Bloody Marys - das Leben birgt ein tödliches Risiko. Sabine Ludwigs

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Bloody Marys - das Leben birgt ein tödliches Risiko - Sabine Ludwigs

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himmelte sogar Andreas an. Es lag ihr wohl einfach im Blut. Mehrfach sagte ich zu ihm: „Wir sollten uns jemand anders suchen. Das geht nicht gut, die macht uns noch alle unglücklich.“

      Andreas verstand gar nicht, was ich damit andeuten wollte. Außerdem hatten wir Hochsaison, und Ewa arbeitete zuverlässig, strahlte stets vor guter Laune und kochte ebenso gut wie ich.

      Wir hätten Freundinnen werden können.

      Dass Andreas sie „mein Süßkartöffelchen“ nannte und in der Scheune vernaschte, bekam ich nur durch einen Zufall mit.

      An dem Tag hatte ich den Satz neuer Küchenmesser im Auto liegen lassen, Andreas am Nachmittag zwar gebeten sie hereinzubringen, aber wie üblich hörte er nicht richtig zu. Das tat er so gut wie nie, war immer nur mit halbem Ohr dabei. Deshalb musste ich sie schließlich selbst holen.

      Ich ging hinaus, überquerte den Hof und wollte eben durch die halboffene Tür in den Wagenschuppen treten, da sah ich die zwei ganz hinten im Halbdunkel stehen.

      Andreas und Ewa.

      Ewa und Andreas.

      Sie waren so miteinander beschäftigt, dass sie mich nicht einmal bemerkten.

      Er legte Ewa beide Hände auf den Po und zog sie so nah an sich heran, dass kein Fetzchen Papier mehr dazwischen gepasst hätte.

      „Komm her, mein Süßkartöffelchen!“

      Sie lachte leise und stammelte. „Andrej, nie … proszę, nein … bitte.“

      Er knöpfte Ewas Bluse auf. Sie fuhr ihm durch die Locken, als er ihren BH aufhakte und ihre Brüste liebkoste. Es sah aus, als hätte er das schon sehr häufig getan.

      „Ahh, doprze, doskonale,“ murmelte sie. „Gut, Andreas, sehr gut.“

      Ich wollte es nicht, aber aus irgendeinem Grund stand ich da und lauschte weiter ihrem Keuchen. Mit sterbendem Herzen und einem Bauch wie mit Sägemehl gefüllt. In meinen Ohren dröhnten ständig zwei Worte. Gestöhnt, nicht gesprochen: „Doprze, doskonale.“ Bei jedem seiner Stöße: „Doprze … doskonale.“ Gut. Sehr gut.

      Mein Kopf fühlte sich so schwer und leer an, wie nach einem Saufgelage mit Blackout. Mit abgehackten Bewegungen wankte ich irgendwann ins Haus.

      Später kam Ewa in die Küche und wünschte mir mit ihrem stockenden Akzent einen guten Tag. „Was riecht so gut, Britta? Neues Rezept?“

      „Kartoffelstrudel mit Bärlauch“, erwiderte ich knapp. „Vorbestellung. Wird gleich für Gasthof Muchler abgeholt“

      Ich zog mir Einmalhandschuhe über, weil ich die Zutaten für das Restaurantessen nie mit bloßer Hand anfasste. Danach nahm ich eines der neuen Messer aus der Verpackung, spülte es ab und hackte Zwiebeln.

      Ewa beugte sich indes runter zur Backofentür und spähte durch das Fenster hinein.

      „Hm“, sagte sie, „dopzre, doskonale!“

      Die Silben fielen wie eine schwere, schwarze Decke über meinen Verstand. Ich konnte nichts mehr denken, nichts hören oder sehen. Nur fühlen konnte ich: Wut, mörderische, brennende, alles verzehrende Wut.

      Als es aufhörte, lag Ewa bäuchlings vor dem Backofen. Ihr Atem ging schwer und pfeifend. Zwischen ihren Schulterblättern steckte bis zum Heft das nagelneue Messer. Ich wollte es eben herausziehen, als Andreas hereinkam.

      Binnen Sekunden wurde er so weiß im Gesicht, als liefe Milch statt Blut durch seine Adern. Mit zwei Schritten war er bei Ewa und streckte die Hand nach dem Messer aus.

