Todesstrafe - Der zweite Fall für Schmalenbeck und Paulsen. Brigitte Krächan
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„Offenbar hatte es der Täter nicht eilig. Das sieht nach einer längeren Unterhaltung zwischen Opfer und Täter aus. Hast du Folterspuren an der Leiche entdeckt?“
Oskar schüttelte den Kopf. „Nicht auf den ersten Blick. Wie gesagt: Wir sollten die Leichenschau abwarten.“
Ulli sah sich im Rest des Zimmers um. Nichts deutete auf einen Raubüberfall hin. Es gab weder herausgezogene Schubladen noch durchwühlte Schränke. Der fast quadratische Raum war karg und fantasielos eingerichtet – ohne Bücher in den Regalen und ohne Bilder an den Wänden. Ein großer, neuwertiger Flachbildschirm dominierte den Raum. Er wirkte auf dem rustikalen Sideboard deplatziert. An der gegenüberliegenden Wand stand ein zerschlissenes Sofa. Der niedrige Tisch war zur Seite geschoben worden, vermutlich, um Platz für die beiden Stühle zu schaffen. Auf dem Tisch entfaltete sich ein Stillleben, das auf einen einsamen Fernsehabend hindeutete: eine halbleere Flasche Bier, ein randvoller Aschenbecher sowie Zigaretten und Feuerzeug, ein Handy und ein Pizzakarton. Ulli hob vorsichtig den Deckel des Pizzakartons an. Dicke, fette Maden wanden sich im Tageslicht.
Oskar grinste. „Da werden sich die Kollegen von der Entomologie freuen“, sagte er nur und rümpfte die Nase.
Das Opfer hatte nichts von der Pizza gegessen. Vielleicht war der Mörder als angeblicher Pizzabote ins Haus gekommen. Ulli ging weiter zum geöffneten Fenster und schaute auf einen kleinen Reihenhausgarten mit denselben langweiligen Lorbeerbüschen wie vor dem Haus und ähnlich ungepflegtem Rasen. Wilhelm Tieck schien keinen besonderen Wert auf ein schönes Heim gelegt zu haben.
„Der Rollladen war heruntergelassen.“ Oskar war neben Ulli getreten. „Wir haben ihn hochgezogen, um besseres Licht zu haben. Ist aber alles dokumentiert. Der Fernseher war ausgeschaltet, als wir kamen, aber das Deckenlicht brannte.“
Ulli hatte genug gesehen. Sie hoffte, dass die Schwester des Toten, die in der Küche wartete, sich so weit gefasst hatte, um einige Fragen zu beantworten.
Bevor Ulli die Küche betrat, legte sie die Schutzkleidung ab, sie wollte die Frau nicht noch mehr erschrecken. Der Duft von frisch gekochtem Kaffee schlug ihr entgegen und überlagerte die üblen Gerüche aus dem Wohnzimmer. Die kleine Wohnküche war zweckmäßig, aber lieblos eingerichtet: eine Küchenzeile, ein großer Vorratsschrank, ein Esstisch vor einer Eckbank. Auf dem Regal über der Eckbank stand ein altes Transistorradio. Neben dem Vorratsschrank hing ein Monatskalender, in den einige Termine eingetragen waren. Den Kalender würde die Spusi sicherstellen. Das Fenster der Küche ging zum Vorgarten.
Der Mörder wollte wahrscheinlich nicht von der Straße aus gesehen werden und hatte deshalb die Stühle mit ins Wohnzimmer genommen.
Die Schwester von Wilhelm Tieck saß schwer atmend auf der Eckbank. Ein etwa dreißigjähriger Mann, vermutlich der Arbeitskollege des Toten, hockte daneben und zog hektisch an seiner Zigarette. Kommissar Paulsen hatte beide mit Kaffee und Wasser versorgt. Er stand schwerfällig auf und bot Ulli seinen Stuhl an.
„Der Kollege hat den Hausarzt von Frau Burger verständigt“, flüsterte er Ulli zu.
