Die neuen Reiter der Apokalypse. Michael Ghanem

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Die neuen Reiter der Apokalypse - Michael Ghanem

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      Die Lüge unterscheidet sich von der Täuschung dahingehend, dass eine Täuschung ohne das Mittel einer falschen Aussage verübt werden kann. Zum Beispiel täuscht man, wenn man vorgibt zu schlafen, um andere zu belauschen. Wenn man dann gefragt wird und sagt, man habe geschlafen, ist das eine Lüge. In der Werbung, im Verkaufsgespräch und in der politischen Propaganda wird oft mit Lügen und Täuschungen gearbeitet.

      Die Lüge ist auf Sprache angewiesen: Lügen können in jeder Form geäußert werden, in der mit Sprache kommuniziert wird, zum Beispiel als Text in einer Zeitung oder in Gebärdensprache.

       In der zwischenmenschlichen Kommunikation werden unterschieden:

      • soziale Lüge

      • Notlüge

      • Zwecklüge

      • vorsätzliche (dissoziale) Lüge,

      • zwanghafte, pathologische Lüge (Pseudologie)

      • Ausrede.

       Die soziale Lüge soll dem Wohl des Belogenen oder der Harmonie einer Gruppe dienen. Diese Art der Lüge soll meist dem friedlichen Miteinander und der Leistungsmotivation nützen.

      Die vorsätzliche Lüge oder auch gemeine bzw. verbrecherische Lüge hat den eigenen Vorteil zum Zweck und nimmt den Nachteil von Mitmenschen billigend in Kauf. Bei der Intrige (von lateinisch intricare, in Verlegenheit bringen) ist der Nachteil Anderer sogar das angestrebte Ziel.

      Zwanghaftes Lügen wurde in der Psychiatrie gelegentlich als Pseudologie bezeichnet. Heutzutage sieht man darin jedoch kein eigenständiges Krankheitsbild mehr, sondern ein mögliches Symptom der narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

      Der Autor Brad Blanton schlägt vor, auch Verhaltensweisen wie Informationszurückhaltung, Beschönigung und Übertreibung, aber auch soziale Phänomene wie Taktgefühl, Diplomatie als Formen der Lüge zu werten.

      Rechtliches

      Strafrecht

      Ein Angeklagter darf zur Sache immer schweigen, aber auch wenn er spricht, darf er lügen, zumindest soweit er sich nicht dadurch strafbar macht (Falschverdächtigung). Lügt ein Angeklagter, um sich selbst zu entlasten, spricht man auch von einer Schutzbehauptung. Strafrechtlich relevant werden kann eine Lüge als Verleumdung oder als Aussagedelikt, wie zum Beispiel Falschaussage oder Meineid bei einem Zeugen, der immer die Wahrheit zu sagen hat. Als Spezialfall der Täuschung kann eine Lüge auch ein Betrugsdelikt darstellen, wenn es zu einer Vermögensschädigung kommt. Grundsätzlich ist Lügen jedoch nicht strafbar; das gilt auch für schriftliche Lügen (Ausnahme § 348 StGBFalschbeurkundung im Amt).

      Zivilrecht

      In Vorstellungsgesprächen darf zum Beispiel bei bestimmten Fragen gelogen werden. So entschied das Bundesarbeitsgericht am 19. Mai 1983, dass Lügen bei nicht relevanten Fragen, im abgeurteilten Fall die bisherige Höhe des Gehaltes, keine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Täuschung rechtfertigt. Auch das Vorliegen einer Schwangerschaft darf verheimlicht werden, sofern der Arbeitsplatz kein gesundheitliches Risiko für Schwangere darstellt, z. B. wegen Infektiosität oder Strahlenexposition. Auch Vorstrafen dürfen verheimlicht werden, sofern sie im Bundeszentralregister gemäß dem § 53 Bundeszentralregistergesetz gelöscht wurden. Gefälschte Zeugnisse jedoch stellen auch nach Jahren noch einen Kündigungsgrund dar. Nach Studien der Control Risk Group machen in Deutschland rund 12 % der Bewerber falsche Angaben über ihren beruflichen Werdegang. Im Einzelnen schummeln 30 % bei den Daten zur Beschäftigung, 18 % bei den Qualifikationen, 13 % bei den Gehaltsangaben, 11 % bei den Daten zum Lebenslauf, 6 % bei den Angaben zum Verhältnis zum ehemaligen Arbeitgeber, 4 % bei der Position und 1 % bei den Angaben zur Führungsverantwortung.

