sondern eben auch die Maborier selbst befiel, entschloss man sich dazu, Darimar endgültig zu verlassen. Irgendwie schienen die unbekannten, schwarzen Gesteinsbrocken für die damals geringe, vorwiegend in den äußeren unbewohnten Gebieten vorkommende, Algenpopulation als Katalysator zu wirken.

      Nun, nach diesen vielen Zyklen hatte sich der Algenbefall so stark ausgebreitet, dass ganz Maborien davon betroffen war. Sogar vor den Bewohnern selbst machten die Algen keinen Halt. Es wurde so schlimm, dass sie jeden Zyklus dafür sorgen mussten, sich davon zu reinigen. Zeru begab sich dafür in die Körperreinigungsdusche und ließ besonders behandeltes Wasser mit einem hohen Druck auf ihren nackten Körper prasseln. Früher hatte sie diese Druckduschenbehandlung gemocht, aber heute dagegen, mit den chemischen Zusätzen, war es einfach nur noch lästig. Nachdem diese Prozedur überstanden war, begab sie sich in Richtung Wohnungsauslass und schwamm nun doch gut gelaunt aus der Deckenöffnung ihrer Wohnung. Über ihr erstreckte sich die unendliche dunkle Weite ihrer Welt, mit dem unergründlichen, bis jetzt verborgen gebliebenen, Schleier. Sie sah hinauf und versuchte ihre Augen so gut es ging zu fokussieren, um Einzelheiten dort oben zu erkennen. Vor einiger Zeit hatte sie noch viele hundert Meter in die Höhe schauen und doch nicht das Geringste des Schleiers erkennen können, so unendlich weit oben befand er sich. Nur tiefstes

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