„Nein! Es geht schon!“, mühsam richtete sich die alte Frau auf. „Es würde schon genügen, wenn mich jemand nach Hause bringen könnte. Ich muss hier raus. Dieser Gestank!“
Ulli erinnerte sich an die alte Gartenbank, die sie beim Blick aus dem Wohnzimmerfenster gesehen hatte. „Ich werde einen Kollegen bitten, Sie in den Garten zu begleiten. Dort können Sie auf Ihren Hausarzt warten.“
Als die Frau die Küche verlassen hatte, wandte sich Paule dem Arbeitskollegen des Toten zu und stellte Ulli vor. Zu Ulli gewandt erklärte er: „Herr Faas ist ein Kollege von Wilhelm Tieck. Sie arbeiten beide drüben bei Schrauben Ziegler im Haferweg. Herr Faas hat gemeinsam mit Frau Burger die Leiche gefunden.“
Der Mann nickte. „Willi ist am Freitag nicht zur Schicht gekommen. Hat sich auch nicht krankgemeldet. Das ist gar nicht seine Art. Obwohl – so ab und zu hatte er seine Tour. Da konnte man nix mit ihm anfangen. Ich habe ihn abends angerufen, aber er ging nicht an sein Handy. Wird saufen, habe ich gedacht. Lässt man ihn besser in Ruhe. Aber für Samstag waren wir zum Fußball verabredet. HSV. Auswärtsspiel gegen Hertha. Wir wollten zusammen hinfahren. Ich habe eine Zeit lang gewartet und bin dann alleine los. Müssen ja nicht beide das Spiel verpassen, habe ich gedacht. Aber Sorgen habe ich mir schon gemacht. Gleich am Sonntag habe ich wieder bei ihm angerufen. Ich bin auch vorbeigefahren, aber es hat keiner aufgemacht. Dann habe ich seine Schwester angerufen. Ich hatte ihre Nummer, falls im Betrieb etwas passiert. Die Schwester war gleich ganz aufgeregt. Hat irgendetwas von Jahrestag gemurmelt, und sie hätte schon immer befürchtet, dass dann etwas passiert. Ich bin direkt zu ihr gefahren. Sie hatte einen Schlüssel. Wir haben geläutet und geklopft. Als Willi nicht antwortete, sind wir rein. Schon an der Haustür war mir klar, dass etwas nicht stimmt. Dieser Gestank! Ich bin dann in die Küche. Ich war noch nicht ganz drin, da hörte ich sie schon schreien. Sie war zuerst im Wohnzimmer und hat ihn gefunden. Die arme Frau.“
Klaus Faas zog an seiner Zigarette. „Ich werde mich zuhause erst einmal eine Stunde unter die Dusche stellen. Wie haltet ihr das nur aus? Kann ich jetzt gehen?“
„Wir würden Ihnen gerne noch einige Fragen stellen. Einzelheiten vergisst man schnell, deshalb ist für uns die unmittelbare Befragung der Zeugen sehr wichtig“, erklärte Ulli.
Klaus Faas nickte und griff zur Kaffeetasse. „Dann fragen Sie mal.“
Paule hatte sich ebenfalls einen Kaffee eingegossen und quetschte sich neben Klaus Faas auf die Eckbank. „Haben Sie eine Ahnung, was die Schwester von Herrn Tieck mit diesem Jahrestag meinte? Hat Herr Tieck selbst einmal einen solchen Jahrestag erwähnt?“
Klaus Faas schüttelte den Kopf.
„Keine Ahnung. Der Willi hat nie viel erzählt.“
„Und diese Tour, die Ihr Kollege ab und zu hatte – wie war er denn so, der Herr Tieck, wenn er seine Tour hatte?“
Klaus Faas zuckte die Schultern.
„Schwer zu beschreiben. Willi war nie besonders gesprächig, und von Zeit zu Zeit hat er überhaupt nix mehr gesagt. Empfindlich war er dann, hat alles direkt persönlich genommen. Mir hat er nie etwas erzählt. Aber die Leute reden halt. Und am Donnerstag stand’s ja in der Zeitung, die Sache mit der toten Frau. Die Bullen hatten Willi damals verdächtigt. Er ist aber freigesprochen worden. Doch so etwas verfolgt einen wohl ewig. Näheres weiß ich nicht. Ich habe erst, nachdem das passiert war, bei Schrauben Ziegler angefangen und den Willi kennen gelernt. Sie fragen besser seine Schwester.“
„Ist Ihnen in der Wohnung etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Fehlt etwas?“
„Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich bin heute zum ersten Mal in der Wohnung. Willi war nicht sehr gesellig. Ich glaube nicht, dass er überhaupt Leute zu sich nach Hause eingeladen hat.“
Paule wollte gerade eine weitere Frage stellen, als Jana die Küche betrat: „Wir wären dann soweit. Im Wohnzimmer ist alles eingetütet. Der Tote ist auf dem Weg in die Rechtsmedizin. Frau Burger wurde von ihrem Hausarzt nach Hause begleitet. Der Kollege draußen hat die Adresse notiert.“
Jana streifte Klaus Faas mit einem kurzen Seitenblick. „Wenn wir von dem Zeugen schnell die Fingerabdrücke nehmen, kann er sich den Weg zum Präsidium sparen.“
Ulli