       Auch Arbeitgeber desinformieren in Bewerbergesprächen. Nach Hesse/Schrader gilt es in Vorstellungsgesprächen als ein gutes Zeichen, wenn ein vermeintlicher Makel wie z. B. Gewerkschaftsengagement angesprochen wird, weil die Arbeitgeber tendenziell vermeiden, tatsächliche Ausscheidensgründe anzusprechen, besonders wenn sie nicht justiziabel sind. Beispiel für nicht justiziable Ausscheidungsgründe sind Geschlecht, Konfession, Parteizugehörigkeit, Gewerkschafts- oder Betriebsratsengagement etc.

      Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags

      Im Deutschen Bundestag gilt es als unstatthaft, einen Abgeordneten der Lüge zu zeihen. Dies wird regelhaft mit einem Ordnungsruf oder mit einer Rüge durch den Bundestagspräsidenten geahndet. Nicht geahndet wird es dagegen, wenn einem Abgeordneten unterstellt wird, er habe die Unwahrheit gesagt, weil dies die Möglichkeit impliziert, er habe sich nur geirrt. Auch der Vorwurf, jemand habe „wissentlich die Unwahrheit“ gesagt, zieht gemeinhin keine Ordnungsmaßnahme nach sich.0

      Psychologie

      Psychologische Forschung

       In der psychologischen Forschung können mehrere Ansätze unterschieden werden, die jeweils darauf abzielen, Merkmale zu bestimmen, mit Hilfe welcher die Unterscheidung zwischen einer wahren und einer falschen Erinnerung bzw. Aussage möglich ist.

       Der Fokus kann entweder auf der Erinnerung liegen oder auf der Person, um deren Erinnerung es sich handelt. Weiterhin muss zwischen der bewussten und unbewussten Lüge differenziert werden, da sich die Verhaltensmerkmale der Personen und Inhalte der Aussagen in beiden Fällen unterscheiden.

       Legt man den Fokus auf die Person, kann man zum Beispiel herausfinden, ob die Person in ihrer Vergangenheit schon häufiger gelogen hat, was ein Hinweis sein könnte. Weitere Möglichkeiten bestehen in der Analyse von verschiedenen Verhaltensmerkmalen oder auch Mikroexpressionen in der Mimik. Dies lässt sich jedoch nur anwenden, wenn es sich um eine bewusste Lüge handelt.

       Bei der Fokussierung auf die Erinnerung werden die Inhalte nach Hinweisen untersucht, die falsche Erinnerungen von wahren Erinnerungen unterscheiden. Kriterien zur Untersuchung sind die logische Struktur, der Anteil an Details und weitere. Ein Problem der unbewussten Lüge besteht darin, dass die Erinnerungen sehr detailliert und reich an Informationen sein können und somit schwer von einer wahren Erinnerung unterschieden werden können.

      Psychiatrisch-Psychotherapeutische Unterscheidungen

      Psychotherapeutisch wird unterschieden zwischen unbewussten und bewussten Lügen. Mit dem Problem der falschen Erinnerung beschäftigt sich die Glaubwürdigkeitsbegutachtung. Als Konfabulation bezeichnet man eine sinnlos phantastische Ausdeutung für Erinnerungslücken, die im Rahmen einer exogenen Psychose auftreten und typisch für das Korsakow-Syndrom (= Sekundengedächtnis + Konfabulation + Desorientiertheit) bei Alkoholmissbrauch sind.

      Nach Heinz Kohut unterscheiden wir bei den unbewussten Lügen solche, die Ergebnis einer frühkindlichen Verwahrlosung sind (Pseudologie), von Lügen, die Ergebnis einer unzureichenden Verinnerlichung elterlicher Normen im Rahmen der ödipalen Phase entstanden sind. Ein Gewissen aus Einsicht entwickelt sich nach dem allgemeinen psychoanalytischen Verständnis lebensgeschichtlich erst in der phallischödipalen Phase etwa im 4. bis 6. Lebensjahr. Der Vorläufer eines Gewissens aus Einsicht ist nach Schorsch das sogenannte präödipale Gewissen, das sich aus einer Strafangst und einem Kontrollbedürfnis entwickelt.

       Bewusste, vorsätzliche Lügen stellen in der Psychotherapie oft ein großes Problem dar. Léon Wurmser (1999) machte auf das

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