Theaterherz. Stefan Benz

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Theaterherz - Stefan Benz Herr-Beck-Krimis

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deutlich eine Beule abzeichnete, wollte seinen leichten Kopfschmerz auskurieren und versprach, anderntags wiederzukommen. Gitta und Paula beratschlagten noch, was mit dem vielen Gemüse anzustellen war, während Bernd anfing, Beck von Elektrofahrrädern vorzuschwärmen. Das wäre doch was für ihn! Beck nickte halbherzig, dabei dachte er aber nur daran, wie er seinen alten Saab noch bis in die Kurstadt und über den TÜV kriegen sollte. Er ließ es sich aber nicht anmerken. „Elektro! Ganz schön schnell, was? Ich denk drüber nach.“ Damit war Bernd zufrieden, und im nächsten Moment standen seine Gäste im Treppenhaus und verabschiedeten sich.

      Puh, dachte sich Beck, als die Haustür zufiel und er wieder allein war. Das war geschafft. Er atmete tief durch, griff sich mit der rechten Hand an die linke Brust und spürte, dass sein Herz leicht war. Langsam streifte er durch seine Wohnung, im Schlafzimmer zog er an der Schublade mit den langen Unterhosen, fingerte ganz nach hinten und zog eine Flasche Portugieser raus. Gedankenverloren ging er in die Küche, griff wie ferngesteuert zum Korkenzieher, füllte sich ein Glas randvoll, nippte daran und lief dann weiter in Julianes Arbeitszimmer, vorbei am Trümmerhaufen aus Brettern und Büchern.

      Die Sonne schien, wärmte schon kräftig durch die Scheibe. Es würde ein guter Theatersommer werden. Das spürte er. Unten auf der Straße sah er Paula, Franz, Bernd und Gitta. Sie redeten, die Frauen wirkten aufgeregt, die Männer standen regungslos daneben und schienen nur darauf zu warten, endlich wegzukommen. Dann ging jeder seiner Wege, und als Paula nach rechts um die Ecke abgebogen war, schien es Beck, als wäre ihr eine junge Frau in einem weißen Kleid mit roten Punkten entgegengekommen. Aber als Beck das Fenster geöffnet hatte, um besser rausschauen zu können, war die Straße menschenleer.

      4„Du siehst so anders aus.“ Paula musterte ihn von unten nach oben und wieder nach unten. Es kam ihr vor, als habe er sich verkleidet, als wolle er bei den Festspielen nicht nur zuschauen, sondern auch selbst auftreten. „Also, ich weiß nicht.“

      „Natürlich. Es muss ja auch anders werden. Das hab ich auch verstanden“, sagte Beck und zuppelte an seiner Weste.

      „Ja, aber der Arzt hat das nicht modisch gemeint, sondern medizinisch.“

      „Das hängt alles zusammen“, erwiderte Beck und knöpfte seine Weste zusammen.

      „Ich weiß auch nicht, ob Dir das steht.“ Vor ihr stand ein altes mageres Hähnchen, das sich Pfauenfedern aufgesteckt hatte. „Kannst mich doch mitnehmen beim Einkaufen.“

      „Was meinst Du denn, ist doch klassisch englisch.“ Beck blickte an sich herab: Weste mit graubraunem Karo, hellbraune Stoffhose und eine Baumwollfliege mit blauen Streifen, die zugegebenermaßen auch ein gefaltetes Taschentuch hätte sein können. Aber irgendwie passte es doch, dachte sich Beck, setzte sich die Tweed-Kappe auf und schlang den roten Schal um den Hals.

      „Was machst Du denn jetzt?“ Paula griff zur Fliege, Beck wich zurück. „Zieh das doch aus. Ist doch alles viel zu warm. Du schnürst Dir ja die Luft ab. Und diese Frisur.“ Sie lüftete seine Kappe, wuschelte durch sein Haar und strich es dann wieder glatt. Seine Haare widersetzten sich. Paula tat einen Schritt zurück, stemmte die Hände in die Hüften. „Was ist denn das? Hast Du Dir eine Welle reinmachen lassen. Soll das ein Minipli sein?“

      Da hatte sie sich jahrelang darüber beschwert, dass seine letzten grauen Strähnen wie Sauerkraut an ihm herunterhingen, und jetzt war es auch wieder nicht recht.

      „Der Friseur hat gesagt: Ich mach Ihnen was Schickes.“ Beck war jetzt doch ein wenig verunsichert. „Ist doch flott.“

      „Na, immerhin hat er Dir keine hellblaue Dauerwelle reingemacht, sonst könntest Du als Deine eigene Oma gehen. Aber irgendwie siehst Du jetzt aus wie der Opa von Toni Schumacher.“

      „Wer?“ Beck hatte es nicht mit Fußballern.

