Die neuen Reiter der Apokalypse. Michael Ghanem
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• Die Apokalyptik erwartet die Wende vom Unheil zum Heil nicht mehr als ein Eingreifen Gottes in den Lauf der Weltgeschichte, sondern als sein Kommen zu deren Abbruch. Insofern herrscht hier gegenüber der älteren Prophetie eine geschichtspessimistische Grundstimmung: Die ganze Menschheits- bzw. Weltgeschichte wird als Unheilsgeschichte gesehen, die einem schrecklichen Ende zutreibt.
• An Gottes Herr Sein in Bezug auf seine Vorsätze wird nicht gerüttelt: Gott selbst habe den plötzlichen, katastrophalen Abbruch der von ihm bis dahin geduldeten Weltgeschichte im Voraus festgelegt (Gedanke der Vorsehung Gottes – lateinisch Providentia Dei oder theologischer Determinismus).
• Das endgültige, von Gott allein gesetzte Ende wird oft als Endkampf Gottes gegen den Satan und seinen dämonischen und menschlichen Anhang (vgl. Höllensturz) verstanden, der zur von Gott vorbestimmten Zeit beginnt (Mt 24 EU).
• Dieser Endkampf zwischen „Gut“ und „Böse“, Licht und Finsternis kann die Gestalt eines apokalyptischen Dualismus annehmen. Im Zoroastrismus und später im Gnostizismus wird dieser Kampf schon in die Schöpfungsgeschichten vorverlagert, so dass im Grunde zwei Gottheiten miteinander kämpfen (vgl. Offb 12,7 EU). Bereits in 1 Mos 3,15 EU wird vorhergesagt, dass der Schlange (Symbol für Satan und seine Nachfolger) der Kopf zermalmt werden würde. Das „böse Prinzip“ und der Schöpfergott treten in Konflikt miteinander. Erlösung und Rettung sind erkennbar durch die Auferstehung der Toten (Offb 11,18 EU; 20,5f.11 EU) und ein Überleben des Strafgerichtes Gottes durch jene, die das Loskaufsopfer Jesu Christi durch Taufe angenommen haben (Offb 7,9.13–17 EU) sowie durch Errichten des Reiches Gottes auch auf Erden (Offb 12,10 EU; Vater Unser).
• In der biblischjüdischen Apokalyptik wird an der Einheit der an sich guten Schöpfung festgehalten: Die Welt wird gemäß dem Willen Gottes von Grund auf verwandelt. Das Endgericht steht zu Beginn der Herrschaft Gottes und beendet die Herrschaft widergöttlicher Mächte, die Gott bis dahin geduldet hatte. Die Verwandlung der Welt ist allein Gottes Werk. Nur er kann die endgültige Gerechtigkeit bringen und weltweit durchsetzen. Sein Sieg steht seit undenklichen Zeiten her fest.
• Mit diesen Grundgedanken sind eine Reihe von Motiven und Bildern verbunden: Dazu gehören die Cherubim bei Ezechiel, der Menschenähnliche in Dan 7,14 oder die vier Apokalyptischen Reiter, die sich auf höheren Befehl hin auf den Weg machen.
Diese sind Symbole für den siegreichen Messias, den Krieg, Hungersnöte, Seuchen, denen der Tod unmittelbar folgt. In Offb 21 EU kommt das Neue Jerusalem als Bild der erneuerten Schöpfung und des Friedens zwischen Gott und den Menschen vom Himmel auf die Erde.
Islam
Eschatologische Beschreibungen finden sich bereits in den frühesten Suren des Korans.
Die Suren 81, 82, 84 und 99 werden apokalyptische Suren genannt, weil sie gänzlich der Beschreibung von Naturkatastrophen und weiteren spektakulären Ereignissen am Ende der Tage gewidmet sind. Als Beispiel beschreiben die ersten 14 Verse von Sure 81 die „Einhüllung“ der Sonne, den Lichtverlust der Sterne, das Beben der Berge und die Vernachlässigung schwangerer Kamele, bevor die Seelen im Endgericht zur Rechenschaft gezogen werden. Dabei wird weder der exakte Zeitpunkt, die genaue Art und Weise noch die Ursache dieser Katastrophen genannt. Diese Beschreibungen der Ereignisse am Ende der Tage sind zwar oft sehr lebhaft und farbenreich, andererseits aber zu vielfältig, um ein genaues Bild der Ereignisse am Weltende abzugeben. Wie Rudi Paret in seiner Mohammed-Biographie ausführt, bezwecken diese Bilder weder die Beschreibung einer objektiven Realität noch eine genaue Zukunftsprognose. Sie sollen vielmehr hauptsächlich die Zuhörerschaft schockieren und den Schrecken ankündigen, der am Ende der Tage die ganze Welt erfassen wird.