      „Andrej … nicht … stecken lassen …“, wisperte sie.

      „Sofort“, stammelte er, „ich ziehe es sofort heraus.“

      Dann geschah alles gleichzeitig: Die Tür flog auf und Gabi Muchler stand im Raum, um den Strudel abzuholen – Ewa schlug mit der linken Hand nach Andreas, der bekam sie jedoch zu fassen und riss gleichzeitig mit der anderen die Klinge aus ihrem Rücken.

      Es zischte, als Ewas Atem aus der Wunde strömte und mit ihm ein warmer, roter Sprühregen.

      Frau Muchler stand da, starrte auf Andreas, das Messer in seiner Faust, die zuckende Frau zu seinen Füßen. Gabi Muchler kreischte wie eine Harpyie, wirbelte herum und floh.

      Die einzigen Fingerabdrücke, die man auf dem Messergriff fand, waren die meines Mannes.

      Es war schon immer seine größte Schwäche gewesen, dass er nicht gut zuhören konnte, Feinheiten gingen ihm einfach durch. Selbst in einem so wichtigen Augenblick, in dem es um Leben Tod ging, achtete er nicht richtig auf das, was man ihm sagte.

      Oder die Art, wie man es tat.

      Ewa hatte nämlich keineswegs gesagt: „Andrej! Nicht stecken lassen“, und ihn somit gebeten die Klinge herauszuziehen – sondern vielmehr: „Andrej, nicht! Stecken lassen.“ Sie versuchte ihn daran zu hindern, die Schneide zu entfernen, ja, sie schlug deshalb sogar nach ihm. Als Medizinstudentin wusste Ewa – ebenso wie ich als Krankenschwester – dass man bei einer solchen Stichverletzung den Fremdkörper stecken lässt, damit die Lunge nicht kollabiert.

      Denn das bedeutet den sicheren Tod.

      Gabi Muchler riss mich aus meinen Gedanken. „Diesen Anblick werde ich nie vergessen“, wiederholte sie mit schwerer Stimme. „Nun bezahlt er für das, was er getan hat. Und wenn er es noch so leugnet!“

      Die Qualle

      Eva Encke

      „Du bist mit schuld.“

      Ich weiß gar nicht, wie meine Mutter darauf kommt. Wahrscheinlich ist sie bei der Versammlung der Elternbeiräte der Stadt Dortmund eingenordet worden. Nein, kein anderer ist schuld, Melanie ist selber schuld, weil sie nämlich so dämlich ist. Nur die soo dämliche Melanie kann was dafür. Mein Gott, wenn ich das nur höre, „in den Tod getrieben“. Niemand hat sie getrieben, sie ist zu doof, über die Oesterstraße zu gehen. Dass wir da kurz vorher so ein wenig Spaß gemacht haben, das ist doch ganz normal, schließlich haben wir oft ein wenig Spaß gemacht und das war sie schließlich gewöhnt. Kein Grund, wie ein Huhn über die Straße und gleich auch noch vor ein Auto zu laufen. Aber jetzt sind wir schuld. Schon immer ist es so, dass sie, die dumme Schnalle, nie schuld hat. Erst petzt sie und dann gibt es wieder ein Heiden­theater. Ich kenne sie ja, schon immer war es so.

      Wie hat es eigentlich angefangen?

      Also, wir haben sie immer Qualle genannt und so getan, als wäre sie schleimig, so richtig eklig schleimig, und dann haben wir sie mit dem Finger angetickt und dann „ihh“ gerufen und so getan, als wenn wir uns den Finger abputzen müssten und als ob es gar nicht abgehen würde. Dabei haben wir sie dann Qualle oder Glibber genannt. Es war echt lustig. Bis sie dann anfing, zu heulen und nicht mehr aufhörte. Frau Hartmann, unsere Englischlehrerin, hat Melanie ins Lehrerzimmer gebracht und sie hat den ganzen Flur runter geheult. An dem Tag ist sie nicht wieder gekommen und an den nächsten Tagen auch nicht. Aber dafür wurde dieser Elternabend einberufen und danach hat meine Mutter richtig Stress gemacht. Wie wir denn so gemein sein könnten, und dass das aufhören muss. Sie schäme sich

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