      „Dann halt wie der Opa von Atze Schröder.“

      „Was?“ Beck hatte es auch nicht mit Quatschköpfen.

      „Ist ja auch egal“, motzte Paula. „Ich versteh den ganzen Aufzug nicht.“

      „Ich wollte Dir zeigen, was ich Neues gekauft habe. Du sagst doch immer: Kauf Dir mal was Anständiges.“ Ein bisschen Enthusiasmus hatte er sich schon von ihr erwartet.

      „Aber, Du musst doch nicht sooo losfahren. Da zieht man doch was Bequemes an.“

      Beck fand das jetzt bequem, er wollte das bequem finden. Hinter ihm stand ein kleiner alter Koffer mit braunen Lederriemen. Der kam noch auf die Rückbank. Da waren seine Bücher drin. Im Wagen verstaut waren schon vier Koffer, zumeist mit den Kleidern, die Paula seit Jahren hatte ausrangieren wollen. Aber eine Garnitur für die Festspiele hatte sich Beck geleistet, die wollte er jetzt präsentieren, und er erwartete angemessenen Jubel. Kriegte er aber nicht. Das Jackett mit dem grünblauen Einstecktuch brauchte er ihr jetzt gar nicht mehr zu zeigen. Paula hob eine Tragetasche vor Becks Nase.

      „Da ist Kartoffel-Brokkoli-Auflauf drin, Gemüseschnitze mit drei Dips, Multivitaminsaft und…“ Paula zog eine Packung heraus: „Ginsengtee mit Zitronengras, Pfefferminze, Hagebutte, Orangenschalen, Süßholz, Kardamom, Zimt, Ingwer, Zitronenöl, Brennnessel, Luzerne, schwarzem Pfeffer, Selleriesamen , Nelken…“

      „Gut, gut!“ Beck musste sie jetzt dringend unterbrechen: „Ich hab Vollpension, weißt Du doch.“

      „Ja, und ich weiß, was Du immer so isst.“

      „Ach, Paula, Du kommst mich ja sicher mal besuchen. Ist ja nicht so weit.“

      „Ja, aber Du hättest trotzdem den Zug nehmen können. Wer weiß, ob nicht wieder an dem Wagen was ist. Dann stehst Du da.“

      Gewiss, Beck hing mehr an seinem Saab, als der Wagen an ihm. Der altersschwache 900er wollte immer wieder auseinanderfallen. War keine gute Baureihe. Das Blech dünner als sonst bei den alten Schweden. Dieser hier sah zwar trotz einiger Rostblasen noch ganz robust aus, knarzte und ächzte aber seit einiger Zeit erschreckend altersschwach. Fünf Monate bis zum TÜV. Ob er da noch mal drüber kam, wusste Beck nicht. Aber zu seiner Festival-Kur wollte er mit Weste und Fliege im eigenen Automobil vorfahren. Ja, er wollte auto mobil sein: selbst beweglich! Da konnte Paula jetzt sagen, was sie wollte.

      Beck blickte noch einmal hinauf zu seiner Wohnung, zum Fenster ohne Vorhänge, hinter dem Julianes altes Geisterzimmer lag, jetzt leer und weiß getüncht. Keine Ahnung, was er eines Tages in diesem Raum verstauen sollte, aber die Leere dort oben machte ihn leicht. Was für ein Ballast dieser Raum auf seinem Gemüt gewesen war, wusste er erst jetzt, da der Druck verschwunden war. Mit einem guten Gefühl räumte er die letzten Stücke ein, packte Taschen, Koffer, Pakete und einen roten Beutel für den Notfall so, dass er kaum noch was sah durch die Heckscheibe, drückte Paula – „Dank Dir. Bis bald!“ – ließ sich in die Rückenkissen auf den ausgeleierten Fahrersitz fallen. Beck startete, der Saab stotterte, wolkte grauschwarz, hustete und machte einen großen Sprung nach vorne. Paula tat einen kleinen Satz zur Seite, Beck winkte noch, und schon war er um die Ecke.

      Der Saab stöhnte. Doch das Geräusch wurde an jeder Ecke leiser, und Beck hörte zunächst nicht diesen anderen hohen Ton. Je mehr er sich von der Innenstadt entfernte, desto mehr hellte sich seine Laune auf. Und als er die Felder am Stadtrand sah, war er bereit zur großen Expedition. Es sollte zwar nur 60 Kilometer durch Wälder und Hügel gehen, aber für ihn und seinen alten Schweden war das schon eine Fernreise. Selten war Beck zuletzt weiter als bis ins Parkhaus des Stadttheaters oder zum Verlagshaus im Gewerbegebiet gerollt. Nun aber lag für einige Zeit die letzte Ampel hinter ihnen. Beck hatte die Kappe wieder aufgezogen, die Fenster geöffnet, schaltete hoch und fühlte sich ein wenig

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