Zahlreiche Parallelen mit jüdischen und christlichen kanonischen und apokryphen Überlieferungen sind wissenschaftlich untersucht worden, obwohl sich auch typisch arabische Charakteristika finden, wie zum Beispiel die Vernachlässigung von Kamelen in zehnmonatiger Schwangerschaft.
Bildtradition
Das bedeutendste Bild ist wohl die Apokalypse von Angers, einem monumentalen, über 100 Meter langen Wandteppich mit 84 Szenen, der zwischen 1373 und 1382 in Paris gewebt wurde.
Buchkunst
Für die christliche Ikonographie ist vor allem die Johannes-Apokalypse verbindlich, die seit dem frühen Mittelalter in zahlreichen Bilderhandschriften verbildlicht und kommentiert wurde. Bis zum Hochmittelalter können mehrere Gruppen von Bildzyklen unterschieden werden: Eine mozarabischspanischfranzösische Handschriftengruppe beruht auf dem Apokalypsenkommentar des Beatus von Liébana aus dem Jahr 784 und umfasst etwa 800 Handschriften des 9. bis 13. Jahrhunderts. Eine kleinere ostfränkische Miniaturengruppe (Trier, Stadtbibliothek Cod. 21) des 9. Jahrhunderts blieb ebenfalls ohne nachhaltige Auswirkung auf die spätere deutsche Buchkunst. Einflussreicher war eine in Italien auf altchristlicher Grundlage entstandene Miniaturenreihe, die in der berühmten Bamberger Apokalypse (vor 1020) weiterlebt. Weitere deutsche, englische und französische Bilderhandschriften stehen bis zum Ende des Mittelalters in dieser Nachfolge, so die die um 1270 in Westminster entstandene Douce-Apokalypse, die gereimte Fassung des Heinrich von Hesler (um 1310) oder die Apokalypse in der Velislaus-Bibel (1325–1349). Dieser Tradition folgen auch um 1430–1470 die gedruckten Blockbuch-Apokalypsen, deren etwa 50 Seiten jeweils in Holz geschnittene Bilder und Texte kombinieren. Die einschlägigen Bibelillustrationen um 1500, etwa in der Koberger-Bibel von 1483 werden in den Schatten gestellt von den 15 großartigen Holzschnitten der Apokalypse Albrecht Dürers, 1498. Die lutherische Buch- und Flugblattillustration schließt sich den dürerschen Motiven an: Lucas Cranach der Ältere zeigt in Luthers „Septembertestament“ (1522) den Papst als „babylonische Hure“, die Bildformulierungen in Georg Lembergers Holzschnitten zum Neuen Testament von 1524 wandern durch mehrere folgende, selbst katholische Bibelübersetzungen. Dürers Apokalypse wird auch in der französischen und englischen Graphik des frühen 16. Jahrhunderts nachgeahmt.
Kathedralplastik
Ein der Apokalypse entnommenes Bildschema, die Majestas Domini ist für die mittelalterliche Kunst von größter Bedeutung. Es findet sich in der Buch- und Wandmalerei, vor allem aber in skulpturalen Bildschöpfungen, die in der burgundischen Romanik und in der nordfranzösischen Gotik bis etwa 1170 zu den herausragendsten Schöpfungen der ganzen Epoche gehören. So ist Christus im Tympanon des mittleren Westportals („Königsportal“) der Kathedrale von Chartres mit einer Mandorla hieratisch ausgezeichnet, von den vier Evangelistensymbolen flankiert, von Engeln und den 24 Ältesten in den Archivolten umgeben und den Aposteln im Türsturz begleitet. Um 1170 verschwindet dieses bis dahin häufige Schema aus der Kathedralplastik, während das verwandte Motiv des Jüngsten Gerichtes sich noch bis zum Ende des Mittelalters an vielen Kirchenportalen wiederholt.
Neuzeit
In der nachmittelalterlichen Malerei und erst recht der Bildhauerkunst verliert das Thema rapide an Bedeutung und beschränkt sich überwiegend auf herausgelöste Einzelmotive wie die Mondsichelmadonna (das „apokalyptische Weib“), oder das Lamm Gottes auf dem Buch mit den sieben Siegeln. Die bildlichen Visionen des Hieronymus Bosch tragen ebenfalls apokalyptische Züge, etwa Das jüngste Gericht und das Weltgerichtstriptychon. Von El Greco wurde das fünfte Siegel der Apokalypse dargestellt. Der einzige nennenswerte Bilderzyklus der Neuzeit stammt aus dem 19. Jahrhundert: 1843 bis 1867 zeichnete Peter von Cornelius für Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 17 Kartons für einen Freskenzyklus auf dem in Berlin geplanten campo santo. Abrufstatistik · Autoren
Quelle: Seite „Apokalypse“.